Polizeiwagen mit Blaulicht. Ist das Filmen von Polizeieinsätzen strafbar? Anwalt hilft!

Polizeieinsatz (Foto: © VanHope – stock.adobe.com)

Ist das Filmen von Polizeieinsätzen strafbar?

25.08.2022 | Medien- und Wirtschaftsrecht, Strafrecht

Tagtäglich finden Polizeieinsätze statt. Wohl vermutlich ebenso häufig stellt sich die Frage: Darf ich den Polizeieinsatz filmen? Dürfen nur Betroffene den Polizeieinsatz filmen? Wie sieht es mit „Gaffern“ aus? Unser Beitrag behandelt also die Frage, ob das Filmen von Polizeieinsätzen strafbar ist.

Die Frage nach der Strafbarkeit des Filmens von Polizeieinsätzen ist und bleibt (leider) weiterhin nicht abschließend geklärt.

Wieso das Thema nun wieder aufkommt liegt aber daran, dass die Diskussionen bislang „nur“ bei den Amts- und Landgerichten geführt wurden. Nun gibt es die erste Entscheidung eines oberen Gerichts zum Thema der Strafbarkeit des Filmens von Polizeieinsätzen, nämlich die des Oberlandesgerichts Zweibrücken.

Welche Straftat kann das Filmen von Polizeieinsätzen verwirklichen?

Die Strafbarkeit des Filmens von Polizeieinsätzen wird insbesondere im Rahmen des Vorwurfs der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 des Strafgesetzbuches diskutiert.

Wer filmt, nimmt in der Regel auch das gesprochene Wort der gefilmten Person(en) auf. Im Fall, das dem OLG Zweibrücken zur Entscheidung vorlag, filmte die Angeklagte sogar den Boden. Ihr ging es gerade um die Aufzeichnung der Gespräche, nicht um das Anfertigen von Bildaufnahmen (OLG Zweibrücken, Beschluss v. 30.06.2022 – 2 Ss 62/21).

Mehr Informationen zur Strafbarkeit wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, erhalten Sie hier »

Welche Strafe kann damit für das Filmen von Polizeieinsätzen drohen?

Wird eine Strafbarkeit wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes bejaht, so droht gem. § 201 StGB in der Regel eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren.

Wieso ist die Frage der Strafbarkeit umstritten?

Der Knackpunkt ist die Frage der Öffentlichkeit. Über § 201 StGB geschützt ist nämlich nur das nichtöffentlich gesprochene Wort.

Zum Merkmal der Öffentlichkeit ist vorab zu sagen, dass hier eine sogenannte „faktische Öffentlichkeit“ genügt, um eine Strafbarkeit entfallen zu lassen. Das bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, dass eine unbestimmte Anzahl von Personen das Gespräch ohnehin mithört (dann ist das gesprochene Wort weitestgehend unstreitig als öffentlich einzuordnen), sondern ob dies in der konkreten Situation der Fall sein kann. Die tatsächliche Wahrnehmung ist also nicht erforderlich. Es genügt die Möglichkeit. Vgl. LG Osnabrück (10. Große Strafkammer), Beschluss v. 24.09.2021 – 10 Qs/120 Js 32757/21 – 49/21 in BeckRS 2021, 28838.

 

Die Frage, die sich nun also stellt:

Sind Polizeieinsätze öffentlich?

Das kommt darauf an. Nämlich auf die konkreten Umstände des Einzelfalls. Das wäre zumindest eine differenzierende Ansicht. Man könnte aber auch sagen, dass jeder Polizeieinsatz öffentlich sei oder dass § 201 StGB schon gar nicht auf Polizeieinsätze anwendbar ist.

Wo eine extreme Position vertreten wird, wird in der Regel auch das genaue Gegenteil vertreten. Man kann also auch sagen, kein Polizeieinsatz sei öffentlich. Es handele sich um eine Angelegenheit ausschließlich zwischen den handelnden Polizeibeamten und demjenigen, gegen den die Maßnahme gerichtet ist (also z.B. derjenige, dessen Personalien aufgenommen werden).

Diese Auffassung überzeugt insbesondere dann, wenn aus einem größeren Geschehen ein überschaubarer Personenkreis oder eine einzelne Person herausgenommen wird und die Polizeibeamten sich in einem „kleineren Kreis“ mit diesen unterhalten.

Dafür, dass es sich um eine öffentliche Angelegenheit handelt bzw. eigentlich eher dagegen, dass es sich um eine Maßnahme rein zwischen dem Betroffenen und den handelnden Beamten handelt spricht aber zum Beispiel der Einsatz von Bodycams. Dies impliziert ja im Grunde sogar, dass der Einsatz gefilmt werden darf. Oder?

 

Für die Straflosigkeit des Filmens von Polizeieinsätzen spricht ferner, dass einen Paragraph weiter – in § 201a StGB – der Gesetzgeber zur Strafbarkeit von Filmaufnahmen Stellung nimmt. Und diese nur dann unter Strafe stellt, wenn sie – vereinfacht ausgedrückt – in einem sehr privaten Bereich aufgenommen werden (z.B. in einer Wohnung). Nun stellt sich also die Frage: Wieso soll der strafrechtliche Schutz vor einer Filmaufnahme geringer sein (weil strengere Anforderungen gestellt werden, damit man sich strafbar macht) als der vor einer Sprachaufnahme? Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Sprachaufnahmen regelmäßig auch mit der Aufnahme von Filmaufnahmen verbunden sind, erscheint hier die Unterstellung einer vom Gesetzgeber gebilligten Differenzierung zweifelhaft. Auf dieses Argument stützte sich auch das Landgericht Osnabrück in einer Entscheidung zu diesem Thema ( LG Osnabrück (10. Große Strafkammer), Beschluss v. 24.09.2021 – 10 Qs/120 Js 32757/21 – 49/21).

 

Das Argument – und auch der regelmäßig vorgebrachte Grund – für das Filmen von Polizeieinsätzen ist das der Schaffung einer Art Kontrollfunktion. Dabei geht es zum einen um Polizeigewalt, wobei dann aber, selbst wenn man ein Eingreifen von § 201 StGB bejaht, ohnehin unter Umständen eine Rechtfertigung oder Entschuldigung der Tat wegen Notwehr oder  Notstands im Raum steht.

Hier kann dann aber zum Beispiel ein entscheidender Unterschied zwischen einem Betroffenen, der sich tatsächlich wehren möchte, einem Hilfeleistenden und dem nicht an Hilfeleistung interessierten „Gaffer“ bestehen. Eine Filmaufnahme rein aus Interesse und Neugier stellt keine Verteidigung dar.

 

Zum Anderen geht es auch ganz allgemein betrachtet darum, dass die Polizeibeamten an Grundrechte gebunden sind. Sie sind Teil der exekutiven staatlichen Gewalt. Man könnte also sagen, dass Polizeieinsätze insofern schon gar nicht in den Anwendungsbereich des § 201 StGB fallen, weil der Staat an Grundrechte gebunden und nicht gleichzeitig hieraus berechtigt sein kann (Die Strafbarkeit der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes soll insbesondere das Persönlichkeitsrecht des Aufgenommenen schützen). Hier muss im Einzelfall dann aber differenziert werden, als die Polizeibeamten im Einsatz sind, aber gleichzeitig ein Punkt erreicht sein kann, in dem sie persönlich, in ihrer Person als Bürger, betroffen sind. Spätestens ab diesem Punkt greift das Argument dann regelmäßig nicht mehr durch.

 

Das sind nun nur einige wenige Aspekte, an die man im Rahmen der Diskussion denken kann. Eine Betrachtung des Einzelfalles ist niemals entbehrlich. Insbesondere nicht im Strafrecht.

Klare Kriterien für die Feststellung der Öffentlichkeit können und sollten aber dennoch bestehen. Rechtsunsicherheit trägt nicht zur Wahrung oder Erweiterung von Rechten bei, sondern schränkt sie schlimmstenfalls ungerechtfertigterweise mehr und mehr ein (weil man sich unter Umständen nicht traut, einen Polizeieinsatz zu filmen, obwohl man es dürfte).

Es bedarf also einer Klärung durch die oberen Gerichte. Eine erste Entscheidung gibt es nun: Vom Oberlandesgericht Zweibrücken.

Was sagt das Oberlandesgericht Zweibrücken zur Strafbarkeit des Filmens von Polizeieinsätzen?

Nun durfte sich erstmalig ein Oberlandesgericht mit der Frage beschäftigen. Das Oberlandesgericht Zweibrücken ( OLG Zweibrücken, Beschluss v. 30.06.2022 – 2 Ss 62/21).

Der Entscheidung zugrunde lag folgende Situation: Die Beschuldigte filmte 2020 rund 40 Minuten lang einen Polizeieinsatz unter anderem im Zusammenhang mit der Kontrolle der Einhaltung der Corona – Maßnahmen. Wichtiges Detail um die Diskussion der Öffentlichkeit: Der Einsatz fand um 3 Uhr nachts statt. Als Grund gab sie an, früher schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. Sie filmte dabei nicht direkt auf die Polizeibeamten, sondern den Boden. Im Schwerpunkt handelte es sich also um eine Tonaufnahme.

Die Folge: Der Anfangsverdacht unter anderem der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, eine Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte  und Beleidigung und die Beschlagnahme des Smartphones.

Das Oberlandesgericht Zweibrücken sprach der Angeklagten kein Recht zu und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme des Smartphones. Ein hinreichender Tatverdacht im Hinblick auf die Straftat der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes habe vorgelegen. Damit war der Widerstand gegen die Vollstreckungsbeamten bei der Beschlagnahme des Smartphones strafbar (das setzt nämlich die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung voraus). Das Gericht verneinte eine Öffentlichkeit des gesprochenen Wortes, auch eine faktische Öffentlichkeit, unter anderem aufgrund der Nachtzeit und weil auch Gespräche der Polizeibeamten in einzelnen, kleineren Personengruppen aufgezeichnet wurden.

Zufriedenstellend ist diese oberlandesgerichtliche Entscheidung mitnichten. Das liegt daran, dass nun einmal die Möglichkeit einer grundsätzlichen Klärung der Problematik und zur Herausarbeitung klarer Kriterien bestand, wann eine Strafbarkeit droht und wann nicht. Das Gericht beschränkt sich darauf, die Nichtöffentlichkeit im vorliegenden Fall zu bejahen.

Das Ergebnis: Es bleibt bei der bestehenden Rechtsunsicherheit. Zu warten ist auf eine weitere gerichtliche Entscheidung eines oberen Gerichts.

Welche Folgen kann das Filmen eines Polizeieinsatzes neben einer Geld- oder Freiheitsstrafe noch haben?

Nicht nur ein Strafverfahren kann vor ein Gericht führen. Neben der strafrechtlichen Bewertung des Filmens von Polizeieinsätzen besteht auch die Zivilrechtliche. § 201 StGB schützt das Persönlichkeitsrecht. Ist dieses verletzt so drohen zivilrechtlich insbesondere Unterlassungs-, Geldentschädigungs- und Schadensersatzansprüche oder unter Umständen Ansprüche auf Gegendarstellung.

So sprach zum Beispiel das Oberlandesgericht Frankfurt am Main einer unerlaubt bei einem Einsatz auf einer Demonstration gefilmten Polizeibeamtin (wobei der Filmausschnitt auch Teil eines YouTube Videos wurde) eine Geldentschädigung wegen schwerwiegender Verletzung des Allgemeiner Persönlichkeitsrechts zu (Beschluss v. 19.05.2021, Az.: 13 U 318/19).

Darf man aufgenommene Polizeieinsätze veröffentlichen?

Zu dieser Thematik gehören auch mögliche Verletzungen des Rechts am eigenen Bild, das insbesondere durch das Kunsturhebergesetz (§§ 22 ff. KunstUrhG) geschützt ist. Diese Verbotsvorschriften beziehen sich vor allem auf die Veröffentlichung bzw. Verbreitung von unerlaubten Aufnahmen. Und auch dieser Verstoß kann wieder zurück ins Strafrecht führen: nach § 33 KunstUrhG droht für die Verbreitung oder das öffentliche zur Schau stellen von Bildnissen unter Missachtung der §§ 22, 23 KunstUrhG (also ohne die notwendige Erlaubnis des Berechtigten – das ist im Normalfall die abgebildete Person) eine Geld- oder Freiheitsstrafe.

Bei Polizeieinsätzen kann unter Umständen eine Ausnahme vom Verbot der Notwendigkeit der Bewilligung des Betroffenen in Betracht kommen, wenn es sich um eine Aufnahme handelt, die ein zeitgeschichtliches Ereignis darstellt (§ 23 Abs.1 Nr.1 KunstUrhG). Das trifft aber nicht auf jeden Polizeieinsatz zu. So ging beispielsweise das Oberlandesgericht Frankfurt im oben aufgeführten Fall von diesem Umstand nicht aus (Beschluss v. 19.05.2021, Az.: 13 U 318/19).

 

 

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