Kein Recht auf einen Pflichtverteidiger bei anwaltlicher Vertretung der Nebenkläger

07. Februar 2016

Das Kammergericht Berlin hatte sich im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens (Beschl. v. 27.08.2015 – 4 Ws 81/15) mit der Frage zu beschäftigen, ob das Auftreten von Nebenklagevertretern dazuführt, dass dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger bestellt werden müsse.

Wie kam es zu der Entscheidung über die Pflichtverteidigerbestellung?

Der Angeklagte stand wegen einer Jugendsache vor Gericht und wurde durch seinen Wahlverteidiger vertreten. An dem Verfahren waren auch Nebenkläger beteiligt. Als bekannt wurde, dass diese ebenfalls anwaltlichen Beistand haben, beantragte der Wahlverteidiger des Angeklagten sich als Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 S. 1 StPO i.V.m. § 68 Nr. 1 JGG beiordnen zu lassen. Der Antrag wurde vom Vorsitzenden der Strafkammer des Landgerichts Berlin mit Beschluss abgelehnt. Gegen den Beschluss legte der Wahlverteidiger Beschwerde ein. Nun hatte das Kammergericht Berlin über die Bestellung zum Pflichtverteidiger zu entscheiden.

Wie hält es das Kammergericht Berlin mit der Pflichtverteidigerbestellung?

Das Kammergericht Berlin sah die Voraussetzungen des § 140 Abs.1 Nr. 9, Abs. 2 S. 1 StPO i.Vm. § 68 Nr. 1 JGG ebenfalls nicht als erfüllt an. Ein Fall der notwenigen Verteidigung liege nicht vor. Der Umstand, dass die Nebenkläger sich freiwillig und auf eigene Kosten eines rechtlichen Beistandes bedienen, führt nicht automatisch dazu, dass der Anklagte sich nicht mehr selbst verteidigen könne. Es bedarf für die Bestellung eines Pflichtverteidigers vielmehr einer genauen Einzelfallprüfung unter Einbeziehung aller konkreten Gegebenheiten des Sachverhalts. Nur wenn sich danach erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Selbstverteidigung ergeben, sei die Bestellung eines Pflichtverteidigers zu rechtfertigen. Auch der Wortlaut des § 140 Abs. 1 Nr. 9 StPO spreche gegen eine Pflichtverteidigerbestellung. Danach sei diese ausschließlich zulässig, wenn der Geschädigte selbst als Nebenkläger auftrete und sich eines Rechtsanwaltes bediene. Ein grundsätzliches Recht des Angeklagten auf einen Pflichtverteidiger bei irgendeiner Teilhabe von Nebenklägervertretern wolle § 140 Abs. 1 Nr. 9 StPO aber gerade nicht begründen. Ein die Verteidigung beeinträchtigendes Ungleichgewicht sei, in Konstellationen wie der vorliegenden, nicht zu befürchten, zumal nicht ersichtlich war, dass die Anwälte der Nebenkläger den Verfahrensgang großartig beeinflusst hätten.

Fazit: Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint.

Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin zeigt, dass gerade die Berliner Gerichte sehr streng sind, wenn es um die Bestellung eines Pflichtverteidigers geht. Die Beiordnung als Pflichtverteidiger spielt zunächst für die Kostenfrage eine entscheidende Rolle, denn die Auslagen des Pflichtverteidigers werden vorerst von der Staatskasse übernommen, den Wahlverteidiger muss der Mandant selbst zahlen. Aber auch das generelle Verhältnis zwischen Strafverteidiger und Mandant gestaltet sich enger. So kann der Rechtsanwalt das Mandatsverhältnis beispielsweise nur noch unter sehr strengen Voraussetzungen niederlegen.

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