„Whistleblowing“ – Strafbarkeit des Enthüllungsjournalismus nach den §§ 17, 19 UWG
10. Januar 2019
Spätestens seit der „Snowden-Affäre“ im Jahre 2013 ist der Begriff des „Whistleblowings“ in den Medien omnipräsent. An den Missständen, die sich in Behörden, aber insbesondere auch in Unternehmen abspielen, besteht naturgemäß ein erhebliches öffentliches Interesse, welches durch Enthüllungsjournalisten breitenwirksam befriedigt wird.
Was ist „Whistleblowing“?
Unter dem „Whistleblowing“ versteht man das Verhalten einer Person, die aus einer Organisation heraus – als „Insider“ – Informationen preisgibt, die auf interne Missstände hinweisen (vgl. Azar, JuS 2017, 930). Solange diese Informationen lediglich innerhalb der Organisation, beispielsweise an eine interne oder eigens dafür beauftragte Compliance-Stelle, weitergeleitet werden – man spricht dann vom internen Whistleblowing – dürften wohl kaum Anknüpfungspunkte für eine Strafbarkeit des Hinweisgebers bestehen. Diese Vorgehensweise hat für Unternehmen den ersichtlichen Vorteil, dass vorerst keine sensiblen Informationen den unternehmensinternen Bereich verlassen und ein Imageverlust so nicht zu befürchten ist (vgl. Azar, JuS 2017, 930). In einigen besonderen Fällen erscheint dieses Vorgehen allerdings für den Hinweisgeber ungenügend, sodass dieser erwägt, sich mit seinen Informationen an die Strafverfolgungsbehörden oder an die Presse zu wenden. Dies bezeichnet man als externes Whistleblowing.
Das externe Whistleblowing ist strafrechtlich durchaus relevant, denn nach § 17 Abs. 1 UWG macht sich strafbar, wer als eine bei einem Unternehmen beschäftigte Person ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das ihr im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraut worden oder zugänglich geworden ist, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an jemand zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitteilt. Dieses Vergehen ist mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Von den Feinheiten des gesetzlichen Tatbestandes einmal abgesehen, begibt sich ein Arbeitnehmer grundsätzlich in einen strafbaren Bereich, wenn er ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis an die Öffentlichkeit bringt.
Der Begriff des Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses wird dabei von der Rechtsprechung sehr weit gefasst, sodass entsprechend ein Großteil der Sachverhalte dem gesetzlichen Tatbestand unterfällt. Er umfasst nämlich sämtliche Tatsachen, die nach dem erkennbaren Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollen, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und damit nicht offenkundig sind und hinsichtlich derer der Betriebsinhaber deshalb ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat, weil eine Aufdeckung der Tatsachen geeignet wäre, dem Geheimnisträger wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1995 – 1 StR 764/94, Rn. 12 (Juris)).
Durch das externe Whistleblowing setzt sich allerdings nicht nur der Hinweisgeber selbst der Gefahr der Strafverfolgung aus, sondern nach § 19 Abs. 1 UWG insbesondere auch der Journalist, der die Informationen entgegennimmt. Dies setzt lediglich voraus, dass er den Whistleblower zur Preisgabe „zu bestimmen versucht“ hat, sodass die Strafbarkeitsschwelle sehr früh überschritten wird.
Strafrechtliche Situation des Whistleblowers
Zu beachten ist auch, dass nach derzeitiger Rechtslage die Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen an die Presse nur als „ultima ratio“ in Betracht kommt. Zuvor sind alle anderen Abhilfemöglichkeiten, zu denen auch der Kontakt zu den Strafverfolgungsbehörden zählt, auszuschöpfen (vgl. Azar, JuS 2017, 930, 935). Dies ist insbesondere für Journalisten äußerst problematisch und ruft einen gesetzgeberischen Regelungsbedarf hervor, um der herausragenden Rolle des Enthüllungsjournalismus für die öffentliche Meinungsbildung gerecht zu werden.
Diesen Regelungsbedarf hat der Unionsgesetzgeber erkannt und am 8. Juni 2016 die Geschäftsgeheimnis-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates) verabschiedet, die den Schutz von Geschäftsgeheimnissen in der Europäischen Union harmonisieren soll. Zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht ist nunmehr der Deutsche Bundestag berufen. Dieses diskutiert seit Oktober 2018 das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG), welches in seinem § 5 besondere Rechtfertigungsgründe für die Erlangung, die Nutzung oder die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen vorsieht. Nach dem Gesetzentwurf soll in Zukunft beispielsweise das „Whistleblowing“ für alle Beteiligten straflos bleiben, wenn es zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens dient und in der Absicht gehandelt wird, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen (vgl. BT-Drucks. 19/4724, S. 10).
Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob und wann sich diese sehr zu begrüßende Rechtsänderung ihren Weg durch das Gesetzgebungsverfahren bahnt.