30. Deutscher Jugendgerichtstag an der Freien Universität zu Berlin – Weiterbildung im Jugendstrafrecht
16. September 2017
Rechtsanwalt Benjamin Grunst nahm am 30. Deutschen Jugendgerichtstag teil. Dieser fand vom 14.09.2017 bis zum 17.09.2017 unter dem Motto, “Herein-Heraus-Heran – Junge Menschen wachsen lassen” statt. Zum 100 jährigen Jubiläum des DVJJ fanden viele Vorträge und Arbeitskreisen zu den aktuellen Fragestellungen des Jugendstrafrechts statt. An den folgenden Veranstaltungen hat der Jugendstrafverteidiger teilgenommen.
Ausgewählte Aspekte der EU-Richtline 2016/800 und Ihre Auswirkungen auf das nationale Recht
Hinter dem zunächst spröde wirkenden Thema, verbirgt sich echter Reformhammer im Bereich des Jugendstrafrechts. Die EU hat die Rechte der Jugendlichen und Heranwachsenden in der Richtlinie nachhaltig gestärkt. Deutschland hat zwar einige grundsätzliche Änderungen, wie die Pflichtverteidigung bei allen Jugendstrafprozessen verhindert, aber stehen dennoch einige positive Änderungen an. Das Bundesministermium für Justiz arbeitet nun an der Transformation der Vorgaben aus Brüssel in das nationale Recht. Die Frist zur Umsetzung läuft im Sommer 2019 aus. Die Richtlinie sieht weitreichende Änderungen bei den Vernehmungen im Ermittlungsverfahren, der Notwendigkeit zur Hinzuziehung eines Verteidigers und weitergehende Pflichten für die Jugendgerichtshilfe vor.
Ein Beispiel ist der “Pflichtverteidiger der ersten Stunde”. Demnach muss dem Jugendlichen bereits vor der ersten Vernehmung durch den Polizeibeamten ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt werden, wenn es absehbar ist, dass es im weiteren Verfahren zu einer Jugendstrafe kommen kann. Wie die zukünftige Durchführung der neuen Regelung ablaufen soll, war in dem Arbeitskreis ein kontroverses Thema.
Rechtsanwalt Benjamin Grunst diskutierte dabei mit Staatsanwälten, Jugendrichtern und hohen Beamten aus dem Bundesjustizministerium.
Vortrag zur Evaluation des Warnschussarrestes nach § 16a und die zu ziehenden Schlüsse
Der Vortrag von Prof. Dr. Theresia Höynck (Universität Kassel) beschäftigte sich mit dem 2013 eingeführten Warnschussarrest für Jugendliche und Heranwachsende. Im Auftrag des Bundesjustizministeriums hat Sie eine umfassende Studie durchgeführt zur Überprüfung der Effekte durch die Erweiterung des Freiheitsentzugs.
Der Warnschussarrest bietet die Möglichkeit bei Bewährungsstrafen nach dem Jugendgerichtsgesetz einen zusätzlichen Arrest anzuordnen, der innerhalb von drei Monaten zu vollstrecken ist. In der Gesetzbegründung war angedacht, den Jugendlichen mal “einen Knast” von innen zu zeigen, um die Rückfallquote zu senken und den Bewährungsstrafen Nachdruck zu verleihen. Wegen einiger medienwirksamen Verfahren wurde dies in den letzten Koalitionsverhandlungen durchgesetzt.
Die Studie deckt einen Zeitraum von 2014 bis 2016 ab und zeigt zunächst in der Anwendung eklatante Unterschiede zwischen den Bundesländern. Beispielsweise gab es 2014 in Berlin 3 Fälle des Warnschussarrestes, während es in Bayern 177 mal die neuen Sanktionen zum Einsatz kamen.
Eine weitere Erkenntnis ist, dass es keine signifikanten Unterschiede in der Rückfallquote beim Vergleich von Jugendstraftätern mit Bewährungsstrafe mit und ohne zusätzlicher Verhängung des Warnschussarrestes gibt.
Schlussfolgerung von Rechtsanwalt Benjamin Grunst ist, dass der Warnschussarrest wieder aus dem Gesetz gestrichen werden soll. Es ist kein positiver Effekt erkennbar hinsichtlich der Rückfallquote oder des erzieherischen Leitgedankens.
Vortrag zur Reform der Polizeidienstvorschrift 382 – Bearbeitung von Jugendstrafsachen
Der Vortrag von Werner Gloss (Polizeihauptkommisar aus Nürnberg) beschäftigte sich mit der benannten Polizeidienstvorschrift. Die Vorschrift wurde 1995 in der noch heute gültigen Fassung geschaffen und regelt den Umgang der Polizeibehörden mit Jugendlichen und Heranwachsenden. Im Vortrag wurde die Regelungsbereich der PDV vorgestellt und der deutliche Reformbedarf herausgearbeitet. Während die PDV noch ausdrücklihc vor dem damals üblichen “Fahren per Anhalter” warnte, finden die heutigen Gefahren der digitalen Welt keinen Platz. Auch mit Blick auf die EU-Richtline 2016/800 besteht dringender Reformbedarf. Je klarer die Regeln zum polizeilichen Handeln sind, desto größer sind die Chancen, dass diese auch befolgt werden.