Identifizierende
Berichterstattung und Namensnennung

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Ein Beitrag zur Frage, wann die Medien unter Namensnennung identifizierend berichten dürfen.

TV-Sender, Zeitungen und Online-Medien bedienen sich gern der identifizierenden Berichterstattung und nennen dabei häufig die Namen der betroffenen Personen, um ihre Nachrichten interessanter und aufregender zu gestalten. Denn erhält die „Story“ ein Gesicht, wird sie um so spannender.
Die identifizierende Berichterstattung bzw. Namensnennung wird häufig im Zusammenhang mit der Wiedergabe von Straftaten problematisiert, in dem Fotos, der Klarname oder sonstige Informationen über den potenziellen Straftäter offenbart werden.

Sie auf dieses Anwendungsgebiet zu reduzieren, wäre jedoch falsch. Gerade im Bereich der Bildberichterstattung kann dies auch andere Gründe haben, wenn beispielsweise Neuigkeiten rund um eine berühmte Persönlichkeit veranschaulicht werden sollen. Was dabei von den Medien zu beachten ist, soll im Folgenden dargestellt werden, da insoweit eine hohe Relevanz für die anwaltliche Tätigkeit im Medienrecht besteht.

Vorliegen einer identifizierenden Berichterstattung

Die identifizierende Berichterstattung erschöpft sich nicht nur in der Wiedergabe des Klarnamens des Betroffenen. Das LG München entschied beispielweise, dass eine Berichterstattung schon dann identifizierend sei, nachdem Vorname, Herkunft und Beruf des Betroffenen genannt wurden (vgl. LG München, ZUM-RD 2011, 705 (706)). Auch das OLG Frankfurt a.M. bejahte jüngst das Kriterium der Identifizierbarkeit bei Nennung des Vornamens und dem ersten Buchstaben des Nachnamens, wenn zusätzliche individualisierende Gesichtspunkte hinzutreten (vgl. OLG Frankfurt a.M. GRUR-RS 2016, 00856 Rn. 22).

Dabei kommt es bei der Beurteilung der Identifizierbarkeit des Betroffenen nach dem BVerfG nicht auf das Verständnis des Durchschnittsempfängers an (vgl. BVerfG NJW 2004, 3619, 3620). Vielmehr stellte der BGH bereits vor knapp 40 Jahren fest, dass es ausreichend und notwendig sei, wenn die Erkennbarkeit für einen – mehr oder minder großen – Bekanntenkreis gegeben ist (vgl. BGH GRUR 1979, 732 (733)). Bei strenger Anwendung dieses Grundsatzes ist eine Identifizierung daher selbst bei der isolierten Mitteilung der beruflichen Stellung denkbar.

Darüber hinaus kann eine Identifizierung des Betroffenen natürlich auch mittels einer Fotografie erreicht werden. Dabei ist zu beachten, dass die bloße Verwendung von Augenbalken oder anderer Retuschen, nicht die Erkennbarkeit aufheben (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 16.07.2015 – Az.: 4 O 152/15 -, juris).

Zulässigkeit identifizierender Berichterstattung

Ob die identifizierende Berichterstattung zulässig ist oder nicht, kann nicht pauschal beantwortet werden. Vielmehr ist, wie im Äußerungsrecht häufig, eine Einzelfallbetrachtung anzustellen und eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen anzustellen.

Erfolgt die identifizierende Berichterstattung unter Verwendung eines Bildes ohne Einwilligung des Abgebildeten im Sinne von § 22 KunstUrhG, verletzt dies grundsätzlich das Recht des Betroffenen am eigenen Bild und damit letztlich auch sein allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG.

Ein solcher Eingriff ist nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG unter anderem aber dann zulässig, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Schon die Beurteilung dieser Frage erfordert nach dem BGH aber eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten und den Rechten der Presse (vgl. BGH GRUR 2010, 1029).

Für die Presse streiten dabei vor allem das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und die Pressefreiheit aus Art. 5 I GG. Zunächst gehört es zum Kern der Pressefreiheit, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht (BGH, GRUR 2008, 1020).

Im Rahmen der Abwägungsentscheidung sind dabei auch der Anlass der Bildberichterstattung und die Umstände der Informationsgewinnung mit einzubeziehen (vgl. BeckOK UrhR/Engels, § 23 KunstUrhG, Rn. 3). Muss der Betroffene beispielsweise nicht damit rechnen, dass er in den Medien abgebildet wird, wird seinem Persönlichkeitsrecht in der Regel ein stärkeres Gewicht zu kommen. Ist die Fotografie allerdings im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung angefertigt worden, kann wiederum das öffentliche Interesse überwiegen. Auch wenn der Betroffene stets die Öffentlichkeit sucht und sich für gewöhnlich damit einverstanden zeigt, dass als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden, kann dies zur Zulässigkeit der Bildveröffentlichung führen (vgl. BVerfG GRUR 2000, 446 ff.).

Zudem kann eine Veröffentlichung unter dem Gesichtspunkt der Unterhaltung gerechtfertigt sein, gerade wenn dies im Zusammenhang mit der Darstellung des Lebens prominenter Persönlichkeiten zusammenhängt. Nach dem BGH kann die Normalität des Alltagslebens eines Prominenten zur Meinungsbildung beitragen und daher vom öffentlichen Interesse sein (vgl. BGH NJW 2009, 757)). Dabei sei allerdings ein möglichst behutsamer Ausgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vorzunehmen (vgl. BGH, BeckRS 2010, 28333; NJW 2010, 1029; NJW 2010, 3025).

Bei „bloßen“ personenbezogenen Wortberichten kommt eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter dem Gesichtspunkt des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung in Betracht. Hinter dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbürgt sich die Befugnis des Einzelnen, selbst darüber zu entscheiden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden (vgl. BGH, GRUR 2014, 1228 Rn. 6).

Aber auch in diesem Zusammenhang wiegt die Meinungs- und Pressefreiheit der Medien schwer. Höchstrichterlich wird bei der Einschränkung dieser daher große Zurückhaltung geübt. So entschied sowohl der BGH als auch das BVerfG, dass Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG nicht davor schütze, überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden (vgl. BGH, GRUR 2011, 261; BVerfG, NJW 2012, 1500).

Zudem müssten wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden (vgl. BGH, GRUR 2014, 693). Einschränkungen ergeben sich unter anderem aber dann, wenn unwahre Tatsachen verbreitet werden (vgl. BGH, GRUR 2014, 693) und/oder eine Stigmatisierung bzw. „Prangerwirkung“ für den Betroffenen zu befürchten ist. Eine solche Prangerwirkung kommt nach dem BVerfG in Betracht, wenn ein beanstandungswürdiges Verhalten einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht wird und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen auswirkt (vgl. BVerfG, GRUR 2010, 544 Rn. 25).

Auch hier sind die Gerichte streng. So entschied der BGH beispielweise in seinem Urteil vom 13.01.2015 -VI ZR 386/13-, dass dies nicht der Fall sei, wenn dem Betroffenen in der Berichterstattung keinerlei Vorwürfe gemacht werden. Geklagt hatte ein prominenter Promifriseur, der namentlich in einer Berichterstattung über seinen verhafteten Angestellten erwähnt wurde. Obwohl der BGH grundsätzlich von einem Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ausging, sah es diesen dennoch als gerechtfertigt an. Neben dem Argument, dass dem Kläger selbst keinerlei Vorwürfe gemacht worden seien, führte er weiter aus, dass sich der Eingriff auch nur auf die berufliche Sphäre auswirke und damit weniger schwerwiegend sei. Dass über die Festnahme grundsätzlich auch ohne Bezugnahme auf den Kläger berichtet hätte werden können, lässt das Ergebnis nach Auffassung des BGH unberührt. Zurückzuführen sei dies auf das Beurteilungs- und Entscheidungsermessen der Medien bei der Gestaltung ihrer Artikel.

Identifizierende Berichterstattung über Straftäter

Andere Maßstäbe sind unter Umständen bei der identifizierenden Berichterstattung über Straftäter anzusetzen. Ausgangspunkt ist in der Regel der selbige, denn auch hier muss eine Abwägung der Interessen des Straftäters an Geheimhaltung /Integrität mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit erfolgen. Gerade unter dem Gesichtspunkt des Resozialisierungsgedankens sind hier aber strengere Anforderungen einzuhalten. Denn der Schutzbereich des APR wird in seiner Reichweite stärker betroffen sein, da neben der Sozialsphäre häufig auch die Privatsphäre des Betroffenen tangiert ist.

Dennoch stellte das BVerfG in der Lebach- Entscheidung fest, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, welches durch die Medien vermittelt werden soll. Es führt weiter aus, dass die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter begründen.

Dieses sei umso stärker, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebe. Bei schweren Gewaltverbrechen sei in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (BGH, Urteil vom 19. März 2013 – VI ZR 93/12 –, Rn. 18, juris).

Aber nicht nur schwere Straftaten können nach der Rechtsprechung ein berechtigtes Informationsinteresse begründen. Leichte Verfehlungen sind ebenso ausreichend, wenn durch Besonderheiten in der Person des Täters oder des Tathergangs, ein gesteigertes Interesse der Öffentlichkeit an Information besteht (vgl. BVerfG, NJW 2006, 2835). Dies liegt auch daran, dass die Folgen der Berichterstattung bei weniger schwerwiegenden Gesetzesübertretungen geringer sind (vgl. BVerfG, NJW 2012, 1500).

Das Vorangegangene ist im Kontext der aktuellen Berichterstattung zu sehen. Liegt die Straftat hingegen einige Zeit zurück, bedarf es einer erneuten Begründung des öffentlichen Interesses durch den Berichterstatter. Hat die das öffentliche Interesse veranlassende Tat mit der Verfolgung und Verurteilung die gebotene rechtliche Sanktion erfahren und ist die Öffentlichkeit hierüber hinreichend informiert worden, lassen sich wiederholte Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Täters im Hinblick auf sein Interesse an der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft nicht ohne weiteres rechtfertigen.

Hiermit ist allerdings keine vollständige Immunisierung vor der ungewollten Darstellung persönlichkeitsrelevanter Geschehnisse gemeint. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit ihrer Tat konfrontiert zu werden. Selbst die Verbüßung der Straftat führt nicht dazu, dass ein Täter den uneingeschränkten Anspruch erwirbt, mit der Tat „allein gelassen zu werden“(Vgl. BGH, Urteil vom 09. Februar 2010 – VI ZR 243/08 –, Rn. 19, juris).

Dies führt letztlich zu der Frage, inwiefern identifizierende Berichterstattungen in Online-Archiven hinterlegt werden dürfen. Eine allgemein gültige Aussage, dass die Beiträge beispielweise nach 5 Jahren zu entfernen seien, lässt sich nicht treffen.

In der Rechtsprechung zeichnet sich jedoch wiederum eine medienfreundliche Lösung der Problematik ab. Der BGH urteilte beispielsweise, dass ein anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit nicht nur an der Information über das aktuelle Zeitgeschehen besteht, sondern auch an der Möglichkeit, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse anhand der unveränderten Originalberichte in den Medien zu recherchieren.

Dementsprechend nähmen die Medien ihre Aufgabe, in Ausübung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken, auch dadurch wahr, dass sie nicht mehr aktuelle Veröffentlichungen für interessierte Mediennutzer verfügbar halten (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2012 – VI ZR 330/11 –, Rn. 18, juris).
Auch einer Anonymisierung bedürfe es nach dem EGMR nicht, da dies einer vollständigen Entfernung bestimmter Informationen entspräche, was wiederum mit der Meinungs- und Informationsfreiheit nicht in Einklang gebracht werden könne.

Fazit zur identifizierenden Berichterstattung

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Zulässigkeit der identifizierenden Berichterstattung im Ergebnis eine Abwägungsentscheidung im Einzelfall ist.

Kriterien für die Beurteilung sind dabei das öffentliche Interesse an der Berichterstattung, Art und Schwere der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die Aktualität oder auch das Verbreitungsmedium. Häufig wird sich mit einer guten Argumentation eine Rechtsverletzung begründet lassen.

Sollte eine Rechtsverletzung festgestellt werden, ist der Betroffene nicht schutzlos gestellt, sondern kann beispielsweise im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die identifizierende Berichterstattung bzw. Namensnennung in der Presse vorgehen. Auf jeden Fall sollte schnellstmöglich gehandelt werden, um Schäden oder eine Schadensvertiefung zu vermeiden.

Die Kanzlei BUSE HERZ GRUNST Rechtsanwälte steht Ihnen im Fall einer unzulässigen Berichterstattung jederzeit gern zur Verfügung und vertritt Sie sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich gegen TV-Sender, Zeitungen oder Online-Medien.


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Ein weiterer Beitrag zur Berichterstattung über Strafverfahren

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