Wirtschaftsstrafrecht: Einstellung des Verfahrens im Gerichtstermin wegen Insolvenzverschleppung gem. § 153a Abs. 2 StPO

21. Juni 2019

Die Mandantin ist ehemalige Geschäftsführerin der streitgegenständlichen Firma und wurde wegen Insolvenzverschleppung, Bankrott und Verletzung der Buchführungspflicht angeklagt.

Sachverhalt des Wirtschaftsstrafverfahrens wegen Insolvenzverschleppung

Anfang 2013 hatte die Mandantin ihre Firma an drei Personen verkauft, blieb jedoch bis zu deren offizieller Eintragung die alleinige Geschäftsführerin. Am eigentlichen Geschäft nahm sie jedoch nicht mehr teil, sondern beriet die drei Mitangeklagten lediglich in Vertriebsfragen.

Ein Jahr später legte sie das Amt der Geschäftsführerin nieder. Bereits in den letzten Monaten bemerkte die Mandantin finanzielle Schwierigkeiten der GmbH; allerdings versicherten ihr die neuen Geschäftsführer, dass sämtliche Probleme lösbar seien. Mitte 2015 wurde durch Fremdantrag ein Insolvenzverwalter bestellt, der jedoch feststellte, dass kein Insolvenzverfahren notwendig sei.

Durch denselben Verwalter wurde einige Monate später das Verfahren durch einen zweiten Fremdantrag nun doch eingeleitet.

Anklage wegen Insolvenzverschleppung und Bankrott

Durch das zuständige Gericht wurden die Mandantin wegen 3 selbstständigen Handlungen und die drei neuen Geschäftsführer wegen 40 Handlungen angeklagt. Der konkrete Vorwurf gegen unsere Mandantin lag darin, dass zum einen nicht gem. § 15a Abs. 1 S. 1, Abs. 4 InsO rechtzeitig der Insolvenzantrag gestellt wurde, obwohl bereits Ende 2012 festgestanden haben soll, dass die Firma ihren Verbindlichkeiten nicht nachkommen kann. „Rechtzeitig“ meint in diesem Zusammenhang innerhalb von drei Wochen ab Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit. An dieser Stelle ist jedoch Vorsicht geboten: Die in § 15a InsO normierte Frist kann in der Regel nicht voll ausgeschöpft werden. Der Insolvenzantrag ist grundsätzlich unverzüglich zu stellen! Die dreiwöchige Frist kann nur unter berechtigter Annahme einer Rehabilitation in Anspruch genommen werden.

Weiter soll die Jahresbilanz für das Geschäftsjahr 2011 ein Jahr später und für die Folgejahre gar keine erstellt worden sein. Somit läge eine Verletzung der Buchführungspflicht gem. § 283b Abs. 1 Nr. 3b StGB vor.

Abschließend wird der Mandantin vorgeworfen, gegen das Handelsrecht verstoßen zu haben, indem sie den Tatbestand des Bankrotts gem. § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB dahingehend erfüllt haben soll, dass sie versäumt hat, bei Kenntnis der Überschuldung eine Auflistung des Firmenvermögens und -inventars zu erstellen.

Pflichtverteidigung gem. § 140 Abs. 2 Alt. 1 StPO

Nach Erhalt der Anklageschrift und einem informativen Erstgespräch zwischen der Angeklagten und Herrn Rechtsanwalt Benjamin Grunst wurde ihm das Mandat erteilt. Im ersten Schritt beantragte Herr Grunst die Beiordnung zum Pflichtverteidiger und Akteneinsicht. Um eine möglichst detailgenaue und effektive Stellungnahme im Namen seiner Mandantin verfassen zu können, beantragte Herr Grunst entsprechende Fristverlängerung und hat sich somit mehr Zeit für weitere erforderliche Rücksprachen verschafft.

In der umfangreichen Stellungnahme wurde zunächst beantragt, das Verfahren gegen die Mandantin von denen der drei Mitangeklagten abzutrennen. Außerdem regte Herr Grunst mit seinem reichen Erfahrungsschatz als Fachanwalt für Strafrecht bereits hier nahe, das Verfahren gem. § 153 StPO, hilfsweise gem. § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen.

Den Vorwürfen würden laut Herrn Grunst erhebliche rechtliche Bedenken entgegenstehen.

Die Stellungnahme zum Bankrott und der Verletzung der Buchführungspflicht stützte sich vornehmlich auf das Entfallen der Tatbestandsmäßigkeit wegen Unmöglichkeit bei Beauftragung eines Steuerberaters, dem zum Zwecke einer auftragsmäßigen Bilanzaufstellung sämtliche Buchhaltungsunterlagen überlassen wurden (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1999, Az.: 5 StR 520/99; NStZ 2000, 206 u.v.m.).

Denn genau das hatte unsere Mandantin getan: Sie hatte eine Steuerberaterkanzlei pünktlich beauftragt, für das Geschäftsjahr 2012 einen Jahresabschluss zu erstellen und zu veröffentlichen.

Außerdem setze der Bankrott einen Vorsatz der Überschuldung oder drohenden Zahlungsunfähigkeit im Verzugszeitraum voraus (vgl. BGH, Urteil vom 20.09.1999, Az.: 5 StR 729/98). Da jedoch besagter Dritter zur Erstellung einer Bilanz beauftragt wurde, liegt diese Vermutung fern.

Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 283 StGB ist laut § 283 Abs. 6 StGB, dass entweder der Täter seine Zahlungen eingestellt hat, das Insolvenzverfahren zum Tatzeitpunkt eröffnet war oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist. Keiner der eben genannten Punkte trifft auf die Mandantin zu. Der Fremdantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ging von einer Krankenkasse aus, bei der einige Angestellte der streitgegenständlichen Firma versichert waren und deren Beiträge teilweise nicht von der Firma aus überwiesen wurden. Allerdings begründet das teilweise (!) Nichtbegleichen von Schulden nicht eine Zahlungseinstellung. Übrigens gilt das Gleiche bei vorübergehender Zahlungsstockung.

Zum Tatzeitpunkt wurde das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet und ein Eröffnungsantrag liegt ebenso nicht vor. Somit fehlt es an Erfüllung der o.g. Tatbestände.

Des Weiteren sei eine verspätete Bilanzierung nur dann strafbar, wenn im aufzustellenden Zeitraum bereits eine Überschuldung vorliegt oder eine Zahlungsunfähigkeit droht. Die vorgeworfene Verspätung bezieht sich auf das Geschäftsjahr 2012, die Zahlungsunfähigkeit war jedoch laut Sachverständigengutachten erst Ende 2014 eingetreten.

Zum Vorwurf der Insolvenzverschleppung gem. § 15a InsO trug Herr Grunst vor, dass die tatsächliche Kenntnis von der Insolvenzreife und nicht die Pflicht zur Kenntnis ausschlaggebend ist. Das heißt, dass ein fahrlässiges Übersehen der drohenden Insolvenz nicht strafbar ist. Im Jahr 2014, zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit, war die Mandantin nicht mehr die alleinige Geschäftsführerin, sondern war nur noch beratend und fernab vom operativen Geschäft tätig. Folglich konnte sie ohnehin keine Kenntnis von der Insolvenzreife haben.

Absehen von der Verfolgung

Trotz der umfangreichen Stellungnahme wurde die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen. Herr Grunst nahm vorbereitend ergänzende Akteneinsicht. Im Gerichtstermin gab die Staatsanwaltschaft mit Hinblick auf die jüngste Vergangenheit, nach der alle Angeklagten nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten sind, ihre Empfehlung zur Einstellung gem. § 153a Abs. 2 StPO ab. Der vorsitzende Richter setzte einen weitaus höheren Betrag als finanzielle Auflage an, reduzierte ihn jedoch dank der Verhandlungstaktik von Herrn Grunst.

Nachdem die Mandantin ihre Auflage fristgemäß erfüllt hat, wurde das Verfahren endgültig eingestellt.

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