Schöffengericht
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Was ist ein Schöffengericht im Strafverfahren? Wann entscheidet das Schöffengericht über meine Strafbarkeit? Wann entscheidet ein Jugendschöffengericht?
Ein Schöffengericht ist ein Spruchkörper des Amtsgerichts in Strafsachen (§ 28 GVG). In der Regel ist es mit einem (Berufs-)Richter und zwei ehrenamtlichen Richtern, den sogenannten Schöffen, besetzt (§ 29 GVG). Man bezeichnet diese auch als „Laienrichter“.
Wann klagt die Staatsanwaltschaft beim Schöffengericht an?
Welches Gericht (sachlich) zur Entscheidung über den Ihnen gemachten Vorwurf zuständig ist, bemisst sich v.a. an der vorgeworfenen Tat, insbesondere der angedrohten Strafe.
Das Schöffengericht ist zuständig bei Verbrechen. Verbrechen sind Taten die das Gesetz mit mindestens einem Jahr Freiheitstrafe bedroht (§ 12 Abs. 1 StGB). Darunter fallen beispielsweise die schwere Körperverletzung und Raub. In diesen Fällen erfolgt unter Umständen aber auch eine Anklage zum Landgericht, weil die Straferwartung bei über 4 Jahren Freiheitsstrafe liegt (§ 74 GVG).
Wenn die angedrohte Mindeststrafe weniger als 1 Jahr beträgt, spricht man von Vergehen. In diesen Fällen ist das Schöffengericht zuständig, wenn die Straferwartung im konkreten Fall zwischen 2 und 4 Jahren Freiheitsstrafe beträgt.
Wie hoch die Straferwartung ist, hängt von verschiedenen Umständen ab. Zum einen natürlich von der vorgeworfenen Tat. So lässt sich zum Beispiel dem Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB („einfachen“ Körperverletzung) entnehmen, dass die Straferwartung sich zwischen einer Geldstrafe und einer Freiheitstrafe von bis zu 5 Jahren bewegen kann. Zum anderen sind Umstände relevant wie (einschlägige) Vorstrafen oder besonders gravierende Folgen für das Opfer.
Liegt die Straferwartung unter 2 Jahren und handelt es sich nicht um ein Verbrechen, ist der Strafrichter zuständig (§ 25 GVG). Der Strafrichter ist auch dann nicht zuständig, wenn eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung zu erwarten ist.
In manchen Fällen ist die zu verhandelnde Sache von besonderem Umfang. Dann kann ein zweiter Berufsrichter herangezogen werden. Dieses Schöffengericht wird dann erweitertes Schöffengericht genannt.
Was bedeutet eine Anklage vor dem Schöffengericht für den Angeklagten?
Sie sehen also, man kann anhand des angerufenen Gerichts erkennen, von welcher Straferwartung die Staatsanwaltschaft ungefähr ausgeht. Im Falle einer Anklage wegen eines Vergehens vor dem Schöffengericht geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass es zu einer Verurteilung zwischen 2 und 4 Jahren Freiheitsstrafe kommen wird. Das bedeutet gleichzeitig, die Staatsanwaltschaft geht nicht davon aus, dass noch eine Bewährungsstrafe in Betracht kommt. Diese ist nämlich nur bis zu maximal 2 Jahren Freiheitsstrafe möglich (§ 56 StGB).
Anders kann dies bei dem Vorwurf eines Verbrechens sein. Verbrechen klagt die Staatsanwaltschaft auch vor dem Schöffengericht an, wenn die Straferwartung unter 2 Jahren Freiheitsstrafe liegt und die Strafen somit bewährungsfähig sind.
Was bedeutet eine Anklage vor dem Schöffengericht für die Strafverteidigung?
Bei einer Anklage vor dem Schöffengericht liegt ein Fall der sogenannten notwendigen Verteidigung vor (siehe dazu § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO). Das bedeutet, dass Gericht wird auf Antrag einen Pflichtverteidiger beiordnen. Hier ist wichtig zu erwähnen, Sie haben ein Wahlrecht sich einen bestimmten Verteidiger zum Pflichtverteidiger bestellen zu lassen. Bestehen Sie auf dieses Recht und zwar auch dann, wenn das Gericht Ihnen ohne Anhörung einen Pflichtverteidiger zuordnen sollte. Gerade weil eine empfindliche Freiheitsstrafe im Raum steht, sollte ein Verteidiger so früh wie möglich kontaktiert werden. Je früher der Kontakt zu einem Verteidiger, desto höher das Verteidigungspotential.
Auch interessant: Wenn zu Beginn des Verfahrens keine Untersuchungshaft angeordnet wurde, wird diese in der Regel gegen Ende des Verfahrens auch nicht mehr angeordnet. Für die Untersuchungshaft braucht es nämlich einen Haftgrund (§ 112 StPO). Häufig wird die sogenannte Fluchtgefahr als Haftgrund herangezogen; also die Gefahr, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entzieht. Die Fluchtgefahr lässt sich zwar nicht allein mit einer hohen Straferwartung begründen, eine hohe Straferwartung (beispielsweise bei einem Mord) stellt aber regelmäßig ein wichtiges Indiz dar. Da die Straferwartung beim Schöffengericht aber nur bis zu 4 Jahren reicht, ist diese nie per se hoch und hat insofern auch keine Indizwirkung hinsichtlich der Fluchtgefahr. Natürlich können andere Umstände die Fluchtgefahr bzw. einen anderen Haftgrund begründen.
Besonders belastend kann auch die Einziehung von Vermögenswerten sein (§§ 73 ff. StGB). Durch diese soll zum einen zum Ausdruck gebracht werden, dass sich Straftaten nicht lohnen sollen. Zum anderen geht es darum, wieder die rechtmäßigen Vermögensverhältnisse herzustellen. Am Schöffengericht werden häufig kleinere Wirtschaftsdelikte verhandelt, wie beispielsweise die Vorenthaltung von Arbeitsentgelt oder eine „mittelschwere“ Steuerhinterziehung. Die Einziehung bzw. Vermögensabschöpfung kann sehr erhebliche finanzielle Konsequenzen haben und sogar bis zum finanziellen Ruin führen.
Was sind eigentlich Schöffen?
In Deutschland gibt es über 60.000 Schöffen. Zusammen mit dem Richter entscheiden sie im Rahmen der Urteilsfindung. Schöffen werden auf 5 Jahre gewählt. Erst einmal gewählt, ist man als Schöffe auch verpflichtet, das Amt wahrzunehmen. Dafür muss der Arbeitgeber den Schöffen von seinem eigentlichen Beruf freistellen. Durchschnittlich 10 bis 15 Hauptverhandlungen hat ein Schöffe pro Jahr zu absolvieren. Schöffen haben weder eine juristische Ausbildung noch besondere Rechtskenntnisse. Dennoch sind sie in den meisten Belangen den Richtern gleichgestellt. Sie unterliegen ebenfalls der Schweigepflicht, sind unabhängig und haben ein Stimmrecht. Als oberste Pflicht aller Richter gilt die Unparteilichkeit. Auch Schöffen können mit dem Vorwurf der Befangenheit konfrontiert werden. Durch das Schöffenamt soll u.a. der Grundsatz verwirklicht werden, dass das Urteil im Namen des Volkes ergeht.
Warum gibt es Schöffen?
Durch Schöffen soll das Vertrauen der Bürger in die Justiz gestärkt werden und es soll eine lebensnahe Rechtsprechung erreicht werden. Die Schöffen sollen die Berufsrichter und Justiz überwachen und zusammen mit dem Berufsrichter zu einem Urteil kommen. Theoretisch können die zwei Schöffen den Berufsrichter auch überstimmen, in der Praxis dürfte dies aber so gut wie nie vorkommen. Übrigens, abgesehen von Berlin, tragen Schöffen keine Roben.
Schöffen enthalten keine Vergütung, aber eine Entschädigung. Die Grundlage dafür bildet das Justizvergütungs- und entschädigungsgesetz. Pauschal erhält ein Schöffe 7 Euro pro Stunde. Zusätzlich können Verdienstausfall, Fahrtkosten, Nachteile bei der Haushaltsführung und sonstige Aufwendungen entschädigt werden.
Kann jeder Schöffe werden?
Jeder Deutsche, der zwischen 25 und 69 Jahren alt ist, kann unter folgenden Voraussetzungen Schöffe werden (vgl. auch §§ 31 und 32 GVG):
- Keine juristische Ausbildung
- Kein Vermögensverfall, also z.B. keine Insolvenz
- Keine Vorstrafen und kein laufendes Ermittlungsverfahren
- Gesundheitlich geeignet
Hilfereich ist es, wenn man folgende persönliche Fähigkeiten mitbringt:
- Menschenkenntnis
- Logisches Denkvermögen
- Soziales Verständnis
- Einfühlungsvermögen
- Keine Vorurteile
- Verantwortungsbewusstsein
- Beim Jugendschöffengericht: Erfahrung in der Erziehung Jugendlicher
Bewerben kann man sich in Rathäusern/Bürgerbüros etc. Dort liegen Listen aus, in welche man sich (oder jemanden anderen) eintragen kann. Die jetzige Amtsperiode läuft vom 1- Januar 2024 bis zum 31. Dezember 2028. In § 35 GVG ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen die Berufung ins Schöffenamt abgelehnt werden kann. Das gilt zum einen für bestimmte Berufsgruppen (z.B. Ärzte, Krankenpfleger). Zum anderen wird ein bestimmte Lebensumstände angeknüpft (z.B. erhebliche wirtschaftliche Nachteile, bereits in zwei aufeinanderfolgenden Amtsperioden Schöffe gewesen). Bei grober Pflichtverletzung kann ein Schöffe aus dem Amt enthoben werden.
Welche Rechte haben Schöffen?
Interessanterweise ist es nicht gesetzlich geregelt, ob Schöffen ein Recht auf Akteneinsicht und ein Recht auf Kenntnis des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen (ein Teil der Anklage) haben. Ursprünglich ging die Rechtsprechung davon aus, dass dies nicht der Fall ist. Sollte der Schöffe trotzdem Einsicht gehabt haben, konnte dies bereits einen Befangenheitsantrag begründen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in den folgenden Jahren immer wieder mit der Frage beschäftigt und es ist zu einem Wandel der Rechtsprechung gekommen. Berufsrichter und Schöffen sollen gleichbehandelt werden. Deswegen ist Schöffen auch Akteneinsicht zu gewähren. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz vor, welche eine Revision begründen könnte. Nach diesem Grundsatz hat sich das Gericht im Rahmen der Hauptverhandlung einen unmittelbaren Eindruck vom Tatgeschehen zu verschaffen (vgl. §§ 261, 250 StPO). Die Schöffen sollten sich ihre Meinung also nicht aus der Akte, sondern aus der Hauptverhandlung bilden. Inzwischen hat sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) speziell mit der Frage bezüglich des Einsehens des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen beschäftigt. Dieser hat das Einsichtsrecht der Schöffen bejaht (vgl. NJW 2009, 2871). Bundeseinheitlich umgesetzt wird die neure Rechtsprechung allerdings nicht.
Wann sind Jugendschöffengerichte zuständig?
Das Jugendschöffengericht ist ein Jugendgericht, welches über Verfehlungen von Jugendlichen und Heranwachsenden entscheidet (§ 40 JGG) (Jugendstrafrecht). Wenn also eine Jugendstrafe zu erwarten ist. Es ist ein Spruchkörper beim Amtsgericht. Jugendgerichte können auch dann zuständig sein, wenn Verfehlungen oder Straftaten von Erwachsenen – Jugendliche oder Vorschriften des Jugendschutzes betreffen (§ 26 GVG). Jugendliche sind zwischen 14 und 18 Jahren alt. Heranwachsende zwischen 18 und 21.
Das Jugendschöffengericht ist mit zwei Jugendschöffen und einem Berufsrichter besetzt. Ein erweitertes Jugendschöffengericht gibt es nicht. Die zwei Jugendschöffen sollen aus jeweils einem Mann und einer Frau bestehen. Bei schwereren Verstößen sind die Jugendkammern zuständig. Die Verhandlungen erfolgen zum Schutz der Jugendlichen grundsätzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Auch im Jugendstrafrecht gibt es natürliche Fälle der notwendigen Verteidigung, so klarstellend das Landgericht Saarbrücken (11.02.2020, 3 Qs 11/20).
Auch bei Strafverfahren vor dem Schöffengericht stehen wir Ihnen als Anwalt für Strafrecht und Anwalt für Jugendstrafrecht zur Seite, erarbeiten eine gerade für Ihren Fall geeignete Verteidigungsstrategie und vertreten Ihre Rechte im Strafverfahren vor dem Schöffengericht.
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