Wann kann ein Strafverfahren durch die Erfüllung
von Auflagen und Weisungen eingestellt werden (§ 153a StPO)?
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Einstellung des Strafverfahrens unter Auflagen und Weisungen. Wann kann ein Strafverfahren nach § 153a StPO eingestellt werden? Hinwirkung auf Einstellung als Teil der Strafverteidigung.
Schnell zum Inhalt:
Bereits relativ früh im Strafverfahren kann die strafrechtliche Verfolgung einer Person ein Ende finden. Hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen abgeschlossen, so hat sie nicht nur die Wahl zwischen der Erhebung einer Anklage (§ 170 Abs.1 StPO) und der Einstellung des Strafverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts (§ 170 Abs.2 StPO). Es gibt weitere Möglichkeiten, wie das Strafverfahren weiter gehen kann. Hierzu gehört auch das Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO.
Zwar haben weder der Beschuldigte noch sein Verteidiger ein Weisungsrecht gegenüber den Ermittlungsbehörden im Hinblick auf solche Entscheidungen der Staatsanwaltschaft am Ende des Ermittlungsverfahrens, allerdings kann – soweit es im konkreten Fall Sinn macht und möglich scheint – die Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO zumindest durch den Verteidiger angeregt werden. Ein erfahrener und spezialisierter Strafverteidiger weiß, auf welche Aspekte es im Rahmen eines solchen Antrags ankommt, welche Argumente besonders stichhaltig sind und kann die Ermittlungsakten im Rahmen ihrer Analyse darauf untersuchen, ob eine Anregung der Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO in Ihrem Fall Aussicht auf Erfolg haben kann.
Unter welchen Voraussetzungen kann das Strafverfahren durch die Auferlegung von Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO eingestellt werden?
Im Wesentlichen fünf Voraussetzungen müssen vorliegen bzw. erfüllt werden, damit von der strafrechtlichen Verfolgung unter Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO abgesehen werden kann.
- Der strafrechtliche Vorwurf bezieht sich auf ein Vergehen (dazu gleich mehr).
- Die Schwere der Schuld darf einer solchen Einstellung nicht entgegenstehen.
- Der Beschuldigte muss Auflagen und Weisungen nach § 153a Abs.1 Nr. 1 bis 7 StPO innerhalb einer bestimmten Frist erfüllen.
- Dies muss dazu geeignet sein, „das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen“ (§ 153a Abs.1 S.1 StPO)
- Das zuständige Gericht sowie der Beschuldigte müssen dieser Einstellung des Strafverfahrens zustimmen.
Zu beachten ist, dass die Staatsanwaltschaft nicht dazu gezwungen ist, das Verfahren nach § 153a StPO einzustellen, auch wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung. Nach pflichtgemäßem Ermessen muss die Staatsanwaltschaft diese Entscheidung treffen. Gezwungen ist sie hierzu aber keineswegs.
Es muss auch berücksichtigt werden, dass die Einstellung des Strafverfahrens mindestens bis zur tatsächlichen Erfüllung der Auflagen bzw. Weisungen vorläufiger Natur ist.
Zu welchem Zeitpunkt kann das Strafverfahren durch die Erfüllung von Auflagen und Weisungen eingestellt werden?
Im Grundsatz setzt die Einstellung nach § 153a StPO an das Ende des Ermittlungsverfahrens an.
Das Strafverfahren besteht bis zur Urteilsverkündung (Verurteilung oder Freispruch) nämlich aus im Wesentlichen drei Verfahrensabschnitten: Dem Ermittlungsverfahren, dem Zwischenverfahren und dem Hauptverfahren.
Im Ermittlungsverfahren prüfen (und ermitteln) die Behörden, ob ein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten besteht, ob es also wahrscheinlicher ist, dass er am Ende des Verfahrens verurteilt wird im Vergleich zur Wahrscheinlichkeit eines Freispruchs (z.B. weil das vorgeworfene Verhalten nicht beweisbar ist).
Haben die Ermittlungsbehörden den Fall im Grunde ausermittelt, so kann die Staatsanwaltschaft entscheiden, das Verfahren gegen die Erfüllung von Auflagen und Weisungen einzustellen.
Das auch bzw. gerade dann, wenn die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass ein hinreichender Tatverdacht durchaus bestehen kann (würde sie dies verneinen, müsste sie nämlich das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts einstellen; ohne die Auferlegung von Weisungen und Auflagen).
Kommt es aber doch dazu, dass die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt (und nicht das Verfahren nach § 153a StPO einstellt), so hat später dennoch das Gericht die Möglichkeit das Verfahren vorläufig nach Maßgabe des § 153a StPO, also unter Auferlegung von Weisungen und Auflagen, einzustellen. In diesem Fall muss die Staatsanwaltschaft aber dennoch der Einstellung zustimmen (vgl. § 153a Abs.2 StPO).
Ist eine Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO bei jedem Delikt möglich?
Nein. Eine Einstellung des Strafverfahrens ist nur bei Vergehen im strafrechtlichen Sinne möglich. Das sind solche Delikte, die maximal mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von unter einem Jahr bedroht sind (vgl. § 12 Abs.2 StGB). Hierzu gehört beispielsweise die (einfache) Körperverletzung nach § 223 StGB, gefährliche Körperverletzung, Beleidigung, Nötigung, Hausfriedensbruch oder der (einfache) Diebstahl nach § 242 StGB.
Muss der Beschuldigte der Einstellung des Strafverfahrens gegen die Erfüllung von Auflagen und Weisungen zustimmen?
Ja. Im Gegensatz zur Einstellung des Strafverfahrens wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO muss auch der Beschuldigte der Einstellung nach § 153a StPO zustimmen. Das liegt insbesondere daran, dass er dazu verpflichtet wird, die ihm auferlegte(n) Auflagen zu erfüllen bzw. Weisungen zu befolgen; ihm also etwas abverlangt wird. § 153 StPO sieht einen solchen „Mechanismus“ nicht vor; in diesem Fall ist dann aber auch keine Zustimmung des Beschuldigten zur Einstellung erforderlich.
Nur weil der Beschuldigte der Einstellung nach § 153a StPO zustimmt, bedeutet dies übrigens noch nicht, dass er für schuldig erachtet wird. Ebenso wenig stellt die Zustimmung ein Geständnis der Tat dar (vgl. BVerfG – Beschluss v. 16.01.1991 – 1 BvR 1326/90 in NJW 1991, 1530).
Welche Auflagen oder Weisungen müssen für eine Einstellung des Strafverfahrens erfüllt werden?
Die Strafprozessordnung selbst zählt in § 153a StPO bestimmte Auflagen und Weisungen auf, die dem Beschuldigten in diesem Zusammenhang auferlegt werden können. Zu beachten ist, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist.
Zu den aufgezählten Auflagen und Weisungen gehören …
- Die Schadenswiedergutmachung (das kann, muss aber nicht zwingend, in der Zahlung eines Geldbetrags bestehen)
- Zahlung eines Geldbetrags an eine gemeinnützige Einrichtung oder an die Staatskasse
- Erbringung gemeinnütziger Leistungen
- Nachkommen von Unterhaltspflichten
- Wiedergutmachung der Tat oder Versuch der Wiedergutmachung der Tat durch Erbringung eines Täter-Opfer-Ausgleichs
- Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs
- Teilnahme an einem bestimmten Aufbauseminar oder Fahreignungsseminar nach dem StVG
(§ 153a Abs.1 S.2 StPO)
Die Auflagen und Weisungen können auch miteinander kombiniert werden, also mehrere Auflagen und Weisungen verhängt werden.
Welche anderen Auflagen und Weisungen verhängt werden können, kann so pauschal nicht gesagt werden.
Denkbar ist beispielsweise die Weisung, keine Betäubungsmittel mehr zu konsumieren oder an einer Entziehungskur teilzunehmen (vgl. Beukelmann in BeckOK StPO mit RiStBV und MiStra, 47. Edition, § 153a Rn. 22).
Kann nach einer Einstellung des Strafverfahrens durch die Erfüllung von Auflagen und Weisungen das Strafverfahren trotzdem später wieder aufgenommen werden?
Unter bestimmten Voraussetzungen kann tatsächlich das Strafverfahren trotz einer Einstellung gegen die Erfüllung von Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO später wieder aufgenommen werden. Dies kann beispielsweise bzw. insbesondere relevant werden, wenn neue Beweise auftauchen.
Bei einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO ist dies allerdings nur dann möglich, wenn sich die Tat im Nachhinein als Verbrechen (Strafandrohung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe, § 12 Abs.1 StGB), also gerade nicht mehr als Vergehen (maximale Strafandrohung Geldstrafe oder Freiheitsstrafe unter einem Jahr, § 12 Abs.2 StGB) darstellt. Dieser sog. beschränkter Strafklageverbrauch tritt indes erst dann ein, wenn die Auflagen und Weisungen tatsächlich erfüllt wurden (§ 153a Abs.1 S.5 StPO).
Stellt sich das Geschehen also später nicht „nur“ als ein Diebstahl dar, sondern tauchen neue Beweise auf, die den Vorwurf eines Raubes begründen, so kann das Strafverfahren trotz Erfüllung der Auflagen und Weisungen wieder aufgenommen werden.
Grenze ist allerdings auch hier die Verjährung der Tat. Ist die Tat verjährt, kann sie nicht mehr im Rahmen eines Strafverfahrens verfolgt werden. Dies dient insbesondere dem Eintritt von Rechtsfrieden.
Kann man sich gegen die Einstellung des Strafverfahrens durch die Erfüllung von Auflagen und Weisungen wehren?
Der Beschuldigte kann sich gegen eine Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO insofern wehren, als dass er seine erforderliche Zustimmung verweigert.
Hat der Beschuldigte in voller Kenntnis aller Umstände ordnungsgemäß zugestimmt, so kann eine Einstellung nach § 153a StPO durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nicht mehr durch den Beschuldigten angegriffen werden, beispielsweise durch die Einlegung einer Dienstaufsichtsbeschwerde.
Erfolgte die Einstellung nach § 153a StPO ordnungsgemäß, so kann auch der Geschädigte der Tat grundsätzlich kaum noch gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft vorgehen. Der Weg des Klageerzwingungsverfahrens zum Beispiel ist in diesem Fall versperrt (vgl. § 172 Abs.2 S.3 StPO)
Auch die Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO durch das Gericht kann grundsätzlich nicht rechtlich angegriffen werden, insbesondere nicht sobald die Auflagen erfüllt wurden.
Was ist besser:
Ein Freispruch oder die Einstellung des Strafverfahrens gegen Auflagen und Weisungen?
So pauschal kann das nicht gesagt werden. Beides hat seine Vorteile und seine Nachteile.
Der Vorteil an einem (rechtskräftigen!) Freispruch ist, dass hier eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens nur in seltenen Fällen und entsprechend unter deutlichen engeren, strengeren Bedingungen möglich ist. Man kann sich als Beschuldigter also deutlich „sicherer“ sein, dass das Verfahren mit dem Freispruch sein Ende gefunden hat.
Außerdem hat es einen gewissen „positiven Beigeschmack“, wenn ein Gericht feststellt, man sei unschuldig bzw. nicht von der Schuld überzeugt werden kann. Gerade bei medienwirksamen Fällen, die die Aufmerksamkeit der Presse auf sich ziehen, kann eine Schlagzeile mit dem Inhalt eines Freispruchs unter Umständen tatsächlich einen besonders positiven Effekt haben. Auch das ist aber natürlich reine Spekulation. Wie sich in einem solchen Fall ein Freispruch auswirkt, bleibt auch hier abzuwarten.
Der Nachteil eines Freispruchs ist, dass er ganz am Ende eines Verfahrens steht und man sich niemals sicher sein kann, dass das Verfahren tatsächlich in einem Freispruch endet, gleich wie überzeugt man von seiner eigenen Unschuld ist.
Das Warten auf einen Freispruch birgt also naturgemäß ein gewisses, von Fall zu Fall variierend hohes Risiko, dass man am Ende doch schuldig gesprochen wird.
Eben das ist auch der Vorteil einer Einstellung des Strafverfahrens durch die Erfüllung von Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO. Sie kann bereits am Ende des Ermittlungsverfahrens und damit recht früh im Strafverfahren erfolgen. Ein Strafverfahren stellt stets eine Belastung dar. Der Ausgang ist ungewiss und man bangt um seine Zukunft; was einen erwartet. Es ist also in der Regel im Interesse des Beschuldigten, dem Strafverfahren möglichst schnell ein Ende zu setzen.
Dass es „mehr wert“ sei, wenn das Strafverfahren durch eine Entscheidung des Gerichts beendet wird, namentlich durch einen Freispruch, kann außerdem so nicht gesagt werden. Möglicherweise hat für manche Personen gesellschaftlich eine Einstellung des Strafverfahrens gegen die Erfüllung von Auflagen und Weisungen einen gewissen „Beigeschmack“ einer Minderwertigkeit im Vergleich zum Freispruch. Dies ist es aber nicht.
Ob eine Anregung der Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO in Ihrem Fall Sinn macht und welche Gründe dafür und dagegen sprechen, kann Ihr Strafverteidiger einschätzen und die Verteidigungsstrategie entsprechend ausrichten.
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