Symbolbild Abmahnung (© Alexander Limbach -stock.adobe.com)

Beantragung einer einstweiligen Verfügung im Markenrecht ohne Abmahnung

14.04.2018 | Medien- und Wirtschaftsrecht

Abmahnung im Markenrecht – Wann ist sie entbehrlich?

Konnte eine Markenrechtsverletzung festgestellt werden, wird in der Regel zunächst außergerichtlich abgemahnt. In der Praxis bezeichnet die Abmahnung ein förmliches, außergerichtliches Schreiben an den vermuteten Rechtsverletzer mit der Aufforderung, die begangene oder unmittelbar bevorstehende Markenrechtsverletzung zukünftig zu unterlassen.

Sinn und Zweck der außergerichtlichen Abmahnung ist nicht nur dem Adressaten die Markenrechtsverletzung vor Augen zu führen und ihm somit die Möglichkeit einer friedlichen Streitbeilegung zu eröffnen. Sie sichert den Markenrechtinhaber im Falle eines späteren Prozesses – sei es in Form eines einstweiligen Verfügungsverfahrens oder Klageverfahrens –  auch im Hinblick auf die Kostentragungslast ab.

Unterbleibt eine außergerichtliche Abmahnung, hat die Gegenseite die Möglichkeit, im gerichtlichen Verfahren den geltend gemachten Anspruch sofort anzuerkennen. In der Konsequenz trifft den Antragsteller, also den Markenrechtinhaber, die negative Kostenfolge des § 93 ZPO. Danach sind dem Kläger die gesamten Prozesskosten aufzuerlegen, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt und zuvor durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Die benannte Vorschrift findet auch im einstweiligen Verfügungsverfahren Anwendung und ist nicht auf das Hauptsacheverfahren beschränkt.

Nach Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum ist § 93 ZPO bei Ausbleiben einer außergerichtlichen Abmahnung grundsätzlich anzuwenden und nur in wenigen Ausnahmefällen außer Betracht zu lassen.

Im Folgenden sollen nun einige dieser Ausnahmen darstellt werden:

Der Sequestrationsantrag

Eine Besonderheit im Markenrecht und damit die bedeutendste Ausnahme zum § 93 ZPO stellt der sogenannte Sequestrationsantrag dar, welcher in Kombination zum eigentlichen Hauptantrag – dem Unterlassungsantrag – gestellt wird.

Inhaltlich ist der Antrag auf die Herausgabe von Waren, Gerätschaften oder Materialien an den Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung gerichtet.

Der Sequestrationsantrag dient somit der Sicherung des Vernichtungsanspruches aus § 18 MarkenG, wonach der Inhaber einer Marke oder geschäftlichen Bezeichnung den Verletzer in den Fällen der §§ 14, 15 und 17 auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum des Verletzers befindlichen widerrechtlich gekennzeichneten Waren in Anspruch nehmen kann.

Anbieten wird sich ein solcher Antrag immer dann, wenn beispielweise Raumkopien oder andere Plagiatsware im großen Stil bei der Gegenseite zu vermuten sind.

Nach herrschender Auffassung bedarf es bei Bestehen eines Sequestrationsanspruches keiner vorherigen außergerichtlichen Abmahnung. Es bestünde nämlich eine nachvollziehbare Vereitelungsgefahr in dem Sinne, dass der Verletzer die betroffenen Güter nach Erhalt der Abmahnung beiseiteschafft und anderweitig zu veräußern versucht.

Das Kammergericht und OLG Hamburg stellten diesbezüglich fest:

„In derartigen Fällen liegt es im Allgemeinen nahe, dass der Schuldner den Beweis für sein schutzrechtswidriges Verhalten beiseiteschaffen würde, wenn er von der bevorstehenden Beschlussverfügung durch Abmahnung Kenntnis erhielte, um so wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden.“

(vgl. KG, GRUR-RR 2008, 372 – Abmahnkosten; OLG Hamburg, GRUR- RR 2004, 191 – Flüchtige Ware).

An die Begründung einer solchen Vereitelungsgefahr werden also keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Anders verhält es sich jedoch, wenn es darum geht, diese Vermutung zu erschüttern.

Nach Ansicht des OLG Karlsruhe ist dies nur dann zu bejahen, wenn für den Gläubiger zum Verletzungszeitpunkt konkrete Anhaltspunkte dahingehend vorliegen, dass die Gefahr des Beiseiteschaffens im Einzelfall ausgeschlossen ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.01.2013 – 6 W 82/12 -). In welchen Konstellationen dies angenommen werden kann, dazu äußert sich das Gericht zwar nicht, die bloße Zustimmung zur Vernichtung der vom Zoll angehaltenen Ware reiche aber jedenfalls nicht aus. Als Begründung wird insoweit angeführt, dass gerade bei gewerblichen Händlern viel dafürspreche, dass noch weitere Exemplare importiert worden seien.

Das OLG Braunschweig nimmt hingegen eine Verpflichtung zur vorherigen außergerichtlichen Abmahnung an, „wenn die Höhe des vergeblich aufgewandten Einkaufspreises sowie der Zuschnitt des Einzelhandelsgeschäfts keinen Anhalt dafür bieten, dass die Waren beiseitegeschafft werden, um sie anderweitig zu veräußern.“ (vgl. OLG Braunschweig, GRUR-RR 2005, 103, beck-online)

Allzu vorschnell sollte auf die außergerichtliche Abmahnung daher nicht verzichtet werden, da wie bereits beschrieben, nur das tatsächliche Bestehen des Sequestrationsanspruches den Verzicht legitimiert. Geht der Markeninhaber fälschlicherweise von dem Vorliegen des Anspruches aus und wird dieses im gerichtlichen Verfahren verneint, bleibt es bei der negativen Kostenfolge des § 93 ZPO trotz Stellung eines Sequestrationsantrages.

Selbiges gilt, wenn der Sequestrationsantrag ausschließlich zur Umgehung des § 93 ZPO gestellt wird und somit als rechtsmissbräuchlich einzustufen ist.

Es empfiehlt sich daher eine auf das Markenrecht spezialisierte Kanzlei so früh wie möglich hinzuziehen, um sich nicht unbedacht einem vermeidbaren Kostenrisiko auszusetzen.

Aussichtslosigkeit

Weiterhin ist anerkannt, dass auf eine außergerichtliche vorherige Abmahnung auch dann verzichtet werden kann, wenn sie von vornherein aussichtlos erscheint.

Von einer vorschnellen Annahme dieser Ausnahme ist jedoch abzuraten, die Gerichte sind vergleichsweise streng, wenn es darum geht, wann eine Abmahnung als aussichtslos einzustufen ist.

Dies soll nur zutreffen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls eine Abmahnung offenkundig vergeblich wäre. Bejaht wurde dies beispielsweise in einem Fall, wo es darum ging, dass der Verletzer auf die Abmahnung eines Dritten nicht reagiert hatte und diese eine gleichartige Verletzungshandlung betraf.

Nicht ausreichend soll hingegen sein, wenn die Markenrechtsverletzung „lediglich“ auf eine vorsätzliche Verletzungshandlung zurückzuführen ist.

Das OLG Hamburg stellte diesbezüglich bereits im Jahr 1996 ausdrücklich fest:

„(…) daß eine Abmahnung auch bei schwerwiegenden Verstößen und vorsätzlichem Handeln des Verletzers grundsätzlich nicht entbehrlich ist. Die Schwere eines Verstoßes gibt keinen Anlaß für die Annahme, daß der Verletzer sich einer Abmahnung nicht beugen wird. Nach der Lebenserfahrung ist eher das Gegenteil der Fall. Bei einem schweren Verstoß muß er nämlich mit einer unmittelbar folgenden und zudem bestandskräftigen einstweiligen Verfügung sicher rechnen. Deren Kosten kann er sich durch die Abgabe der Verpflichtungserklärung ersparen.“

(vgl. OLG Hamburg, NJWE-WettbR 1996, 93)

Besondere Eilbedürftigkeit

Durchaus vertretbar ist auch der Ansatz auf eine vorherige außergerichtliche Abmahnung aus Gründen der besonderen Eilbedürftigkeit zu verzichten. In einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit hat das OLG Saarbrücken eine solche Vorgehensweise für zulässig erklärt (vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 14.7.2008 – 1 W 99/08). Als wesentliche Begründung führte das Gericht an, dass der absehbare Wettbewerbsverstoß ohne sofortige Beantragung einer einstweiligen Einfügung nicht mehr verhinderbar war. Gegenstand der Entscheidung war ein rechtsverletzender Werbeprospekt, von dem der Betroffene erst am Veröffentlichungstag Kenntnis erlangte.

Allerdings ist im Falle besonderer Dringlichkeit immer zu beachten, dass eine Abmahnung ebenso per Fax erfolgen kann und unter Umständen das Setzen einer kurzen Frist, selbst wenn es sich hierbei nur um wenige Stunden handelt, zumutbar sein kann. Letztendlich wird es hier aber – wie bei jedem anderen Ausnahmetatbestand – auf die finale Einschätzung des erkennenden Gerichts ankommen. Da diese zumindest mit den zuletzt genannten Ausnahmen sehr restriktiv umgehen, sollte auch hier sehr vorsichtig mit dem Verzicht einer Abmahnung umgegangen werden.

Fazit

Wie sich gezeigt hat, muss eine vorherige außergerichtliche Abmahnung nicht zwingend sein, um der negativen Kostenfolge des § 93 ZPO zu entgehen. Es sind durchaus Konstellationen vorstellbar, in denen eine Abmahnung entbehrlich sein kann. Allerdings bleibt die außergerichtliche Abmahnung immer noch die Regel und es sollte zuvor genau überlegt werden, ob der betroffene Sachverhalt tatsächlich einen Ausnahmetatbestand erfüllt. Auf gewerblichen Rechtschutz spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien können bei dieser Zuordnung wichtige Hilfestellungen leisten und Fehler im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens vermeiden.

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