Justitia Standfigur (Foto: © Dietmar Schmidt)
Iglo verliert (zu Recht) Wettbewerbsprozess mit Appel Feinkost
Wer kennt ihn nicht? Den sympathischen in die Jahre gekommenen Kapitän, der uns seit Jahren aus der Kühltheke entgegenlächelt. Richtig, es handelt sich um Käpt’n Iglo! Jüngst bekam dieser bärtige Herr Konkurrenz von einer Werbefigur des Mitbewerbers der Iglo GmbH, nämlich von der Appel Feinkost GmbH & Co. KG mit Sitz in Cuxhaven. Oder doch nicht?
Darum ging es im Rechtsstreit vor dem Landgericht München I (Urt. v. 03.12.2020, Az. 17 HK O 5744/20)
Ebenjene Frage wurde am 03. Dezember 2020 vor dem Landgericht München I erstinstanzlich diskutiert. Im Raum stand der Vorwurf des Hamburger Tiefkühlkostherstellers Iglo GmbH, dass es sich bei einer aktuellen Werbung von Appel Feinkost um unlautere irreführende Werbung handelt. Vorab: Beide Unternehmen sind auf Fischprodukte spezialisiert und Iglo hatte seinen Käpt’n Iglo als Bildmarke beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eintragen lassen, was die wettbewerbsrechtliche Relevanz dieses Symbols für das Unternehmen indiziert. Appel hingegen hat den typischen roten Schriftzug „Appel“ auf blauem Hintergrund mit Hummer und dem Untertitel „Köstlich fein“ als Bildmarke eintragen lassen. Berücksichtigt man diesen Faktor und den Umstand, dass es sich bei dem Streitgegenstand um Werbung handelt, geht es hier um keine markenrechtliche, sondern um eine wettbewerbsrechtliche Streitfrage.
Die streitgegenständliche Werbung zeigt einen betagten Herren mit grauem Bart, gekleidet in einen grauen Anzug mit Weste, blauer Krawatte, Kappe und Schal vor maritimem Hintergrund und insbesondere vor einem berühmten Leuchtturm in Cuxhaven stehend.
Das Landgericht München I wies die Klage von Iglo als unbegründet zurück, da in der Werbung von Appel zum einen freihaltungsbedürftige Motive enthalten seien und zum anderen keine Verwechslungsgefahr zwischen dem „Appel-Mann“ und Käpt’n Iglo bestünde. Die freihaltungsbedürftigen Motive seien im vorliegenden Fall die Küste, eine Seemöwe, der Himmel und das typische stürmische Wetter sowie der Leuchtturm bzw. das Leuchtturmdenkmal Obereversand.
Keine irreführende Werbung i.S.d. § 5 Abs. 2 UWG
Die mangelnde Verwechslungsgefahr, und damit der Ausschluss einer irreführenden Werbung i.S.d. § 5 Abs. 2 UWG, sei laut LG München I durch die ausgeprägte Unterscheidungskraft beider Protagonisten gegeben. Eine entsprechende Verbraucherumfrage ergab, dass der Mann aus der Appel-Werbung nicht als ein Schiffskapitän identifiziert, geschweige denn mit Käpt’n Iglo verwechselt werde. Vielmehr erkenne der durchschnittliche Verbraucher, dass es sich bei der Kappe des Mannes nicht um eine Kapitänsmütze, sondern um ein typisches Modeaccessoire in Küstengebieten handelt: die Elblotsenmütze. Insgesamt mache der Mann einen elegant gekleideten und gut betuchten Eindruck, ohne dabei mit blauem Kapitänsanzug aufzuwarten.
Außerdem enthalte die streitgegenständliche Werbung eine klar erkennbare Herkunftsbezeichnung, die letztlich eine Verwechslungsgefahr nach Ansicht des Landgerichts München ohne jeden Zweifel ausschließt. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Die Debatte um den urheberrechtlichen Schutz von „Character Merchandising“ hält schon einige Jahre an und hat von literarischen Figuren, über TV-Helden bis hin zur Werbefiguren wie Käpt’n Iglo und Frau Antje alles zum Gegenstand, was einem Unternehmen die Möglichkeit bietet, sich durch Personalisierung von den Mitbewerbern abzuheben. Die Debatte dreht sich zu einem Teil um die Frage, ob Werbefiguren durch die naturgemäße mangelnde Möglichkeit der Individualisierung und vor allem Kontextualisierung überhaupt Schutzgegenstand des UWG sein können.
Allerdings ist mittlerweile anerkannt, dass Werbefiguren allein aufgrund ihrer optischen und charakterlichen Merkmale auch unabhängig vom Kontext geschützt sind, da diese Aspekte den Anforderungen an das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung i.S.d § 2 Abs. 2 UrhG und ihrer Individualität genügen. Für den wettbewerbsrechtlichen Schutz bedeutet das im Grunde einen großen Vorteil: Durch die Unabhängigkeit von bestimmten Szenarien, Örtlichkeiten oder anderen kontextbezogenen Aspekten wird ein weitaus umfassenderer Schutz geboten als es beispielsweise bei komplexen literarischen Figuren der Fall ist.
Das heißt für den vorliegenden Fall, dass der maritime Hintergrund ohnehin nicht schutzwürdig ist und in der Konsequenz dessen Benutzung zu Werbezwecken nicht unlauter sein kann. Das Landgericht hat diesen daher zutreffend als freihaltungsbedürftig eingestuft.
Es kommt also einzig und allein auf den Käpt’n Iglo als einzelne Werbefigur an und inwiefern die optischen und charakterlichen Merkmale als Produkte persönlicher geistiger Schöpfung von einem Mitbewerber kopiert wurden. Optisch unterscheiden sich der Käpt’n Iglo und die Werbefigur von Appel wie bereits erläutert durch verschiedenfarbige Kleidung und vor allem durch den Umstand, dass der Käpt’n stets uniformiert präsentiert wird und sich die Appel-Werbefigur im Gegensatz durch einen gehobenen Casual-Look auszeichnet.
Charakterlich wird der Käpt’n Iglo als Kinderfreund und ein liebenswürdiger alter Mann verkauft. Der Mann in der Appel-Werbung hingegen ist offensichtlich Model, das eher Attraktivität und Weltgewandtheit denn großväterliche Gutmütigkeit ausstrahlt. Damit unterscheiden sich beide Werbefiguren signifikant in ihrem Image, was in letzter Konsequenz den Kern ihrer Individualität ausmacht.
Wie es in diesem Wettbewerbsstreit weitergehen kann
Es bleibt abzuwarten, ob die Iglo GmbH Berufung einlegen wird. Wenn dies nicht geschieht, ist die Klage rechtskräftig abgewiesen. Sollte hingegen in die nächste Instanz gegangen werden, hat sodann das OLG München zu entscheiden. Ob in 2. Instanz eine andere Entscheidung getroffen wird, darf auf Grund der nachvollziehbaren Argumente des Ausgangsgerichts bezweifelt werden.
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