Vermieter muss negative Bewertungen hinnehmen

Vermieter muss negative Bewertungen hinnehmen. Screenshot Bewertungen (Foto: © Norman Buse)

BVerfG: Vermieter muss negative Bewertungen hinnehmen

19.08.2016 | Medien- und Wirtschaftsrecht

Am 29.06.2016 hat das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvR 3487/14) erneut ein vorinstanzliches Urteil aufgehoben. Es entschied, dass wahre Tatsachenbehauptungen über Vorgänge aus der Sozialsphäre grundsätzlich hinzunehmen sind.

Sachverhalt: Lieber gleich geschuldetes Geld zahlen und keine schlechten Beurteilungen riskieren

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen eine zivilgerichtliche Verurteilung zur Unterlassung.

Er hatte eine Werkstattfläche von seinem Vermieter gemietet. Dieser betreibt eine Immobilienfirma. Im Jahr 2007 kam es zu einem Rechtsstreit um Rückzahlungsansprüche des Beschwerdeführers. Es endete in einem Vergleich, wo der Immobilienmakler sich zu einer Zahlung von 1.100 € verpflichtete. Nach drei Monaten erhielt der Beschwerdeführer dann einen Brief von dem Makler, wo dieser um die Möglichkeit einer Ratenzahlung bat. Dies lehnte der Beschwerdeführer ab. Eine Zahlung des geschuldeten Geldes blieb daraufhin zunächst aus. Es wurde ein Zwangsvollstreckungsauftrag erteilt und eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt.

Kurze Zeit später erfolgte die vollständige Begleichung des geschuldeten Geldbetrages. Das Ermittlungsverfahren gegen den Immobilienmakler wurde daraufhin eingestellt.

Drei Jahre später nutzte der Beschwerdeführer ein Internetportal zur Bewertung von Firmen. Mithilfe der Bewertungsfunktion hinterließ der Beschwerdeführer folgenden Eintrag:
„Ende 2007 war ich leider gezwungen Herrn … bezüglich der Rückgabe meiner Mietkaution vor dem Amtsgericht Hamburg-Wandsbek zu verklagen. Im November 2008 bekam ich dann vom Amtsgericht … einen Titel, der Herr … verpflichtete, 1.100 € an mich zu zahlen. Am 3.1.2009 bekam ich einen Brief von Herrn …, in dem er angeboten hat, die 1.100 € in 55 Monatsraten á 20 € zu bezahlen, da es ihm zur Zeit nicht möglich ist, die 1.100 € in einer Summe zu zahlen. Erst nach Einschalten der Staatsanwaltschaft … und dem zuständigen Gerichtsvollzieher hat Herr … dann Ende Februar 2009 gezahlt. Mit Herrn … werde ich bestimmt keine Geschäfte mehr machen.“

Daraufhin begehrte der Immobilienmakler die Unterlassung solcher Äußerungen.

Das zuständige Gericht stellte nach einer Abwägung fest, dass die angegriffenen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen würden und daher die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers zurücktreten müsse.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass wahre Tatsachen aus dem Bereich der Sozialsphäre zwar nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen untersagt werden dürfen, da im Bereich der Sozialsphäre dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein tendenziell größeres Gewicht zuzuerkennen sei. Allerdings handele es sich hierbei um einen Vorwurf der mittelbaren Kriminalität und zusätzlich um eine Zeitspanne von drei Jahren zum bereits eingestellten Ermittlungsverfahren. Zudem komme nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Berichterstattung mit Namensnennung über strafrechtliche Ermittlungsverfahren nur in Fällen schwerer Kriminalität oder bei Straftaten in Betracht, die die Öffentlichkeit besonders berührten.

Es ist daher unter Berücksichtigung der geschäftlichen Tätigkeit des Immobilienmaklers von einer solchen hohen Beeinträchtigung auszugehen und demgegenüber lasse sich zum Zeitpunkt der Verbreitung kein erhebliches öffentliches Interesse erkennen.

Entscheidung: Schleppende Zahlungsmoral ist für potentielle Kunden von hohem Informationsinteresse

Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung und rügt die Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

Das Bundesverfassungsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Erwägungen des vorinstanzlichen Gerichts nicht ausreichend der Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit gerecht werden.

Es handelt sich bei den angegriffenen Äußerungen um Tatsachenbehauptungen, die zu einer Meinungsbildung beitragen. Dabei wird die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung erst überschritten, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden befürchten lässt, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht.

Auch die Nennung des Namens im Rahmen einer solchen der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglicher Bewertung ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Es muss nur beachtet werden, dass die für den Genannten entstehende Nachteile im rechten Verhältnis zur Schwere des geschilderten Verhaltens oder der sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen. Das heißt, der Eingriff in die persönliche Sphäre darf nicht weiter gehen als die angemessene Befriedigung des Informationsinteresses dies erfordert.

Genau hierbei kommt das Bundesverfassungsgericht zu einem anderen Ergebnis als die Vorinstanz. Trotz der vom Beschwerdeführer erstatteten Anzeige wird dem Kläger keine strafrechtlich relevante Handlung vorgeworfen, sondern lediglich eine schleppende Zahlungsmoral. Auch die Nennung des Namens steht nicht außer Verhältnis zum geschilderten Verhalten. Es ist hierbei ein öffentliches Informationsinteresse möglicher Kunden des Immobilienmaklers zu bejahen. Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände lässt sich nicht erkennen, dass dem Makler ein unverhältnismäßiger Verlust seiner sozialen Achtung droht.

Auch die Tatsache, dass die Anzeige des Beschwerdeführers erst drei Jahre nach der Beendigung des Ermittlungsverfahrens erfolgte, ist nicht dahingehend zu bewerten, dass das allgemeine Persönlichkeitsrechts des Immobilienmaklers überwiegt.

Es wäre im Gegenteil eine unverhältnismäßige Einschränkung der Meinungsfreiheit, wenn man nach einer solchen Zeitspanne im Rahmen einer subjektiven Bewertung eigenerlebte unstreitig wahre Tatsachen nicht mehr äußern dürfte.

Dabei ist ebenfalls anzumerken, dass in diesem konkreten Fall der Zeitpunkt der geschilderten Ereignisse klar erkennbar ist, und dass die Äußerungen auf den Portalen als Bewertung veröffentlicht wurden.

Im Ergebnis ist die Verfassungsbeschwerde begründet und das Bundesverfassungsgericht hebt die streitige zivilgerichtliche Verurteilung wieder auf.

Fazit: Die Verbreitung wahrer Tatsachen aus der Sozialsphäre muss grundsätzlich hingenommen werden

Dieser Beschluss zeigt, dass die Mitteilung wahrer Tatsachen über Vorgänge aus der Sozialsphäre, also dem Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht, in der Regel vom Betroffenen hingenommen werden muss. Die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung werde in solchen Fällen regelmäßig erst überschritten, wo sie einen Persönlichkeitsschaden befürchten lässt, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Das sei hier jedoch nicht der Fall gewesen.

Weitere Informationen zur rechtlichen Zulässigkeit von Rezensionen finden Sie hier: Vorgehen gegen negative Bewertungen im Internet.


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