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Wann liegt Notwehr vor? Muss ich ausweichen, oder darf ich mich wehren? Was ist, wenn ich aus Furcht die Lage falsch einschätze? Rechtsanwalt zur Notwehr im Strafrecht

Wer angegriffen wird, will sich dem zumeist erwehren. In der Regel werden mahnende Worte dazu aber nicht ausreichen, sodass der Angegriffene sich mitunter etwa körperlich zur Wehr setzen muss, um sich wirksam zu verteidigen. In solchen Fällen wird er wahrscheinlich den Tatbestand eines Strafgesetzes (zB Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 Strafgesetzbuch [StGB]) verwirklichen – und sich dadurch mit seiner Verteidigung strafbar machen?

Solch eine Konsequenz liefe dem Rechtsverständnis des Durchschnittbürgers – berechtigterweise – zuwider. In bestimmten Fällen erkennt das Recht dem Einzelnen die Befugnis zu, Notwehr zu üben und sich damit (auch unter Verwirklichung von Straftatbeständen) Angriffen zur Wehr zu setzen. Unter welchen Voraussetzungen Sie welche Verteidigung durch Notwehr an den Tag legen dürfen, zeigt dieser Beitrag auf.

Darf man unter Notwehr Straftaten begehen?

Ja, das darf man. Liegt ein Rechtfertigungsgrund wie die Notwehr gem. § 32 StGB vor, entfällt die sog. Rechtswidrigkeit der Tat. Die Verhaltensweise des Betroffenen wird vom Recht nicht missbilligt. Sein Handeln ist vollständig erlaubt und er bzw. sie „darf das“. Der Gegner der Notwehrhandlung ist seinerseits duldungspflichtig und darf sich der Notwehrhandlung nicht erwehren (es gibt keine „Notwehr gegen Notwehr“).

 Wann handle ich in Notwehr?

Die Notwehr setzt erstens einen gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff, zweitens eine erforderliche und gebotene Verteidigungshandlung und drittens einen Verteidigungswillen voraus. Liegen alle diese Voraussetzungen vor, ist der Betroffene gem. § 32 StGB gerechtfertigt und dementsprechend straffrei.

Welcher Angriff berechtigt zur Notwehr?

Ausgangspunkt der Notwehr ist ein Angriff auf den Betroffenen. Dazu genügt grundsätzlich jedes menschliche Verhalten, das rechtlich geschützte Interessen zu verletzen droht. Nicht ausreichend sind sozialadäquate Unannehmlichkeiten oder Taktlosigkeiten wie bspw. eine Drängelei in der U-Bahn.

Beispiele für einen Angriff: Schlag mit der Faust ins Gesicht, Bedrohung mit einer Schusswaffe, Aufhetzen eines Kampfhundes, Wegnahme der Handtasche, heimliches Anfertigen von Nacktfotografien in einer Sportumkleide.

Damit der Betroffene Notwehr üben darf, muss der Angriff aber auch gegenwärtig sein, das heißt, unmittelbar bevorstehen, gerade stattfinden oder noch andauern. Damit ist beispielsweise keine „Notwehr“ gegen jemanden möglich, der vom sich Verteidigenden schon zu Bogen geschlagen wurde und dort nun kampfunfähig liegt. Von ihm geht schließlich kein Angriff mehr aus. Auch eine Vergeltung am Tag nach dem Kampfgeschehen ist keine Notwehr, sondern vielmehr unzulässige Selbstjustiz.

Beispiele für einen gegenwärtigen Angriff: Verteidigung im laufenden Kampf; das Zuschlagen, während der Angreifer sich anschickt, die Waffe zu zücken.

Schließlich muss der Angriff des anderen auch rechtswidrig sein, d.h. im Widerspruch zur Rechtsordnung stehen. Das ist beispielsweise dann nicht der Fall, wenn

  • der andere seinerseits Notwehr übt (deshalb darf sich auch der ursprüngliche Angreifer nicht gegen die Notwehrhandlung seines Kontrahenten wehren),
  • als Polizist eine rechtmäßige Diensthandlung vornimmt oder
  • aus anderen Gründen zu seinem Handeln berechtigt ist.

Mit welcher Handlung darf man sich gegen den Angriff wehren?

Grundsätzlich darf der sich Verteidigende alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um sich einem Angriff zu erwehren. Das gilt indes nur für solche Verteidigungsmöglichkeiten, die sich unmittelbar gegen den Angreifer richten.

Beispiel: Wird der Betroffene von einem Unbekannten angegriffen und bricht ein Stück Holz aus dem Zaun seines Nachbarn, um es zu seiner Verteidigung einzusetzen, ist er bzgl. der Sachbeschädigung am Zaun nicht durch Notwehr gerechtfertigt. Sein Handeln richtet sich insoweit nämlich nicht gegen den Angreifer, sondern den völlig unbeteiligten Nachbarn. Er wird aber aller Wahrscheinlichkeit nach durch andere Rechtfertigungsgründe (§ 34 StGB, § 904 BGB) gerechtfertigt sein.

Hier ist der Betroffene indes stärkeren Grenzen unterworfen – der den Angriff verursachende hat schließlich höhere Einbußen hinzunehmen als ein gänzlich Unbeteiligter.

Die Verteidigungshandlung muss zunächst nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich sein, um den Angriff abzuwehren. Von mehreren gleich geeigneten Mitteln muss der Verteidiger deshalb das mildeste wählen. Das bedeutet, dass bei Schusswaffengebrauch zB grundsätzlich erst ein Schuss anzudrohen ist und hiernach bevorzugt nicht-lebensbedrohliche Verletzungen (Schuss ins Bein) beizubringen sind; der „scharfe Schuss“ in den Oberkörper ist die ultima ratio. Wer den Angreifer auch ohne Waffeneinsatz problemlos vom Angriff abbringen kann (zB wegen körperlicher Überlegenheit), muss dies auch tun.

Gleichwohl braucht sich der Angegriffene auf einen ungewissen Kampfausgang nicht einzulassen. Er muss auch weniger gefährliche Verteidigungsmittel nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage bleibt (BGH, Beschluss. v. 22.06.2016, Az: 5 StR 138/16).

Schließlich werden dahin Einschränkungen vorgenommen, dass die Verteidigungshandlung auch geboten sein muss. Das wird nur ausnahmsweise abzulehnen sein. In der Regel gilt, dass das Recht dem Unrecht nicht zu weichen braucht – der Angegriffene deshalb auch nicht ausweichen muss, sondern gerade ein Recht zur (erforderlichenfalls gewaltsamen) Gegenwehr hat.

 

Ausnahmen ergeben sich beispielsweise bei einem krassen Missverhältnis zwischen Angriff und Verteidigungshandlung. Man denke an einen Ladendetektiv, der einen unbekannten Flüchtenden (Warenwert des Diebesgutes: 5,00 EUR) nur noch dadurch stellen kann, dass er ihn erschießt. Hier darf der Ladendetektiv nicht schießen, wenngleich ihm keine anderen Verteidigungsmöglichkeiten verbleiben (weil der Dieb schon zu weit geflüchtet und unbekannt ist).

Ob ein solches krasses Missverhältnis vorlag, hatte auch der Bundesgerichtshof in einem Fall zu entscheiden (BGH, Beschl. v. 12.04.2016, Az: 2 StR 523/15; hier verkürzt):

Der Angeklagte wurde von seinem Mitbewohner mit der flachen Hand auf die Brust geschlagen. Er litt ohnehin immer wieder unter Brustschmerzen. Durch die Schläge wurden seine Schmerzen wieder ausgelöst. Der Angeklagte erblickte sodann ein Einhandklappmesser, ergriff es und hielt es seinem Angreifer vor, um ihn von weiteren Schlägen abzuhalten. Dieser gab sich unbeeindruckt. Daraufhin stach der Angeklagte seinem Kontrahenten in den Arm. Da der Angriff daraufhin nicht endete, stach der Angeklagte seinem Gegner sodann zweimal in den Oberkörper, wobei er dessen Brunst und Brauch traf. Als der Angreifer schließlich von ihm abließ, rief der Angeklagte einen Rettungswagen herbei; der Angreifer konnte gerettet werden.

 

Selbst die Anwendung lebensbedrohlicher Gewalt veranlasste den BGH hier nicht dazu, die Notwehr zu verneinen. Eine detailliertere Besprechung der Entscheidung finden Sie hier.

 

Auch bei einem engen persönlichen Näheverhältnis (etwa in einer Ehe oder einem Eltern-Kind-Verhältnis) ist an Einschränkungen der Notwehr zu denken. Gleiches gilt bei reinen Bagatellangriffen oder Angriffen offensichtlich Schuldloser (zB Kinder, Alkoholisierte). Hier ist der sich Verteidigende teilweise etwa darauf beschränkt, zunächst zu fliehen, dann Angriffe abzuwehren (Schutzwehr) und erst als ultima ratio in die aktive Gegenwehr (Trutzwehr) überzugehen.

Gute Gründe sprechen dafür, in Fällen der absichtlichen Notwehrprovokation durch rechtswidriges Verhalten die Notwehrbefugnis zu versagen: Hier wirkt der Betroffene aktiv darauf hin, dass der möglicherweise leicht reizbare Kontrahent ihn angreift – um diesen dann „unter dem Deckmantel“ der Notwehr vermeintlich legal schädigen zu dürfen. Hierin wird oft ein rechtsmissbräuchliches Verhalten gesehen, sodass die Notwehrbefugnis versagt wird.

Auch bei sonstigen – nicht absichtlichen Provokationen – kann es angezeigt sein, den sich Verteidigenden darauf zu verweisen, zunächst auszuweichen, dann Schutzwehr zu leisten und im Rahmen der Trutzwehr leichte Verletzungen in Kauf zu nehmen.

Insbesondere für die Frage, ob eine erfolgte Verteidigungshandlung geboten war oder nicht, kommt es immer auf eine Einzelfallbetrachtung an. Hier wird ein erfahrener Rechtsanwalt alle Umstände des Falls gewichten und anschließend die für den Mandanten günstigen Argumente herausarbeiten und vortragen.

Notwehr nur aus Rache?

Schließlich muss die Notwehrhandlung mit Verteidigungswillen erfolgen. Wird der Betroffene so sehr durch Rache, Hass, Wut oder ähnliches bestimmt, dass sein Verteidigungswille vollständig in den Hintergrund rückt, ist sein Verhalten in der Regel nicht mehr von der rechtfertigenden Notwehr erfasst.

Kann ich auch Dritten zur Hilfe kommen?

Neben die Notwehr tritt die sog. Nothilfe. Sie erfasst den Fall, dass man nicht sich selbst, sondern einen Dritten verteidigt. Dem Verteidigenden stehen hier grundsätzlich dieselben Befugnisse wie dem Angegriffenen zu. So kann beispielsweise ein fitter Passant den Räuber in die Flucht schlagen, der sich gerade anschickt, eine ältere Dame zu berauben, die sich infolge altersbedingter Gebrechlichkeit dagegen nicht zur Wehr zu setzen vermag.

Was geschieht, wenn ich die Lage falsch eingeschätzt habe?

Notwehrsituationen sind in der Regel schnelllebig, undurchsichtig, emotionsgeladen und das Verhalten der Beteiligten instinktgeleitet. Es überrascht nicht, dass Beteiligte die Lage oft falsch einschätzen. Diesen Umständen trägt auch das Recht Rechnung. Zum einen entschuldigt § 33 StGB denjenigen, der die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschreitet. Das bedeutet, dass das Verhalten, das über die Notwehr hinaus geht, zwar rechtswidrig ist (der Kontrahent darf sich seinerseits dagegen wehren), aber der Betroffene schuldlos handelt und dementsprechend nicht bestraft wird.

Über die Anwendung dieser Regelung hatte auch der BGH in einem eskalierten Nachbarschaftsstreit zu entscheiden (Urt. v. 03.06.2015, Az: 2 StR 473/14; hier verkürzt):

Nach den gerichtlichen Feststellungen waren die zwei beteiligten Nachbarn schon länger in gegenseitige Streitigkeiten verwickelt. Am Tattag forderte der Angeklagte seinen Nachbarn auf, er werde ihn „platt machen“, er solle dazu hinüberkommen. Beide trafen aufeinander, der Angeklagte mit einem Spaten und der Nachbar mit einem fast einen Meter langen Axtstiel. Der Angeklagte forderte seinen Nachbar zum Kampf heraus („Komm, komm, komm!“). Als dieser schließlich mit dem Axtstiel ausholte, schlug der Angeklagte mit seinem Spaten über Kopf mit voller Wucht auf den Kopf des Nachbarn. Dieser drang 5 cm tief in den Schädel ein und durchschnitt in einer Länge von 15 cm das Hirngewebe. Der Nachbar hat infolgedessen insbesondere sein Sprach-, Schreib- und Lesevermögen irreversibel verloren, eine spastische Lähmung in der rechten Körperhälfte erlitten und seine Arbeitsfähigkeit dauerhaft verloren.

Notwehr läge zwar nicht vor und die Tat des Angeklagten sei daher nicht gerechtfertigt. Der BGH nahm indes an, dass er grundsätzlich gem. § 33 StGB entschuldigt sein kann, wenn er aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken handelt. Dem stünde auch nicht entgegen, dass er den Angriff vorher provoziert habe.

Eine Besprechung dieser Entscheidung finden Sie hier.

Die Einzelheiten sind auch hier umstritten. Komplex sind auch die Fälle gelagert, in denen sich der Betroffene vorstellt, er werde angegriffen, was aber gar nicht der Fall ist (zB Scherzangriff; „Prank“). Zu solchen Sonderfällen berät Sie Ihr Fachanwalt für Strafrecht.

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