Verdachtsberichterstattung über Strafverfahren
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Die Berichterstattung über Verfehlungen und/ oder Strafverfahren (auch schon im Ermittlungsverfahren, in dem die Ermittlungen wegen Verdacht der Begehung von Straftaten erst beginnen) ist generell eine heikle Angelegenheit. Grund dafür ist insbesondere, dass sich hierbei wichtige Verfassungsgüter, namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen auf der einen Seite und die Meinungs- und Pressefreiheit der Medien auf der anderen Seite gegenüberstehen.
Die Pressefreiheit gilt also nicht absolut, sondern erfährt ihre Grenzen insbesondere im allgemeinen Persönlichkeitsrecht von Betroffenen. Ob identifizierende Medienberichte zulässig sind oder einen rechtswidrigen Eingriff in die Recht des Betroffenen darstellen, ist stets eine einzelfallbezogene Abwägungsentscheidung unter Berücksichtigung der Unschuldsvermutung und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit.
Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung und wie Sie sich am Besten als Betroffener verhalten sollten haben wir Ihnen im Folgenden überblicksartig zusammengestellt.
Was müssen Journalisten beachten, die über einen Verdachtsfall berichten möchten? – Grundsätze der Verdachtsberichterstattung
Wie die Begrifflichkeit „Verdachtsberichterstattung“ bereits wiedergibt, geht es gerade nur um einen Verdacht und eben nicht um eine erwiesene Tatsache, sodass besondere Sorgfalt durch die berichtenden Medien anzuwenden ist. Auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wird auf Verdacht eingeleitet (man spricht vom sogenannten Anfangsverdacht). Die Konsequenzen einer identifizierenden Berichterstattung können für den Betroffenen verheerend sein, da der Vorwurf der Begehung von Straftaten erst einmal in der Welt ist und der Betroffene damit in die Öffentlichkeit gezogen wird. Und das schon im Ermittlungsverfahren, also direkt zu Beginn des Strafverfahrens.
Stellt sich im Nachhinein allerdings heraus, dass der Verdacht unberechtigt war und wird das Strafverfahren eingestellt, ist es für die betroffenen Personen fast unmöglich sich von dem bereits in der Öffentlichkeit gefassten Vorstellungsbild wieder zu lösen und den Namen entsprechend „reinzuwaschen“. Dies gilt in besonderem Maße bei Verdacht solcher Straftaten, die von der Gesellschaft als besonders verächtlich angesehen werden wie etwa Tötungsdelikte, Missbrauchstatbestände oder Sexualstraftaten.
Wann darf über eine Verfehlung / ein Strafverfahren berichtet werden? Welche Grundsätze sind zu beachten?
Um der verfassungsrechtlich garantierten Unschuldsvermutung gerecht zu werden, hat die Rechtsprechung mehrere Kriterien und Grundsätze der Verdachtsberichterstattung aufgestellt, welche im Falle einer Berichterstattung auf Grundlage eines Verdachts durch die Medien, Journalisten und Zeitungen sorgfältig zu beachten und einzuhalten sind.
Namentlich sind dies …
1. Ein berechtigtes öffentliches Interesse
2. Eine sorgfältige Recherche und eine Pflicht zur Konfrontation (insb. Möglichkeit der Stellungnahme des Betroffenen)
3. Mindestbestand an Beweistatsachen
4. Keine Vorverurteilung
© Collage: D.Schmidt, Adobe Stock Foto
1. Voraussetzung der Verdachtsberichterstattung: Berechtigtes öffentliches Interesse erforderlich
Zunächst ist ein berechtigtes öffentliches Interesse an der Verbreitung des Verdachts erforderlich. Es muss sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln. Ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht grundsätzlich in Fällen von schwerer Kriminalität, wie beispielsweise Ermittlungen wegen Mord, Totschlag oder Raub.
Aber auch in Fällen mittlerer oder leichter Kriminalität kann ein solches Informationsinteresse der Allgemeinheit bestehen. Gründe hierfür können insbesondere besondere in der Person des Täters liegende Umstände sein , wenn es sich beispielsweise um eine prominente Persönlichkeit handelt. Hier spielen vor allem Begriffe wie „Leitbildfunktion“ eine wesentliche Rolle. Aber auch besondere Umstände in der eigentlichen Tatbegehung können ein Informationsinteresse begründen. Dies wurde zum Beispiel bei einer illegalen Organtransplantation angenommen. Letztlich kommt es wie häufig im Persönlichkeitsrecht auf eine konkrete Einzelabwägung an.
2. Voraussetzung der Verdachtsberichterstattung: Sorgfältige Recherche und Konfrontationspflicht
Da es sich bei der Verdachtsberichterstattung um die Veröffentlichung von potentiell unwahren Tatsachen handelt, muss im Sinne der journalistischen Sorgfaltspflicht die Situation auch aus der den Betroffenen entlastenden Perspektive betrachtet werden. Denn: Die Veröffentlichung eines Verdachts birgt immer die Gefahr, dass er sich nicht erhärtet und als falsch erweist.
Zu einer sorgfältigen Recherche gehört daher beispielsweise die Erfüllung der sogenannten Konfrontationspflicht, bei der dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt werden muss.
Dabei muss der Verdacht möglichst konkret geschildert werden, sodass der Betroffene in vollem Umfang Stellung nehmen kann. Wird dies versäumt, führt dies in aller Regel zu einer Unzulässigkeit der Berichterstattung (vgl. etwa BGH, Urteil vom 16.11.2021, VI ZR 1241/20). Es ist dem Betroffenen dabei der konkrete Verdacht möglichst genau zu schildern, sodass sich dieser umfassend dazu äußern kann. Es sind jedenfalls solche Vorwürfe mitzuteilen, die später in der Berichterstattung Erwähnung finden sollen. Das bloße Bemühen um ein Interview wurde etwa als unzulässig angesehen (vgl. BGH NJW 2014, 2029 Rn. 35 – Sächsische Korruptionsaffäre), da es dem Betroffenen grundsätzlich freistehen soll, in welcher Art und Weise er zu den erhobenen Vorwürfen Stellung beziehen möchte.
Im Rahmen der Presseanfrage ist dem Betroffenen zudem eine angemessene Frist zu setzen. Je schwerwiegender die Äußerungen das Persönlichkeitsrecht/ Unternehmenspersönlichkeitsrecht beeinträchtigen, desto höhere Anforderungen sind an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten und damit auch an die Angemessenheit der gesetzten Frist zu stellen. Was hierbei „angemessen“ bedeutet, ist stets eine Einzelfallfrage, wobei sämtliche konkreten Umstände zu berücksichtigen sind.
Ist die gesetzte Frist unangemessen kurz, empfiehlt es sich, um eine Fristverlängerung bei dem anfragenden Journalisten zu bitten. Falls dieser Bitte nicht nachgekommen werden kann, ist dies dem Betroffenen mitzuteilen und zudem anzugeben, bis wann nach Fristablauf die Stellungnahme des Betroffenen noch Berücksichtigung finden kann (dazu BGH NJW 2022, 1751).
Die Anforderungen an die Stellungnahmemöglichkeit sind streng. Zudem ist auch ein bloßes Dementi bzw. das Bestreiten der Tat in die Medienberichte mit aufzunehmen.
Auch amtliche Institutionen wie Polizeibehörden und die Staatsanwaltschaft müssen im Rahmen ihrer Objektivitätspflicht dem Beschuldigten Gelegenheit zur Reaktion geben, wenn sie selbst als „privilegierte“ Quelle für Medien fungieren. Aspekte wie Waffengleichheit, das Recht auf Verfahrensfairness und Wahrung von Persönlichkeitsrechten spielen dabei eine zentrale Rolle.
Geben die Medien den Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme, wissen diese oft ad hoc nicht, welche Rechte ihnen zustehen und wie sie sich verfahrenstaktisch am cleversten äußern oder nicht äußern sollten. In diesem Fall empfiehlt es sich, neben einem Fachanwalt für Medienrecht auch einen erfahrenen Strafverteidiger bzw. Fachanwalt für Strafrecht hinzuziehen, sodass sich als Team eine passende Strategie überlegt werden kann. Spezialisierte Anwälte können Ihnen so genau wie möglich sagen, wie Sie sich nun am Besten verhalten sollten.
Unsere Kanzlei steht Betroffenen in Fällen von Verdachtsberichterstattung sowohl auf Strafrechts- als auch auf Zivilrechtsebene zur Seite.
Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang unseren Beitrag zum Umgang mit Presseanfragen.
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3. Voraussetzung der Verdachtsberichterstattung: Mindestbestand an Beweistatsachen
Des Weiteren hat die Presse über einen Mindestbestand an Beweistatsachen zu verfügen, welche den Wahrheitsgehalt des erhobenen Verdachts stützen.
Die Medien sind verpflichtet, vor einer geplanten Veröffentlichung sorgfältig zu überprüfen, ob überhaupt hinreichende Anhaltspunkte für eine Verdachtsäußerung vorliegen. Auch hier gilt, dass die Anforderungen sich daran orientieren, um welche Art von Kriminalität es sich handelt und in welcher Intensität der geäußerte Verdacht den Betroffenen belastet. Der Bundesgerichtshof hat beispielsweise im Jahr 2014 entschieden, dass bloße Schlussfolgerungen ohne hinreichende Tatsachengrundlage von einer sich in psychischer Behandlung befindlichen Zeugin im Falle des Verdachts eines sexuellen Missbrauchs nicht ausreichen (vgl. BGH NJW 2014, 2029 Rn. 29 – Sächsische Korruptionsaffäre).
Zwar ist nicht zwingend Voraussetzung, dass bereits strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen durch die Strafverfolgungsbehörden wie die Polizei eingeleitet wurden, dies kann eine entsprechende Berichterstattung aber positiv stützen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs geben die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder eine bloße Strafanzeige des Opfers den Medien aber noch keinen „Freifahrtschein“, um über einen Verdacht zu berichten (vgl. etwa BGH, GRUR 2016, 532 Rn. 26).
Für den Fall, dass die Berichterstattung Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens wird, muss der sich Äußernde die Wahrheit der Medienberichte zwar nicht beweisen. Er unterliegt jedoch einer sog. erweiterten Darlegungslast, wonach er Belege für die erhobenen Vorwürfe beizubringen hat.
4. Voraussetzung der Verdachtsberichterstattung: Keine Vorverurteilung
Der Knackpunkt bei Verdachtsberichterstattung liegt oftmals in der von Wettbewerbsdenken geleiteten Sensationsgier der Verlage und dem Drang, möglichst aufschreierregende Schlagzeilen zu veröffentlichen, um eine breite Masse der Öffentlichkeit zu erreichen.
Am besten gelingt dies natürlich, wenn der Verdächtige der vorgeworfenen Tat überführt worden zu sein scheint. Doch eine vorverurteilende und damit verfälschende Berichterstattung ist stets unzulässig! Der Artikel muss den Sachstand wahrheitsgetreu, unverfälscht und ausgewogen darstellen.
Nicht nur die Medien, sondern auch Polizei und Staatsanwaltschaft müssen in ihren Äußerungen auf eine distanzierte Darstellung des Sachverhalts achten. Das zentrale Stichwort lautet an dieser Stelle „Unschuldsvermutung“. Diese ist in Art. 6 Abs. 2 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) verankert.
Es ist daher von größter Wichtigkeit, dass präjudizierende Ausführungen vermieden werden. Die Medienberichte sind an sich bereits enorm rufschädigend für den Betroffenen, auch wenn sie sich im Nachhinein als von Anfang an unzulässig herausstellen (siehe der Kachelmann-Prozess).
Sollte dennoch der Öffentlichkeit suggeriert werden, dass der Verdacht in dem in Frage stehenden Fall bereits erhärtet ist, kommt es gerade im digitalen Zeitalter auf eine schnelle Reaktion an:
Wird in den Medien jemand einer mehr oder weniger schwerwiegenden Straftat verdächtigt, folgen Anschuldigungen und Hass-Postings auf social media in der Regel binnen weniger Stunden und andere Verlage werden die Story ebenfalls so schnell wie möglich auf ihren eigenen Internetseiten veröffentlichen wollen und recherchieren ggf. nicht im sonst gebotenen Umfang und Standard.
Daraus folgt: Geht eine Story erst einmal viral, gilt es, schnellstmöglich Schadensbegrenzung zu betreiben. Darauf ist unser erfahrenes Anwaltsteam spezialisiert.
Beispiel für die möglichen verheerenden Folgen von Verdachtsberichterstattung:
Das als „Kachelmann-Prozess“ bekannte Verfahren lief in den Jahren 2010 und 2011. Der Vorwurf lautete: besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung an seiner langjährigen Geliebten. Trotz eines abschließenden Freispruchs durch das Landgericht Mannheim wird der Name Kachelmann wohl noch für einige Zeit in einem Atemzug mit dem Vergewaltigungsvorwurf genannt werden. Einen entscheidender Grund stellt dabei die Berichterstattung in Medienberichten dar. Insbesondere die „Bild“-Zeitung hatte das Verfahren journalistisch begleitet und dabei nach Ansicht des OLG Köln die Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung mehrfach überschritten, indem sie unter anderem Bilder veröffentlichten, auf denen Kachelmann als Häftling im Gefängnishof oder mit entblößtem Oberkörper zu erkennen war.
Doch wo liegen die Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung?
Welche Paragrafen/Regelungen aus dem Presserecht sind bei dieser Art der Berichterstattung von Relevanz?
Aus dem Presserecht im „engeren Sinne“ sind die Normen der Landespressegesetze zu beachten. Beispielsweise ist hier der § 3 des Berliner Pressegesetzes zu nennen. Dieser konstituiert etwa gewisse Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Veröffentlichung von Nachrichten.
Außerhalb des eigentlichen Presserechts haben jedoch die grundgesetzlich geschützten Verfassungsrechte aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 5 GG besondere Relevanz. Diese schützen zum einen vor einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und andererseits die Meinungs- und Pressefreiheit der Presseorgane sowie in diesem Zusammenhang auch mittelbar das Interesse der Öffentlichkeit im Hinblick auf möglicherweise begangene Straftaten.
Im Rahmen einer streitigen Auseinandersetzung um die Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung müssen diese Grundrechte im Ergebnis sorgfältig gegeneinander abgewogen werden, um dann zu entscheiden, welches Interesse, welches Recht im konkreten Einzelfall Vorrang hat und überwiegt.
Ferner sind die von Presse selbst auferlegten Verhaltensreglungen zu berücksichtigen. Namentlich sind diese in den sogenannten publizistischen Grundsätzen, besser bekannt als Pressekodex, zu finden. Diese regeln beispielsweise die Rücksichtnahme auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, den Schutz der Ehre oder den Verzicht auf Sensationsberichterstattung.
© Foto: Norman Buse
Wann dürfen Name oder Fotos des mutmaßlichen Täters genannt bzw. gezeigt werden?
Bei der identifizierenden Berichterstattung oder sonstigen Kenntlichmachung eines Betroffenen ist besondere Zurückhaltung geboten. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bietet das allgemeine Persönlichkeitsrecht zwar nicht schon davor Schutz, überhaupt in einem Bericht individualisierend genannt zu werden (vgl. etwa BGH, GRUR 2015, 293).
Allerdings berührt die Verdachtsberichterstattung über Straftaten einen besonders sensiblen Bereich, sodass eine identifizierende Berichterstattung daher nur bei Verdacht von Schwerstkriminalität oder in solchen Fällen zulässig, in denen die Tat oder die Person des Täters ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit begründet.
Dabei ist zu beachten, dass sich eine identifizierende Berichterstattung nicht nur in der Wiedergabe des Klarnamens des Betroffenen erschöpft. Eine Berichterstattung ist schon dann identifizierend, wenn Vorname, Herkunft und Beruf des Betroffenen genannt werden (vgl. etwa LG München, ZUM-RD 2011, 705). Gleiches gilt, wenn der Vorname sowie der erste Buchstabe des Nachnamens mitgeteilt werden und zusätzliche individualisierende Gesichtspunkte hinzutreten (vgl. OLG Frankfurt a. M. GRUR-RS 2016, 00856 Rn. 22).
Auch kommt es bei der Beurteilung der Identifizierbarkeit des Betroffenen nicht auf das Verständnis des Durchschnittsempfängers an (vgl. BVerfG NJW 2004, 3619, 3620). Vielmehr ist es nach der Rechtsprechung ausreichend und notwendig, dass die Erkennbarkeit für einen – mehr oder minder großen – Bekanntenkreis gegeben ist (vgl. BGH GRUR 1979, 732 (733)).
Grundsätzlich ausscheiden soll eine identifizierende Berichterstattung über Straftaten, wenn die geäußerten Verdächtigungen vor Veröffentlichung des Beitrages mit den zur Verfügung stehenden Mitteln durch die Medien nicht mehr vollumfänglich geprüft werden können.
Auch in Bezug auf die identifizierende Berichterstattung über den Verdacht, dass ein Jugendlicher Straftaten begangen hat, ist besondere Vorsicht geboten, da diese hinsichtlich ihrer noch in der Entwicklung befindlichen Persönlichkeit besonders schutzbedürftig sind.
Die Identität der Opfer einer Straftat ist grundsätzlich – und bei Minderjährigen in aller Regel – besonders schutzwürdig. Ausnahmen können sich dann ergeben, wenn das Opfer selbst an die Öffentlichkeit tritt.
■ Im Video erklärt:
Die Medien haben in einer Berichterstattung über ein gegen Sie gerichtetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren bzw. über einen Strafprozess berichtet? In diesen Video erklärt unser Kanzleipartner Norman Buse, Fachanwalt für Medienrecht, welche Grundsätze die Journalisten, Zeitungen und Verlagshäuser bei einer so genannten Verdachtsberichterstattung eingehalten werden müssen.
Weiterer Beitrag zur Berichterstattung über Strafverfahren
Medienrecht: Identifizierende Berichterstattung und Namensnennung
FAQ: Häufige Fragen zum Thema Verdachtsberichterstattung
Muss man identifizierende Verdachtsberichterstattung immer hinnehmen, wenn das Gericht die Anklage zugelassen hat?
Grundsätzlich gilt: Eine identifizierende Verdachtsberichterstattung ist dann zulässig, wenn ein berechtigtes öffentliches Interesse an der Berichterstattung und der Identität des Verdächtigen besteht. Außerdem muss eine sorgfältige Recherche unter Beleuchtung sämtlicher Standpunkte, einschließlich aus Sicht des Beschuldigten, erfolgt sein. Zudem muss dem Verdacht ein Mindestbestand an Beweistatsachen zugrunde liegen. Zuletzt kommt es auf die Art der Berichterstattung an: Eine objektive Darstellung, welche die Unschuldsvermutung nicht willentlich entkräftet, wird eher hinzunehmen sein als plakative Verdächtigungen mit Prangerwirkung.
Wenn das zuständige Gericht die Anklage bereits zugelassen hat, wird eine identifizierende Verdachtsberichterstattung besonders mit Blick auf den Mindestbestand an Beweistatsachen in der Regel eher zulässig sein als eine, welche noch im laufenden Ermittlungsverfahren oder gar „nur“ als Ergebnis von investigativem Journalismus veröffentlicht wurde.
Es wurde identifizierend über eine angebliche Straftat berichtet. Benötige ich einen Strafverteidiger oder einen Anwalt für Medienrecht?
Sowohl als auch. Der Strafverteidiger begleitet den Mandanten durch das Ermittlungs- und Hauptverfahren auf strafrechtlicher Ebene. Parallel dazu kümmert sich ein Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Medienrecht um die Wahrung der Persönlichkeitsrechte auf zivilrechtlichem Weg. Die Kombination kann entscheidend für den Ausgang des Strafverfahrens sein, da die öffentliche Meinungsbildung von der Reputation und dem Image des Beschuldigten beeinflusst werden. Trotz Objektivitätspflicht der Gerichte und Staatsanwaltschaft wird eine durchweg negative und vorverurteilende Berichterstattung sowie öffentliche Diskussion sich eher nachteilig für den Beschuldigten auswirken. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um ein Schöffengericht handelt. Schöffen sind ehrenamtliche Richter und haben gleiches Stimmrecht wie Berufsrichter; sind jedoch unter Umständen leichter zu beeinflussen als Letztere.
Welche Rechte werden von identifizierender Verdachtsberichterstattung berührt?
Bei unzulässiger Verdachtsberichterstattung werden im Wesentlichen zwei Rechte des Betroffenen verletzt: Zum einen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, welches vor der Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen schützt. Dann könnte das Recht am eigenen Bild als spezielle Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ebenfalls verletzt worden sein, wenn keine Einwilligung in das Anfertigen und Veröffentlichen von Fotografien gegeben wurde und auch kein Ausnahmetatbestand des § 23 KunstUrhG greift. Zum anderen wird bei vorverurteilender Verdachtsberichterstattung gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung aus Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 6 Abs. 2 EMRK verstoßen.
Pauschal lässt sich jedoch nicht sagen, wann eine Rechtsverletzung ungerechtfertigt ist. Es kommt stets auf eine Einzelfallabwägung mit der Presse- und Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG an.
Darf sich eine private Person öffentlich zu ihrem Verdacht gegen eine andere Person äußern?
Das kommt auf den Einzelfall an. Beim Veröffentlichen von Blogposts und anderen privaten Online-Beiträgen gilt das sog. „Laienprivileg“, das den gutgläubigen Laien schützen soll. Das BVerfG hatte dieses Privileg Anfang der 90er Jahre damit begründet, dass nur dann eine besondere Sorgfaltspflicht gelten könne, wenn die verbreiteten Tatsachenbehauptungen für den Veröffentlichenden überprüfbar sind. Wenn ein Blogger allerdings bereits überholte oder bekanntermaßen zwischenzeitlich widerlegte Tatsachen beschreibt, greift dieses Privileg nicht mehr und man kann zur Unterlassung sowie Beseitigung auffordern.
Aufgrund der üblichen Anonymität bei social media lässt sich oft der eigentliche Urheber nicht ausfindig machen. Dann greift die Haftung der Host-Provider (Internetdienstanbieter, Webseitenbetreiber), welche ab Kenntnis von einer Rechtsverletzung einsetzt.
Muss man als Angeklagter dulden, vor Gerichtsgebäuden fotografiert zu werden?
Grundsätzlich gilt das Recht am eigenen Bild als besondere Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Dieses kann eingeschränkt werden, wenn es sich beispielswiese um ein zeitgeschichtliches Ereignis bzw. eine Person der Zeitgeschichte gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG handelt. Bei Strafverfahren wegen mittlerer bis schwerer Kriminalität kann dieser Ausnahmetatbestand schnell erfüllt sein und das öffentliche Informationsinteresse überwiegt gegenüber den Rechten des Abgebildeten. Ausnahmen gibt es allerdings immer und können nicht abschließend aufgezählt werden, da es stets auf den Einzelfall ankommt. Fest steht, dass man kein Recht auf ein schönes oder vorteilhaftes Bild von sich hat, sollte man nun beispielsweise eine Person der Zeitgeschichte geworden sein.
Dank unserer langjährigen Erfahrung als Strafverteidiger können wir unsere Mandanten jedoch mittels Absprachen mit Journalisten hinsichtlich angekündigten Fotografierens vor überraschenden Schnappschüssen und Schreckmomenten/Panikattacken schützen. Aufnahmen während der Verhandlung sind im Übrigen immer verboten.
Ich wurde von der Presse gebeten, zu einem Verdacht Stellung zu nehmen. Was soll ich tun?
Presseanfragen stellen insbesondere für Personen, welche bis dato noch nie im Fokus der Öffentlichkeit standen, eine Herausforderung dar. Doch wird man selbst einer Straftat verdächtigt, kann eine Stellungnahme durchaus von Vorteil sein und man sollte die Gelegenheit ergreifen, wenn sie sich bietet. Dabei gilt es, zwischen Boulevard-Zeitschriften und seriösen Anfragen sinnvoll zu unterscheiden. Letztere sollte man nicht einfach ignorieren, sondern mit dem Rechtsanwalt eine Taktik besprechen und gezielt auf den veröffentlichten Inhalt Einfluss nehmen. Nachträglich ist es sinnvoll, den Inhalt auf die Richtigkeit der Zitate hin zu überprüfen und ggf. abzumahnen oder sogar gerichtlich gegen unwahre Tatsachenbehauptungen oder aus dem Kontext gerissene Äußerungen vorzugehen.
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