Telefonüberwachung
Telefonüberwachung im Strafverfahren. Wann und unter welchen Voraussetzungen darf die Polizei mich abhören?
Schnell zum Inhalt:
Seit Mitte der 90er Jahre hören die Ermittlungsbehörden verstärkt Telefongespräche ab. Bis zur heutigen Zeit steigerten sich die Beschlusszahlen der Gerichte auf viele Zehntausende jährlich. Die Richter sehen sich dabei immer größer werdenden Fallzahlen gegenüber, für die im Rahmen des vorgeschriebenen Pensums immer weniger Zeit bleibt. Die Folge sind viele, nicht in der Tiefe geprüfte Tatvorwürfe, aus denen Beschlüsse zu einschneidenden Ermittlungsmaßnahmen resultieren.
Zusammenfassung der Verhaltenstipps zur Telefonüberwachung
- Reden Sie nicht am Telefon über die Tat
- Auch Emails können überwacht werden
- Vorsicht mit Informationen auf Facebook, Twitter und Co.
- Wechsel von Sim-Karte und Telefonnummer bieten keine ausreichende Sicherheit
- Bei Verdacht kann der Strafverteidiger prüfen, ob gegen Sie ermittelt wird
- Internettelefonate bieten keine Gewähr, dass diese nicht abgehört werden können
- Schweigen Sie bei Vernehmungen – belastende Telefonüberwachungsprotokolle können unverwertbar sein
- Auch Ihre Geodaten (Standorte – Bewegungsprofile) können ausgewertet werden
- IMSI-Catcher ermöglichen die Identifizierung des Handys auch ohne SIM-Karte
- Prepaid – Mobiltelefone ohne vorige Anmeldung sind schwer abzuhören
Voraussetzungen der Telefonüberwachung
Die Voraussetzungen der Telefonüberwachung normiert § 100a StPO. Demnach muss zuerst der Verdacht einer schweren Straftat gegeben sein. Als weitere Voraussetzung hat die Tat auch im Einzelfall schwer zu wiegen. Zudem muss die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert beziehungsweise aussichtslos sein. Eine Besonderheit ist zunächst, dass die Telefonüberwachung nur im Rahmen der genannten schweren Straftaten in § 100a Abs. 2 StPO angeordnet werden kann. Der Straftatenkatalog ist jedoch umfangreich:
- 1. aus dem Strafgesetzbuch:
a) Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80 bis 82, 84 bis 86, 87 bis 89a, 89c Absatz 1 bis 4, 94 bis 100a,
b) Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e,
c) Straftaten gegen die Landesverteidigung nach den §§ 109d bis 109h,
d) Straftaten gegen die öffentliche Ordnung nach den §§ 129 bis 130,
e) Geld- und Wertzeichenfälschung nach den §§ 146 und 151, jeweils auch in Verbindung mit § 152, sowie nach § 152a Abs. 3 und § 152b Abs. 1 bis 4,
f) Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen der §§ 176a, 176b, 177 Abs. 2 Nr. 2 und des § 179 Abs. 5 Nr. 2,
g) Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften nach § 184b Abs. 1 und 2, § 184c Abs. 2,
h) Mord und Totschlag nach den §§ 211 und 212,
i) Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a, 234, 234a, 239a und 239b,
j) Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244a,
k) Straftaten des Raubes und der Erpressung nach den §§ 249 bis 255,
l) gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260 und 260a,
m) Geldwäsche und Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte nach § 261 Abs. 1, 2 und 4,
n) Betrug und Computerbetrug unter den in § 263 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 263 Abs. 5, jeweils auch in Verbindung mit § 263a Abs. 2,
o) Subventionsbetrug unter den in § 264 Abs. 2 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 264 Abs. 3 in Verbindung mit § 263 Abs. 5,
p) Straftaten der Urkundenfälschung unter den in § 267 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Fall des § 267 Abs. 4, jeweils auch in Verbindung mit § 268 Abs. 5 oder § 269 Abs. 3 sowie nach § 275 Abs. 2 und § 276 Abs. 2,
q) Bankrott unter den in § 283a Satz 2 genannten Voraussetzungen,
r) Straftaten gegen den Wettbewerb nach § 298 und unter den in § 300 Satz 2 genannten Voraussetzungen nach § 299,
s) gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, des § 310 Abs. 1, der §§ 313, 314, 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 sowie der §§ 316a und 316c,
t) Bestechlichkeit und Bestechung nach den §§ 332 und 334,
- 2. aus der Abgabenordnung:
a) Steuerhinterziehung unter den in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 genannten Voraussetzungen,
b) gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373,
c) Steuerhehlerei im Falle des § 374 Abs. 2,
- 3. aus dem Arzneimittelgesetz:
Straftaten nach § 95 Abs. 1 Nr. 2a unter den in § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe b genannten Voraussetzungen,
- 4. aus dem Asylverfahrensgesetz:
a) Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3,
b) gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,
- 5. aus dem Aufenthaltsgesetz:
a) Einschleusen von Ausländern nach § 96 Abs. 2,
b) Einschleusen mit Todesfolge und gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
- 6. aus dem Außenwirtschaftsgesetz:
vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes,
- 7. aus dem Betäubungsmittelgesetz:
a) Straftaten nach einer in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,
b) Straftaten nach den §§ 29a, 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,
- 8. aus dem Grundstoffüberwachungsgesetz:
Straftaten nach § 19 Abs. 1 unter den in § 19 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen,
- 9. aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:
a) Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3 und § 20 Abs. 1 und 2 sowie § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21,
b) Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3,
- 10. aus dem Völkerstrafgesetzbuch:
a) Völkermord nach § 6,
b) Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7,
c)Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12,
- 11. aus dem Waffengesetz:
a) Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3,
b) Straftaten nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Abs. 5 und 6.
Die Maßnahme der Telefonüberwachung wird in der Regel durch einen Gerichtsbeschluss angeordnet. Wenn die Staatsanwaltschaft Gefahr im Verzug annimmt, kann die Ermittlungsmaßnahme auch durch die Staatsanwaltschaft angeordnet werden.
Positions- und Standortmeldungen mit dem „IMSI-Catcher“
IMSI (International Mobile Subscriber Identity) meint eine international exklusiv vergebene Gerätenummer, die es erlaubt, jedes Mobiltelefon zu identifizieren. Es ist damit möglich, das verwendete Handy unabhängig von der verwendeten SIM-Karte oder der erfolgten Registrierung zu erkennen. Wenn die Behörden Sichtkontakt haben und das verwendete Handy mit dem IMSI-Catcher erfassen, können danach die Maßnahmen zur Telefonüberwachung geschaltet werden. Es ist zusammenfassend eine Vorschaltmaßnahme zur Identifizierung der Kommunikationsmittel, damit die Überwachung nach § 100a StPO beginnen kann.
Aktuelle Beiträge zum Thema Verhaltenstipps – Telefonüberwachung
Datenträger der TKÜ müssen überlassen werden
Datenträger der TKÜ müssen überlassen werden 01. Dezember 2015Das Landgericht Bremen hat mit der Verfügung vom 16.06.2015 – 4 KLs 500 Js 63429/14 die Rechte der Verteidigung...
Nehmen Sie jetzt Kontakt zum Anwalt Ihres Vertrauens auf
Wenden Sie sich für weitere Fragen gerne an unsere Kanzlei und vereinbaren einen Beratungstermin per Telefon, per Videoanruf oder vor Ort in unseren Kanzleiräumlichkeiten in Berlin, Hamburg oder München.