Ohne Attest eine Prüfung versäumt – ein Exmatrikulationsgrund in Corona-Zeiten?
Die Studien- und Prüfungsordnungen der verschiedenen Hochschulen enthalten stets ähnliche Vorschriften, wenn es um die Konsequenzen einer versäumten Prüfung geht: Wer nicht zu einer Prüfung antritt und dafür keinen wichtigen Grund hat, muss damit rechnen, dass die Prüfung mit „nicht bestanden“ bewertet wird. Der wichtige Grund, meist eine zur Prüfungsunfähigkeit führende Erkrankung, ist regelmäßig innerhalb kürzester Zeit anzugeben und glaubhaft zu machen. Dabei spielen naturgemäß ärztliche Atteste eine entscheidende Rolle.
Wem es nicht gelingt, den wichtigen Grund für das Fernbleiben in ausreichendem Maße zu belegen, dem drohen häufig weitreichende Konsequenzen. Denn nach vielen Prüfungsordnungen können einzelne Prüfungen eines Studiengangs nur begrenzt wiederholt werden, und sobald alle Prüfungsversuche erfolglos ausgeschöpft sind, erfolgt automatisch die Exmatrikulation. Das kann das Ende eines über Jahre hinweg verfolgten Berufswunsches bedeuten.
Drohende Probleme mit Attesten, wenn man während Corona nicht zu einer Prüfung erscheint
Die hochschulrechtlichen Vorschriften zu den Folgen versäumter Prüfungen und zum Erfordernis, einen Verhinderungsgrund zügig glaubhaft zu machen, sind grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden. Vor dem Hintergrund, dass Studienplätze in vielen Fächern ein rares Gut sind, beugen sie missbräuchlichem Verhalten vor. In Zeiten der Corona-Pandemie können diese Vorschriften aber für tatsächlich krankheitsbedingt verhinderte Prüfungskandidaten zu ungeahnten Problemen führen. Denn wenn die Hochschulen ihre Prüfungsanordnungen so wie zu normalen Zeiten anwenden und in jedem Fall von Studierenden ein Attest oder einen ähnlichen Nachweis verlangen, kollidiert das in bestimmten Fällen mit staatlichen Vorgaben und Empfehlungen zur Pandemiebekämpfung.
Was das Robert-Koch-Institut und die Hochschulen Studenten mit Erkältungssymptomen eigentlich empfehlen
Erkrankt jemand und weist die typischerweise unspezifischen Symptome auf, die sowohl zu gewöhnlichen grippalen Infekten als auch zu einer Covid-19-Erkrankung passen können, soll er sich nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für mindestens fünf Tage zuhause auskurieren. Vor dem nächsten Kontakt mit Menschen soll er mindestens weitere 48 Stunden symptomfrei sein.
Muss ich unbedingt ein Attest vorweisen, wenn ich wegen Corona-Verdacht nicht zur Prüfung erscheine?
Wie aber kann man in einer solchen Situation seine Erkrankung und damit den wichtigen Grund für das Fehlen bei der Hochschule hinreichend glaubhaft machen, wie es die Prüfungsordnungen verlangen? Noch relativ einfach ist das, wenn man vor Krankheitsbeginn bekanntermaßen Kontakt zu einer nachweislich positiv auf das Corona-Virus getesteten Person hatte. In diesem Fall wird das zuständige Gesundheitsamt (solange es nicht überlastet ist) zeitnah einen Corona-Test anordnen und in jedem Fall zunächst eine Quarantäneanordnung aussprechen, die man dann bei dem Prüfungsorgan seiner Hochschule einreichen kann.
Was passiert, wenn ich wegen Corona-Verdacht eine Prüfung verpasse, aber keine Quarantäneanordnung und kein Attest bekomme?
Kompliziert wird die Lage, wenn man zwar zu Covid-19 passende Symptome aufweist, es aber unbekannt ist, ob man zu einer infizierten Person Kontakt hatte. Dann erfüllt man nämlich meist nicht die Voraussetzungen, die nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für einen Corona-Test bestehen. Zugleich sind dann regelmäßig auch die rechtlichen Voraussetzungen für eine staatliche Quarantäneanordnung nicht erfüllt. Als Ausweg, um der Hochschule den Grund für das Nichterscheinen glaubhaft zu machen, bleibt nur ein ärztliches Attest. Wer aber den oben genannten Empfehlungen folgt, sich zuhause zu isolieren, kann sich auch nicht zur Arztpraxis begeben. Erst seit dem 19. Oktober 2020 ist nach einer Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses im Gesundheitswesen bei Covid-verdächtigen Symptomen wieder eine telefonische Krankschreibung möglich. Wenn sich jedoch ein Prüfungskandidat im Sommer und Frühherbst vor diesem Zeitpunkt mit Covid-verdächtigen Symptomen zuhause isoliert hat, konnte er auch nicht an ein ärztliches Attest gelangen.
Was heißt all das nun konkret auf hochschulrechtlicher Ebene? Die Anforderungen, die dafür bestehen, einen wichtigen Verhinderungsgrund für eine Prüfung glaubhaft zu machen, müssen in solchen besonderen Konstellationen wohl abgesenkt werden. Die zuständigen Prüfungsorgane können schließlich von Studierenden nicht mehr an Nachweisen verlangen, als diesen möglich und zumutbar ist. In bestimmten Fällen könnte es damit möglicherweise genügen, lediglich den Umstand der Erkrankung und den eigenen Verdacht, mit dem Corona-Virus infiziert zu sein, beim Prüfungsorgan anzugeben. Eine Bewertung der Prüfung mit „nicht bestanden“ und gegebenenfalls eine deshalb erfolgende Exmatrikulation wären in einer solchen Konstellation rechtlich fehlerhaft, wenn sie mit der Begründung ergingen, dass ein ordnungsgemäßer Nachweis des Hinderungsgrundes fehlt. Wie die Verwaltungsgerichte diese vor der Corona-Pandemie kaum vorhersehbare Problematik bewerten werden, bleibt allerdings abzuwarten.
Fazit
Die Corona-Pandemie wirkt sich auch im hochschulrechtlichen Bereich aus und führt dort zu bislang nicht aufgetretenen Problemen. Wer aufgrund staatlicher Empfehlungen und Vorgaben zur Pandemiebekämpfung weder eine Quarantäneanordnung noch ein ärztliches Attest zum Nachweis seiner Prüfungsverhinderung einreichen konnte, sollte gegen eine auf das Fehlen solcher Nachweise gestützte Bewertung der Prüfung mit „nicht ausreichend“ gegebenenfalls rechtlich vorgehen. Das gilt auch für eine auf einer solchen Bewertung beruhende Exmatrikulation.