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Corona, die StVO und die Zitiergebote

10.08.2022 | Staatsrecht

Hat jemand Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen oder Verordnungen, dann kann der Weg über die Zitiergebote aus Art. 19 GG und Art. 80 GG für eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerden relevant sein.

Worum geht es?

Das Zitiergebot aus Artikel 19 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz betrifft Gesetze
und besagt, soweit nach dem Grundgesetz ein Grundrecht durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen muss. (Als Beispiel steht in § 20 Versammlungsgesetz: „Das Grundrecht des Artikels 8 des Grundgesetzes wird durch die Bestimmungen dieses Abschnitts eingeschränkt“.)

Zweck des Zitiergebots ist, den Gesetzgeber zu warnen, dass er Grundrechte einschränkt und dass ihm bewusst ist, welche Auswirkungen sein Gesetz hat, indem er die Folgen bedenken muss.

Aktuelle Entscheidung

Tatsächlich hat sich das Bundesverfassungsgericht dieses Jahr nach langer Zeit mit dem Zitiergebot befassen müssen (BVerfG Beschluss vom 27.4.2022 – 1 BvR 2649/21). Es ging dabei um die Verfassungsbeschwerden gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Doch das Verfassungsgericht hat den Hinweis auf die Einschränkung der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Grundgesetz) in § 20 a Absatz 8 IfSG für die Absätze 1 bis 5 in § 20a IfSG ausreichen lassen.

Auch eine Änderung des Infektionsschutzgesetztes führe nicht dazu, dass die Änderung ebenfalls auf die Grundrechtseinschränkung hinweisen müsse. Denn geänderte oder neu eingeführte Vorschriften beträfen keine erheblichen Veränderungen, sondern wiederholten nur bereits bestehende Grundrechtseinschränkungen mit geringen Abweichungen.

Das heißt, wenn es schon eine Norm gibt, bei der das Zitiergebot ordnungsgemäß beachtet worden ist, kann durchaus in einem neuen Gesetz der gleiche Eingriff auf Grundrechte mit den gleichen Voraussetzungen widerholt werden, ohne dass das Zitiergebot erneut genannt werden muss.

Zum Aufsatz

Dieses Zitiergebot ist insgesamt so „ungeliebt“, dass es zum einen oft nicht verstanden wird und zum anderen vom Bundesverfassungsgericht immer weiter ausgehöhlt worden ist. Wer sich für die Entstehung, die juristischen Aspekte und das „Fast-überflüssig-werden“ des Zitiergebots aus Art. 19 GG interessiert, kann hier weiterlesen:

» Das ungeliebte Zitiergebot, Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG (PDF)

Worum geht es?

Artikel 80 Absatz 1 Satz 3 Grundgesetz betrifft Verordnungen
und besagt, dass bei einer Verordnung, die durch Gesetz von Bundesregierung, Bundesminister oder Landesregierung erlassen wird, die Rechtsgrundlage in der Verordnung anzugeben ist.

Die Gesetzgebung durch die Exekutive ist eine Abweichung vom Grundsatz der Gewaltenteilung. Daher müssen Verordnungen im Rahmen einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage erlassen werden und diese Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Aufgrund des Systems der Gewaltenteilung dient dieses Zitiergebot dem Zweck, das Delegieren der Kompetenz (Verordnungen zu erlassen) auf die Exekutive, verständlich und kontrollierbar zu machen (BVerfG Urteil vom 6.7.1999 – 2 BvF 3-90).

Dabei reicht es aus, wenn die Rechtsgrundlage in der Präambel der Verordnung einmal genannt wird, sie muss nicht für jede Verordnungsbestimmung im Einzelnen angegeben werden.

Doch obwohl das Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG in Verfassungsrang steht, gibt es keine einheitliche Vorgehensweise bei der Anwendung. Die sichere Praxis, die jeweilige Ermächtigungsgrundlage genau zu benennen, wird immer weniger ausgeführt.

Urteile

Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG dazu verpflichtet, nicht nur das Gesetz anzugeben, in dem sich die Ermächtigungsgrundlage befindet, sondern auch die einzelne Vorschrift des jeweiligen Gesetzes, in welcher die Ermächtigung enthalten ist. 1998 erging hierzu ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der sogenannten Hennenhaltungsverordnung, die wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot aus Art. 80 GG nichtig war (BVerfG Urteil vom 06.07.1998 – 2 BvF 3/90).

Aktuell sind die Entscheidungen zur Straßenverkehrsordnungsnovelle 2020, die tatsächlich als ein Verstoß gegen das Zitiergebot gewertet wurde. Allerdings waren sich alle Gerichte darüber einig, dass eine Nichtigkeit der neuen StVO für die jeweiligen Betroffenen nicht wesentlich ist, weil in diesem Fall automatisch die alte StVO fortwirkt (OLG Zweibrücken Beschluss vom 05.11.202 – 1 OWi 2 Ss Rs 124/20; OLG Hamm Beschluss vom 10.08.2021 – 5 RBs 187/21; OLG Oldenburg Beschluss vom 04.03.2021 – 2 Ss (OWi) 63/21). Die Betroffenen mussten somit alle trotz des Verstoßes gegen das Zitiergebot ihre Geldbußen für die jeweilige Ordnungswidrigkeit zahlen.

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