Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten
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Wird verhandelt, wenn der Angeklagte krank ist? Muss der Angeklagte persönlich zur Verhandlung erscheinen, oder kann er auch seinen Anwalt schicken? Wer beurteilt die Verhandlungsfähigkeit?
Verhandlungsfähigkeit in der Strafprozessordnung – was bedeutet das?
Unter der Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten, später des Angeklagten, versteht man die Fähigkeit, in oder außerhalb einer Gerichtsverhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen und Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen.
Die Verhandlungsfähigkeit setzt dabei nicht die Geschäftsfähigkeit im zivilrechtlichen Sinne voraus, sondern lediglich einen genügenden Reifegrad sowie die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung. Somit kann grundsätzlich auch gegen eine Person, die unter rechtlicher Betreuung steht, eine Hauptverhandlung geführt werden.
Die Anforderungen, die an diese Fähigkeiten zu stellen sind, können unterschiedlich sein, je nachdem, ob die anstehende Verhandlung besonders anspruchsvoll erscheint oder es sich eher um eine Bagatellangelegenheit handelt.
Bei einem Erwachsenen ist regelmäßig von der Verhandlungsfähigkeit auszugehen. Sie entfällt lediglich in seltenen Fällen bei schweren körperlichen oder seelischen Mängeln oder Krankheiten, etwa wenn zu befürchten ist, dass der Beschuldigte bei Fortführung des Verfahrens schwerwiegende Dauerschäden für seine Gesundheit erleidet oder sogar verstirbt.
Angesichts dieser hohen Anforderungen ist die Verhandlungsfähigkeit in der Regel nicht völlig ausgeschlossen, sondern nur eingeschränkt. In diesen Fällen kann das Gericht seine Verhandlungsführung anpassen, beispielsweise durch häufigere und längere Pausen.
Wer entscheidet, ob die Verhandlungsfähigkeit vorliegt?
Die Beurteilung der Verhandlungsunfähigkeit des Beschuldigten obliegt dem Gericht. Dieses wird sich allerdings in komplizierten Fällen, d.h. insbesondere dann, wenn eine Verhandlungsunfähigkeit im Raum steht, der Sachkunde eines Sachverständigen bedienen.
Hierzu gibt das Gericht, je nach möglicher Ursache der Verhandlungsunfähigkeit, ein medizinisches oder forensisch-psychiatrisches Gutachten in Auftrag, in welchem der körperliche oder geistige Zustand des Beschuldigten eingehend untersucht wird.
An das Gutachten ist das Gericht zwar theoretisch nicht gebunden, allerdings wird es sich in der Regel an die Schlussfolgerungen des Sachverständigen halten. Hält das Gericht das Gutachten ausnahmsweise für unzureichend, bestehen also weiterhin Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten, so ist es verpflichtet, weitere Ermittlungen anzustellen. Lassen sich die Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit letztendlich nicht ausräumen, so muss das Verfahren eingestellt werden.
Welche Folgen hat die Verhandlungsunfähigkeit?
Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Beschuldigte nicht verhandlungsfähig ist, so stellt dies ein sogenanntes Verfahrenshindernis dar. Dies bedeutet, dass die Hauptverhandlung nicht durchgeführt werden kann, solange das Hindernis besteht.
In manchen Fällen besteht die Verhandlungsfähigkeit nur vorübergehend, etwa im Falle einer akuten körperlichen Erkrankung, die den Beschuldigten ans Bett fesselt. Das Verfahren wird dann lediglich vorübergehend eingestellt.
Sofern eine Verbesserung des körperlichen oder geistigen Zustands ausgeschlossen erscheint, handelt es sich um eine endgültige Verhandlungsunfähigkeit. Diese führt entsprechend zu einer endgültigen Verfahrenseinstellung.
Ich bin Nebenkläger/-in und möchte nicht, dass das Verfahren eingestellt wird – was kann ich tun?
Die Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit erfolgt durch einen Beschluss des Gerichts, der vorrangig von der Staatsanwaltschaft, aber auch vom Privat- oder Nebenkläger, mittels der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann. Der Beschuldigte selbst kann sich gegen die Einstellung nicht wehren, da er durch die Entscheidung nicht beschwert wird. Zudem dürfte er an der Durchführung der Hauptverhandlung wohl kaum ein Interesse haben.
Im Falle der Einstellung werden Sie als Nebenkläger/-in über die Absicht des Gerichts in Kenntnis gesetzt und erhalten die Möglichkeit zur Stellungnahme. Diese sollten Sie unbedingt nutzen, denn wenn der Einstellungsbeschluss in Rechtskraft erwachsen ist, entfaltet er die Wirkungen eines freisprechenden Urteils. Es kommt zum sogenannten Strafklageverbrauch, wonach das Strafverfahren wegen derselben Tat nie wieder aufgenommen werden darf. Dies gilt auch dann, wenn der ehemalige Beschuldigte plötzlich seine Verhandlungsfähigkeit zurückgewinnt.
Sollten Sie sich für eine Stellungnahme gegen die Einstellung entscheiden, erscheint es unerlässlich, durch einen Rechtsanwalt für Strafrecht Akteneinsicht zu beantragen. Aufgrund seiner Erfahrung kann sich der Rechtsanwalt ein umfassendes Bild der Verfahrenslage verschaffen und sogleich etwaige Schwächen in der Begutachtung aufdecken, die einem juristischen Laien oft verborgen bleiben.
Die Beauftragung eines Rechtsanwalts sichert Ihnen und Ihrer Stellungnahme somit die bestmöglichen Wirkungschancen zu. Wenn Sie ein entsprechendes Vorgehen in Betracht ziehen, wenden Sie sich gerne telefonisch oder per E-Mail an unsere Kanzlei und vereinbaren Sie einen Beratungstermin.
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