Symbolbild (Foto: © Norman Buse)

Dürfen fachliche Äußerungen bzw. Zitate ohne Erlaubnis in einer Werbeanzeige verwendet werden?

24.01.2022 | Medien- und Wirtschaftsrecht

Diese Frage musste kürzlich das Oberlandesgericht Köln in einem Berufungsverfahren zum Persönlichkeitsrecht entscheiden (Urteil vom 28.10.2021, Az. 15 U 230/20).

Was war genau passiert?

Der Kläger, ärztlicher Direktor einer Abteilung einer Universitätsklinik, legte Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 04.11.2020 -28 O 69/20 – ein, nachdem er keine Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte geltend machen konnte.

Die Beklagte hatte in einer einmalig geschalteten Werbeanzeige ein Produkt gegen das Reizdarmsyndrom (RDS) beworben. Im Zuge dieser Anzeige hatte die Beklagte den Kläger, ohne Zustimmung oder Kenntnis, namentlich genannt und zitiert.

Der Kläger begründete die Berufung damit, dass es zu einer werblichen Ausnutzung seines Namens komme, da er besonderes Ansehen genieße. Es würde nicht nur um die äußerliche Gestaltung der Anzeige gehen. Sein Name sei mehrfach im Fließtext und zusätzlich in der Fußnote aufgeführt worden, um besondere Aufmerksamkeit zu wecken, da er einen für deutschsprachige Leser eher ungewohnten Name habe.

Wenn es nur um die wissenschaftlichen Aussagen der Zitate gehen würde, wäre es ebenso zweckdienlich gewesen, ihn als Quelle der Zitate nur in die Fußnoten zu setzen. Stattdessen wäre sein Name mehrfach im Fließtext genannt worden, was zu einer verstärkten Verknüpfung mit dem beworbenen Produkt führte.

Das Landgericht führte im vorherigen Urteil aus, dass ein durchschnittlicher Leser aufgrund des äußerlichen Aufbaus des Artikels den informativen Teil gut von der Werbung für das RDS-Produkt trennen könne.

Der Kläger bemängelte diese Auffassung. Selbst wenn er nur mit allgemein medizinischen Einschätzungen zitiert worden sei, sei die Anzeige doch so aufgebaut, dass er automatisch mit dem Produkt in Verbindung gebracht werde.

Ebenso argumentierte der Kläger, dass gerade Aussagen von ihm zitiert wurden, die für das Produkt und dessen Behandlungsmethode sprechen würden. So würde er als Befürworter für das Produkt wahrgenommen werden und nicht als neutrale Quelle in einem sachlich informativen Artikel.

Außerdem führte der Kläger aus, dass er in seinem Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG verletzt sei auch wenn der Artikel ihn weder negativ darstelle noch kontroverse Zitate als Aufreißer für den Artikel verwende.

Der durchschnittliche Leser einer medizinischen Fachzeitschrift sei sowieso nicht von reißerischen Äußerungen für das Produkt einzunehmen, sondern durch den sachlichen Ton des Artikels. Sie würden auf die Aussagen eines Experten wie ihm vertrauen und automatisch annehmen, dass er, wenn er in diesem Zusammenhang zitiert werde, auch für dieses Produkt plädiere.

Folglich nutze der Artikel dadurch sein Ansehen in medizinischen Kreisen aus.

Die Beklagte verteidigte die vom Kläger angefochtene Entscheidung unter Vertiefung ihrer bereits vorgebrachten Argumente.

Sie betonte insbesondere, dass die mehrfache Nennung des Namens ohne Hervorhebung in einem langen Fließtext keine aufmerksamkeitserhaschende Maßnahme sei.

Außerdem sei zu bestreiten, dass der Kläger dem durchschnittlichen Leser der Beklagten bekannt sei oder das dieser gar ein besonderes Ansehen genieße.

Im erstinstanzlichen Urteil stellte das Landgericht fest, dass der äußerliche Aufbau des Artikels nicht den Eindruck vermittle, dass eine Verbindung zwischen Kläger und Produkt existiere. Die Verwendung des Namens des Klägers sei noch keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, da dieser nicht zu werblichen Zwecken oder zur Erhöhung der Aufmerksamkeit genutzt würde, sondern rein der fachlichen Information zum Thema diene. Der Kläger sei ein Experte auf dem Thema der Behandlung des RDS und würde dementsprechend als Quelle dafür genutzt.

Wie entschied das OLG Köln diesen Fall?

Das Oberlandesgericht bestätigte das Urteil des Landgerichts und wies die Klage als unbegründet zurück. Ein Unterlassungsanspruch aus §1004 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG entfiele.

Zwar müsse es dem Namensträger selbst überlassen sein, wie und ob sein Name in der Öffentlichkeit in Erscheinung trete, vor allem wenn dies ohne Zustimmung oder Kenntnis des Namensinhabers geschehe, doch sei ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht deshalb nicht gleich rechtswidrig.

In diesen Fällen müsse es, wie so häufig im Persönlichkeitsrecht, zu einer Interessenabwägung kommen. Maßgeblich für diese Abwägung sei der Informationswert der Veröffentlichung und die Verhältnismäßigkeit. Nicht jeder banale Anlass dürfe zur Namens- und Bildverwendung genutzt werden.

Der Beitrag müsse zur öffentlichen Meinungsbildung mit nicht nur geringem Informationswert beitragen. Ansonsten dürften die Interessen der von der Namensnennung betroffenen Person nicht hinter die Interessen der Beklagten zurücktreten.

Ebenfalls dürfe keine einfache Aufmerksamkeitswerbung vorliegen, welche den Image- oder Werbewert der Person ausnutze, indem die Person als Vorspann für das darauffolgende Produkt verwendet werde.

In der Werbeanzeige werde die Thematik des RDS mit den vom Kläger gemachten Äußerungen verknüpft. Und selbst wenn die wissenschaftliche Tiefe des Artikels in der Fachzeitschrift nicht sonderlich hoch sei, könne es trotzdem zu einem Denkanstoß für interessierte Leser führen, die sich dann bezüglich alternativer Behandlungsmethoden vom RDS weiterbilden wollten.

Ebenfalls könne ausgeschlossen werden, dass durch die Verwendung von Zitaten des Klägers eine Aufmerksamkeitswerbung geschaffen werde. Es sei nicht feststellbar, dass der Kläger im Kreis von durchschnittlichen Lesern von ärztlichen Fachzeitschriften so bekannt wäre wie beispielsweise ein bekannter Moderator einer Quizshow.

Da die streitgegenständliche Frage jedoch zu Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung maßgeblich ist, wurde vom OLG die Revision zugelassen. Sofern der Kläger die Sache weiterverfolgen möchte, kann nun des Bundesgerichtshof eine höchstrichterliche Entscheidung treffen.

Fazit: Was gilt für die ungefragte Veröffentlichung von Zitaten/ Äußerungen in Werbeanzeigen?

Grundsätzlich obliegt es dem Namensträger selbst, ob und wie sein Name in der Öffentlichkeit, hier in einer Werbung, dargestellt wird. Besonders dann, wenn dies ohne Zustimmung oder Kenntnis des Namensträgers passiert. Falls der Name jedoch ohne Zustimmung verwendet wird, ist ein solcher Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht automatisch rechtswidrig. Ausschlaggebend für die Entscheidung ist eine Abwägung der gegensätzlichen Interessen.

Im vorliegenden Fall kam es zu einer Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers nach Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG und dem von Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interessen der Beklagten mit dem Ergebnis, dass die Meinungs- und Berufsfreiheit überwog.

Die Frage, wann sich eine Person die ungefragte Werbung mit seinem Namen oder sonstigen Persönlichkeitsmerkmalen gefallen muss, ist immer wieder Gegenstand von Rechtsstreitigen bzw. unserer anwaltlichen Tätigkeit. Häufig geht es dabei um die Frage, ob eine Verwendung durch die Satire- oder Kunstfreiheit gedeckt ist.

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