Entscheidung des BVerfG zur Weitergabe unverpixelter Bildaufnahmen – Strafbarkeit bei der Bilderweitergabe von Journalisten

24. September 2020

Mit seinem Beschluss vom 23.06.2020 (Az.: 1 BvR 1716/17) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgezeigt, wie das Verhältnis zwischen dem strafrechtlichen Schutz aus dem Kunsturhebergesetz (KUG) und der von der Pressefreiheit grundrechtlich geschützten journalistischen Tätigkeit bei der Weitergabe von unverpixelten Bildern zu werten ist.

Sachverhalt zur unverpixelten Weitergabe von Fotos eines Journalisten an die Redaktion

Hintergrund der Entscheidung war eine Bildaufnahme aus dem Wartebereich der Uniklinik Aachen aus dem Jahr 2014, auf welcher ein dunkelhäutiger Patient zu sehen war. Diese Bildaufnahme gab ein Journalist (der spätere Beschwerdeführer) zum Zweck der Veröffentlichung unverpixelt an eine Presseredaktion weiter. Jene veröffentlichte die Bildaufnahme dann ebenfalls unverpixelt unter der Überschrift „Ebola in NRW? – Virus-Verdächtiger musste auf Klinik-Flur warten“ in der Online-Ausgabe einer großen deutschen Tageszeitung in Zusammenhang mit einem Bericht über unzureichende Sicherheitsvorkehrungen des Klinikums in Ebola-Verdachtsfällen. Zum Zeitpunkt des Geschehens grassierte in Deutschland die Angst vor der Ausbreitung des Ebola-Virus und erhielt in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit. Sowohl der Abgebildete also auch die behandelnde Ärztin und herbeigerufene Polizeibeamte hatten den Journalisten zur Löschung der Bildaufnahme aufgefordert. Bei der Weitergabe der Bildaufnahme an die Presseredaktion hatte der Journalist den Entstehungskontext mitgeteilt, mit der veröffentlichenden Presseredaktion aber nicht über die Frage der Verpixelung im Fall der Veröffentlichung gesprochen.

Der Journalist wurde wegen des Geschehenen durch das Amtsgericht Aachen wegen unbefugten Verbreitens eines Bildnisses gemäß §§ 22 ff., 33 KUG zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 80 € verurteilt (Urteil vom 29.10.2015 – 447 Ds 249/15). Auf die Berufung des Journalisten und der Staatsanwaltschaft verurteilte das Landgericht Aachen den Journalisten zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 80 € (Urteil vom 7.9.2106 – 71 Ns-2 Js 1508/14-15/16). Aus Sicht der Strafgerichte lag in der Veröffentlichung eine erhebliche Stigmatisierung und Bloßstellung des Abgebildeten. Trotzdem es sich um ein Bildnis der Zeitgeschichte handele, hätte eine befugte Verwendung und Verbreitung eine weitergehende Verfremdung und Unkenntlichmachung vorausgesetzt. Da der Journalist die Berichterstattung unter Verwendung des Bildes bei der Presseredaktion selbst veranlasst und gewollt habe, hätte es ihm oblegen, die Verfremdung und Unkenntlichmachung sicherzustellen. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln verwarf die Revision als unbegründet, woraufhin der Journalist erfolgreich Verfassungsbeschwerde zum BVerfG erhob.

 

Die Regelungen des Kunsturhebergesetzes bei der Weitergabe von Pressefotos

Die maßgeblichen Normen, die den jeweiligen Entscheidungen zugrunde liegen, sind die des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie – umgangssprachlich bekannt als Kunsturhebergesetz (KUG).

Zum besseren Verständnis der Entscheidung erfolgt vorab ein kurzer Überblick zu den §§ 22, 23 und 33 KUG.

§ 22 KUG – Der Bildnisschutz im Kunsturhebergesetz

§ 22 KUG regelt, dass Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zu Schau gestellt werden dürfen und schützt damit das Recht am eigenen Bild eines jeden Einzelnen als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Das Selbstbestimmungsrecht der abgebildeten Person ist als Freiheit des Menschen, ausschließlich selbst über sein dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzuordnendes Erscheinungsbild zu bestimmen, zu verstehen (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 22 Rn. 3). Allein der Abgebildete soll darüber befinden können, „ob und in welcher Weise er der Öffentlichkeit im Bild vorgestellt wird“ (BGH, Urteil vom 6.3.2007 – VI ZR 13/06).

Begriff des Bildnisses im Kunsturhebergesetz

Unter einem Bildnis versteht man die Abbildung einer natürlichen Person – also die Darstellung der äußeren Erscheinung einer Person in einer für Dritte erkennbaren Weise (OLG Hamburg, Urteil vom 13.1.2004 – 7 U 41/03). Dabei kommt es nicht auf die technische Wiedergabe an, sodass neben klassischen Fotografien auch Zeichnungen, Karikaturen, Fotomontagen, o.ä. erfasst werden (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 22 Rn. 2).

Daneben setzt der Bildnisbegriff die Erkennbarkeit der abgebildeten Person voraus. Dabei sind sämtliche in Betracht kommenden Identifizierungshilfen zu berücksichtigen (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 22 Rn. 4). Ergibt sich die Erkennbarkeit nicht bereits aufgrund der Abbildung wesentlicher Gesichtszüge, der Frisur, o.ä., können auch die Bildnisunterschrift, die zugehörige Wortberichterstattung oder sonstige individualisierende Merkmale wie das genaue Alter, Initialen oder Einzelheiten des Lebenslaufs zur Erkennbarkeit führen. Es kann bereits ausreichend sein, dass zumindest ein Teil der Leser aufgrund der gegebenen Hinweise oder Anspielungen zur Aufdeckung der Person in der Lage ist (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 22 Rn. 1 m.w.N.). Zum Ausschluss der Identifizierbarkeit ist der Einsatz von Augenbalken oder Verpixelungen im Übrigen nur ausreichend, wenn sie zu einer vollständigen Unkenntlichmachung führen. Wird der Abgebildete auf die Bildveröffentlichung angesprochen, ist von einer Erkennbarkeit auszugehen. Demgegenüber ist es aber nicht erforderlich, dass der Abgebildete tatsächlich erkannt wird – es genügt insoweit der begründete Anlass des Abgebildeten zu der Annahme, er könne erkannt werden, wobei die befürchtete Erkennbarkeit innerhalb eines Bekanntenkreises genügt (BGH, Urteil vom 26.6.1979 – VI ZR 108/78 = NJW 1979, 2205).

Verbotene Handlungen im Sinne des § 22 KUG

§ 22 KUG verbietet das Verbreiten und öffentliche Zurschaustellen von Bildnissen ohne Einwilligung des Abgebildeten. Das Herstellen einer Bildaufnahme wird nicht erfasst, kann aber bei einer in naher Zukunft bevorstehenden Veröffentlichung den Abgebildeten zu einer vorbeugenden Unterlassungsklage berechtigen. Wird die Bildaufnahme heimlich, d.h. ohne Wissen und Wollen sowie in Veröffentlichungsabsicht hergestellt, liegt in der Anfertigung eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Betroffenen gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB. Das gilt insbesondere, wenn die Bildaufnahme dem höchstpersönlichen Lebensbereich – wie beispielsweise der Intimsphäre – entstammt.

Unter Verbreiten versteht man in Anlehnung an § 17 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (kurz: Urhebergesetz; UrhG), das Anbieten oder Inverkehrbringen des Originals oder von Vervielfältigungsstücke des Werkes in der Öffentlichkeit, wobei die körperliche Verbreitung erfasst werden soll. Laut anderen, weitergehenden Auffassungen sei der Begriff des Verbreitens im Rahmen von § 22 KUG weiter zu verstehen und soll jegliche Art der Verbreitung – mithin auch im privaten Bereich – erfassen (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 22 Rn. 11 m.w.N.). Öffentlich zur Schau stellen ist die nicht notwendigerweise gewerbliche Wahrnehmbarmachung durch Bildträger oder sonstige Medien wie Presse, Film, Fernsehen oder Internet bzw. sonstige elektronische Medien, aber auch beispielsweise der Aushang in einem Schaufenster oder Museum (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 22 Rn. 12). Die Zurschaustellung muss öffentlich erfolgen, wobei der Öffentlichkeitsbegriff des § 15 Abs. 3 UrhG maßgeblich ist. Danach ist die Wiedergabe öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Nicht öffentlich ist die Zurschaustellung, wenn sie innerhalb eines abgegrenzten Personenkreises erfolgt (z. B. im Rahmen von Vorlesungen).

Einwilligung in die Aufnahme und Verbreitung von Bildaufnahmen

Bei der nach § 22 KUG erforderlichen Einwilligung handelt es sich nach der herrschenden Auffassung um eine Willenserklärung (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 22 Rn. 13), mit welcher sich der Abgebildete mit der Verbreitung oder öffentlichen Zurschaustellung seines Bildnisses einverstanden erklärt. Sie kann ausdrücklich oder konkludent – also durch schlüssiges Verhalten – erteilt werden. Für eine konkludente Einwilligung ist es allerdings notwendig, dass der Abgebildeten Zweck und Umfang der geplanten Bildveröffentlichung kennt. In der bloßen widerspruchslosen Hinnahme einer Bildaufnahme ist keine konkludente Einwilligung zu erblicken (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 22 Rn. 15). Ebenso wenig schließt eine Situation, in welcher der Betroffene in der Öffentlichkeit abgebildet wird, sein Einverständnis mit der Anfertigung und Verbreitung der Bildaufnahme ein. Anderes kann gelten, wenn der Betroffene die Berichterstattung wahrnimmt und beispielsweise für Bilder posiert oder Teilnehmer einer Veranstaltung ist, bei der es den Teilnehmenden üblicherweise auf eine Bildberichterstattung zu ihrer Person ankommt – z. B. Auftritte auf dem Roten Teppich (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 22 Rn. 15 f.). In § 22 S. 2 KUG ist zudem die (widerlegbare) Vermutung enthalten, dass eine Einwilligung erteilt wurde, wenn der Abgebildete ein Entgelt für die Abbildung erhalten hat.

Die Einwilligung ist grundsätzlich bindend und unwiderruflich (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 22 Rn. 19). Von diesem Grundsatz werden nur in solchen Fällen Ausnahmen gemacht, in denen nach einer vorzunehmenden Abwägung dem Persönlichkeitsrecht Vorrang gegenüber dem Prinzip der Rechtssicherheit in Form der Vertragstreue zukommt. Das setzt allerdings voraus, dass die künftige Veröffentlichung des Bildnisses infolge einer bei dem Betroffenen vollzogenen Persönlichkeitswandlung (etwa durch einen grundlegenden Überzeugungswechsel) rechtsverletzend wäre (OLG Frankfurt, Urteil vom 24.2.2011 – 16 U 172/10).

Zur Ermittlung des Umfangs einer Einwilligung ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen. Sofern der Umfang nicht bereits vertraglich geregelt ist, gilt die Einwilligung in der Regel nur in dem Umfang als erteilt, der zur Erreichung des Vertragszwecks notwendig ist (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 22 Rn. 22 m.w.N.). Grundsätzlich ist von der Einwilligung zur redaktionellen Veröffentlichung eines Bildnisses daher nicht auch dessen werbliche Verwendung oder die Verwendung in einem gänzlich anderen Kontext umfasst (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 22 Rn. 24 f. m.w.N).

 

§ 23 KUG – Ausnahmen des Bildnisschutzes aus dem Kunsturheberschutzgesetz

In § 23 KUG sind Ausnahmen geregelt, in denen eine Einwilligung des Abgebildeten nicht erforderlich ist. Nach § 23 Abs. 1 KUG bedarf es keiner Einwilligung des oder der Abgebildeten, wenn es sich um die Verbreitung oder Zurschaustellung von Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt (Nr. 1), bei Bildern, in denen die Person als Beiwerk zu einer Landschaft oder Örtlichkeit erscheint (Nr. 2) und bei Bildern von Versammlungen, Aufzügen, o. Ä., an denen die dargestellte Person teilgenommen hat (Nr. 3) sowie bei Bildnissen, die dem Kunstinteresse dienen (Nr. 4).

Wichtig ist es hier zudem, zwischen den Begrifflichkeiten „Bildnis“ und dem in § 23 Abs. 1 Nr. 2 und 3 KUG verwendeten „Bild“ zu unterscheiden. Der Begriff des Bildes stellt den Oberbegriff dar, wohingegen nur das Bildnis im Sinne von § 22 KUG Gegenstand des Rechts am eigenen Bild sein kann und unter den Schutz des § 22 KUG fällt (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 22 Rn. 1).

Für das Verständnis der Entscheidungsgründe kommt es vorliegend nur auf den Ausnahmetatbestand der Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG an.

Die Vorschrift nimmt Rücksicht auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit sowie die Pressefreiheit. Bei ihrer Anwendung ist eine Abwägung zwischen dem Privatsphärenschutz des Abgebildeten einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG andererseits vorzunehmen. Unter Privatsphäre versteht man dabei allgemein den Bereich, in welchem eine Person über die Art, Weise und Anlass bestimmt, wie Informationen über sie selbst zugänglich sind (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 23 Rn. 1).

Unter Bildnisse der Zeitgeschichte fallen Bildaufnahmen, die das Zeitgeschehen darstellen. Dazu gehören nicht nur sämtliche Ereignisse, die in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten sind, sondern sämtliche Angelegenheiten von öffentlichem Interesse – seien es politische, historische, wirtschaftliche, kulturelle oder sonstige (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 23 Rn. 3 m.w.N.). Dabei kann die Presse grundsätzlich selbst entscheiden, was sie für im öffentlichen Interesse stehend hält. Auch lediglich unterhaltende Beiträge können hierunter fallen, denn auch sie dienen der Meinungsbildung, regen diese an und beeinflussen sie (BVerfG, Urteil vom 15.12.1999 – 1 BvR 653/96 = NJW 2000, 1021).

Aufgrund mehrerer Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR; „Caroline von Monaco“) entwickelte der BGH zu den §§ 22, 23 KUG ein sog. abgestuftes Schutzkonzept. Nach diesem ist für die Zulässigkeit einer Bildnisveröffentlichung bei Nichtvorhandensein einer Einwilligung maßgeblich, dass neben dem Vorliegen des Ausnahmetatbestands nach § 23 Abs. 1 KUG durch die Verbreitung kein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Dabei ist bei Bildnissen der Zeitgeschichte der Informationswert einer Veröffentlichung dem Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten gegenüberzustellen. Bei der Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes sind dabei auch die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Aufnahme entstanden ist, und in welcher Situation der Betroffene dargestellt wird. Je weiter die Darstellung des Abgebildeten in dessen persönlichen Lebensbereich hineinreicht, desto schwerer wiegt die Beeinträchtigung (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 23 Rn. 14).

Bei Bejahung der Veröffentlichungsvoraussetzungen nach § 23 Abs. 1 KUG ist ergänzend gemäß § 23 Abs. 2 KUG zu prüfen, ob der Veröffentlichung des Bildnisses besonders vorrangige Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Zu den Belangen im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG gehören unter anderem auch die des Privatsphärenschutzes, welche allerdings bereits bei der Abwägung im Rahmen der Feststellung eines zeitgeschichtlichen Ereignisses berücksichtigt werden (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 23 Rn. 29). Die Intimsphäre ist absolut geschützt, weswegen die Veröffentlichung eines ihr zuzuordnenden Bildnisses ohne Einwilligung des Abgebildeten stets unzulässig ist. Zum Bereich der Intimsphäre gehört die innerste Gedanken- und Gefühlswelt eines Menschen, insbesondere der Sexualbereich (BeckOK InfoMedienR/Herrmann, Ed. 1.8.2020, KunstUrhG § 23 Rn. 31 m.w.N.).

§ 33 KUG – Strafnorm des Kunsturhebergesetzes

Strafrechtlichen Schutz bietet § 33 KUG, der denjenigen unter Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe stellt, der entgegen den §§ 22, 23 KUG ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt. Dabei handelt es sich um ein absolutes Antragsdelikt, das heißt, die Tat wird nur auf Antrag des Antragsberechtigten verfolgt.

Entscheidungsbegründung des BVerfG zur unverpixelten Weitergabe von Pressefotos

Das BVerfG hat im dargestellten Fall entschieden, dass die Strafgerichte die §§ 33, 22 f. KUG und das darin enthaltene abgestufte Schutzkonzept nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügend angewendet haben. Zudem sei offenkundig ein falscher Bezugspunkt für die Anknüpfung der strafrechtlichen Sanktion gewählt und die Besonderheiten des Pressewesens sowie der redaktionellen Arbeit und Verantwortung nicht in ausreichender Weise beachtet worden. Darin sei eine Verletzung der von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG grundrechtlich geschützten Pressefreiheit, auf die sich der Beschwerdeführer als Journalist berufen kann, zu erkennen.

Weitergabe an Presseredaktion ist Verbreiten

Zunächst stellte die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG fest, dass die Gerichte rechtsfehlerfrei die Weitergabe der Bildaufnahme als Bildnis an die Presseredaktion zum Zweck der Veröffentlichung als „Verbreiten“ im Sinne der §§ 22 f. KUG gewertet haben. Dies widerspreche auch nicht der Rechtsprechung des BGH, nach welcher externe Bildarchive bei einer Weitergabe von Bildmaterial an Presseredaktionen keinen Prüfpflichten bezüglich der Zulässigkeit einer beabsichtigten Presseberichterstattung unterliegen (BGH, Urteil vom 7.12.2010 − VI ZR 30/09 = NJW 2011, 755). Diese Rechtsprechung betreffe nur die Konstellation einer routinemäßigen Zulieferung von Bildaufnahmen, bei der zudem die konkrete Einsatzweise im Zeitpunkt der Weitergabe noch im Unklaren ist. Pressefotografen und Journalisten unterlägen demgegenüber – verfassungsrechtlich unbedenklich – gewissen, strafrechtlich bewehrten Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit § 23 Abs. 2 KUG, wenn diese für eine Veröffentlichung bestimmtes Bildmaterial weitergeben. Vor allem dürften sie Umstände, unter denen die Bildaufnahmen entstanden, nicht verschweigen, soweit sie für Schutzvorkehrungen zugunsten der Betroffenen oder allgemein für die Frage der Zulässigkeit der Veröffentlichung relevant sein können.

Unzureichende Abwägung von Grundrechten durch die Strafgerichte in den Instanzen

Bei ihren Entscheidungen hätten die Strafgerichte nach der Einschätzung des BVerfG entweder keine oder eine nicht dem grundrechtlichen Maßstab genügende Abwägung vorgenommen. Bei der Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Schrankenregelungen der §§ 22, 23 KUG und des diesen Normen entspringenden abgestuften Schutzkonzeptes müsse den widerstreitenden grundrechtlich geschützten Interessen Rechnung getragen werden. Die Verfassungsrichter führten aus, dass im Rahmen der Abwägung auf Seiten des Journalisten die Pressefreiheit stehe. Durch dieses Recht werde die Pressetätigkeit in sämtlichen Aspekten geschützt – von der Informationsbeschaffung über die Vorbereitung bis hin zur Veröffentlichung. Da die Weitergabe der Bildaufnahme zum Zweck der späteren Veröffentlichung an eine Presseredaktion erfolgte, sei der Schutzbereich eröffnet. Der Pressefreiheit sei bei der Abwägung ein besonderes Gewicht dort beizumessen, wo die Berichterstattung dem Informationsinteresse der Allgemeinheit diene. Andererseits sei auch der für den Einzelfall zu ermittelnde Schutzbedarf zugunsten des in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffenen zu beachten, insbesondere wenn infolge einer erheblichen Verbreitungswirkung sehr persönliche Sachverhalte betroffen seien.

Die Kammer wertete die Entscheidung des AG bereits aus dem Grund als verfassungsrechtlich bedenklich, dass das erkennende AG die Bildaufnahme trotz des erheblichen öffentlichen Informationsinteresses an den von der Bildaufnahme erfassten Vorgängen nicht dem Bereich der Zeitgeschichte zugeordnet hatte. Auch wenn sich der Verdacht einer Ebola-Infektion letztendlich als unbegründet herausgestellt hatte, sei es der Presse zuzugestehen, über die hygienischen und infektionsschützenden Vorkehrungen in öffentlichen Krankenhäusern unter Bezugnahme auf konkrete Beispiele zu berichten.

Anknüpfungspunkt für die grundrechtliche Abwägung mit Blick auf die Pressefreiheit

Demgegenüber habe das LG ein zeitgeschichtliches Ereignis erkannt und die im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG erforderliche Abwägung vorgenommen. Allerdings habe es sein Urteil maßgeblich mit der Verletzung der Interessen des Abgebildeten begründet, die in der späteren unverpixelten Veröffentlichung liegen, mit der eine erhebliche Stigmatisierung und öffentliche Bloßstellung einhergegangen sei. Nach Ansicht des BVerfG knüpft das LG damit aber unzulässigerweise an Umstände an, die zum Zeitpunkt der tatbestandlichen Weitergabe an die Presseredaktion weder vorhanden noch angelegt waren. Dadurch ginge die Abwägung ins Leere. Das LG hätte zwischen den Risiken und Schäden aufgrund einer Weitergabe an die Presseredaktion und der späteren Veröffentlichung differenzieren müssen.

Wahrung von Persönlichkeitsrechten obliegt der Redaktion

Hinsichtlich der Entscheidung des OLG erkennt die Kammer zwar an, dass das OLG zwar an die Weitergabe und deren Risiken als korrekten Bezugspunkt angeknüpft habe. Allerdings berücksichtige es weder die Arbeits- noch die Verantwortungsstrukturen der Presse und vorangehender Recherchen hinreichend. Es habe keine besonderen Umstände, die eine achtlose, konkret interessenverletzende und damit rechtswidrige Weitergabe der Bildaufnahmen an die Presseredaktion belegen könnten, festgestellt. Die Verfassungsrichter stellten dabei insbesondere klar, dass allein die fehlende Verpixelung kein Umstand sei, aus dem sich eine Verletzung von Sorgfaltspflichten im Zeitpunkt der Weitergabe ergeben könne. Da presserechtlich eine Prüfung und Verantwortung seitens der veröffentlichenden Presseredaktion geboten sei, könne ein Verpixelung bereits bei der Weitergabe von Bildmaterial grundsätzlich nicht verlangt werden. Somit könne auch der Umstand, dass der Journalist im Rahmen der Weitergabe die Verpixelung nicht angesprochen habe, nicht als journalistischer Sorgfaltspflichtverstoß gewertet werden. Es liege in der Verantwortung der Presseredaktion, bei der Veröffentlichung von Bildaufnahmen die Rechte der Abgebildeten zu wahren. Hierfür hätten sie über die nötige Fachkunde zu verfügen und die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Pressefotografen und Journalisten müsse es möglich sein, ohne Furcht vor Strafe unverpixeltes Bildmaterial an Redaktionen weiterzugeben. Anderes könne nur gelten, wenn im Rahmen der Weitergabe Umstände verschwiegen werden, die für die von den Redaktionen zu verantwortenden Entscheidungen über eine Unkenntlichmachung erheblich sind. Zu solchen Umständen zählten etwa das Verschweigen eines schon im Vorfeld erklärten Widerspruchs gegen die Veröffentlichung oder eine Löschungsaufforderung.

Im vorliegenden Fall wurde ein solches Verschweigen erheblicher Umstände durch den Journalisten indes nicht festgestellt. Der Kammer erschloss sich nicht, weshalb bereits die Weitergabe der unverpixelten Bildaufnahme an die Presseredaktion aus Sicht der Strafgerichte berechtigte Interessen des Abgebildeten verletze.

Das BVerfG hob die Entscheidungen des LG und des OLG auf und verwies die Sache in die Berufungsinstanz an das LG zurück. Dort wird dann zu klären sein, ob der Journalist die Presseredaktion auf den Widerspruch oder ein Löschungsverlangen des Abgebildeten hingewiesen hatte, da dies ein für die Wahrung der Rechte des Betroffenen bei einer Veröffentlichung relevanter Umstand gewesen wäre.

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