Jugendstrafverfahren wegen Körperverletzung eingestellt nach § 47 JGG – Feststellung von strafrechtlicher Verantwortlichkeit von Jugendlichen
19. Januar 2018
In einem Verfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten haben wir für unseren 15-jährigen Mandanten eine Einstellung des Verfahrens nach § 47 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) erreichen können.
Der Vorfall, aufgrund dessen unser Mandant wegen einfacher Körperverletzung gem. § 223 des Strafgesetzbuches (StGB) angeklagt war, ereignete sich zur Zeit der Hofpause auf dem Schulhof. Während unser Mandant mit ein paar Freunden zusammen stand, sah er auf einmal, wie sich zwei Schüler aus der 5. Klasse auf dem Boden wälzten. Es macht für ihn den Anschein, als prügelten sie sich. Aus diesem Grund wollte er schlichtend eingreifen. Bei diesem Vorfall erlitt der geschädigte Junge eine Wunde im Mundraum, ausgelöst durch die Zahnspange, die sich durch den Aufprall gelockert hatte, ein Schädel-Hirn-Trauma und Frakturen im Oberkiefer und musste operativ versorgt werden.
Unser Mandant erhielt daraufhin eine Anklage wegen einfacher Körperverletzung gem. § 223 StGB. Anschließend betraute seine Mutter Strafverteidiger Benjamin Grunst mit den Interessen ihres Sohnes.
Einschätzung des jugendstrafrechtlichen Verfahrens durch Strafverteidiger Grunst
Unabhängig davon, dass sich der genaue Ablauf der Geschehnisse auf dem Pausenhof nach Darstellung eines jeden Zeugen unterschiedlich darstellte und sich somit der auf die Körperverletzung gerichtete Vorsatz des Mandanten nicht zweifelsfrei nachweisen ließ, stellte Rechtsanwalt Grunst weiterhin fest, dass von einer eindeutigen Strafmündigkeit des Mandanten nicht ausgegangen werden konnte.
Die Strafmündigkeit von Jugendlichen – Positive Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Einzelfall
Unter Strafmündigkeit wird die strafrechtliche Verantwortlichkeit verstanden. Während der Gesetzgeber bei Kindern (bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres) unwiderleglich vermutet, dass sie schuldunfähig sind (absolute Strafunmündigkeit) und bei Erwachsenen (ab Vollendung des 18. Lebensjahres) widerleglich vermutet, dass sie schuldfähig sind, geht er bei Jugendlichen (14 Jahre bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres) davon aus, dass sie je nach dem Grad der individuellen Persönlichkeitsentwicklung schuldfähig sein können. Ein Jugendlicher ist daher nach § 3 S. 1 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) nur dann strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug war, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (bedingte Strafmündigkeit). Bestraft wird er dann jedoch nur nach Jugendstrafrecht. Erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres beginnt die volle Strafmündigkeit.
Begeht nun also ein Jugendlicher eine Straftat, so ist in jedem Einzelfall positiv festzustellen, ob er strafrechtlich tatsächlich verantwortlich war, mithin, ob er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug war, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Demnach wird auf der ersten Stufe ein „biologischer“ Zustand verlangt und auf der zweiten Stufe ein daraus resultierender „psychologischer“ Zustand. Der Jugendliche hat die erforderliche Einsichtsfähigkeit, wenn er entweder das Unrecht der Tat tatsächlich eingesehen hat oder wenn der bei vollständigem Einsatz seiner im Augenblick der Tat vorhandenen intellektuellen Fähigkeiten und bei Berücksichtigung seiner Wertvorstellungen in der Lage gewesen wäre, das Unrecht der Tat zu erkennen. Aus dem Alter des Jugendlichen allein lässt sich nicht auf seine Einsichtsfähigkeit schließen. Allerdings erlaubt das Alter durchaus einen Vergleich mit Jugendlichen gleichen Alters in ähnlichen Lebensumständen. Außerdem ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein 17-Jähriger eher die bei einem Erwachsenen vorausgesetzte Schuldfähigkeit besitzt als ein 14-Jähriger.
Bei der Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sind zudem weitere Aspekte der Person sowie die Tat und die Lebensumstände des Jugendlichen zu berücksichtigen. Beispielsweise geben im Hinblick auf die Person des Jugendlichen sein Gesundheitszustand, seine Schuldbildung und sein allgemeiner Bildungsstand Anhaltspunkte über seine Verantwortungsreife.
Ob der Jugendliche die Fähigkeiten hatte, zur Tatzeit das Unrecht der Tat einzusehen und danach zu handeln, mithin also strafrechtlich für seine Tat verantwortlich ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Richter zu beurteilen ist. Ihm dient zur Erhellung der Tatsachen der Bericht der Jugendgerichtshilfe. Daneben muss das Gericht einen Sachverständigen hinzuziehen, wenn psychologische und psychiatrische Kenntnisse erforderlich sind, über die das Gericht nicht verfügt.
Die Beurteilung des Falles unseres Mandanten – Strafverteidiger Grunst überzeugt das Gericht von einer Einstellung des Verfahrens
Im besagten Fall unseres Mandanten trug Rechtsanwalt Grunst dem Gericht vor, dass unser Mandant zum Zeitpunkt der Tat gerade einmal wenige Monate lang das 14. Lebensjahr erreicht hatte, mithin an der unteren Grenze des Jugendlichen-Alters war.
Der Vortrag des Strafverteidigers Grunst überzeugte das Gericht. Es stellte das Verfahren gegen unseren Mandanten ein und legte ihm lediglich die Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs auf.
Sollten auch Sie einen Rechtsanwalt benötigen, der Sie oder Ihr Kind in einem Gerichtsverfahren vertritt, treten Sie gerne zeitnah mit unserer Kanzlei in Kontakt und vereinbaren einen Termin.