Darf ich Kunden von der Konkurrenz abwerben?

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Ein Beitrag zur Frage, wann das Abfangen bzw. Abwerben von Kunden eines Mitbewerbers wettbewerbswidrig ist.

Die Wirtschaft und ihr Triebwerk, der Wettbewerb, werden maßgeblich durch das Ziel geprägt, besser und attraktiver als die Konkurrenz zu sein und in der Folge mehr Kunden gewinnen zu können bzw. die Bestandskunden des Mitbewerbers sogar zum Wechseln des Vertragspartners zu bringen.

Grundsätzlich gilt dabei: Sowohl das Abfangen als auch das Abwerben von Kunden sind „Wesen des freien Wettbewerbs“ und somit grundsätzlich lauterkeitsrechtlich zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.2011, Az.: I ZR 124/99; OLG München, Urteil vom 01.03.2012, Az.: 23 U 3746/11).

Doch ähnlich wie beim Abwerben von Mitarbeitern, handelt es sich hierbei stets um Regel-Ausnahme-Konstellationen. Das heißt, dass auch beim „Ausspannen“ von Kunden eines Mitbewerbers einige Regeln und Beschränkungen zu beachten sind, um einen lauteren bzw. fairen und unverfälschten Wettbewerb zu erhalten.

Grundsätzliche Zulässigkeit von Absatzbehinderung?

Im Gegensatz zum Abwerben von Mitarbeitern, das eine Betriebsbehinderung darstellt, handelt es sich beim Abwerben von Kunden um eine Form der Absatzbehinderung. Diese kann sich vom bereits bestehenden Kundenstamm bis hin zu noch potentiellen Kunden erstrecken. Da es sich dabei um zwei grundverschiedene Sachverhalte handelt, unterscheidet man zwischen dem Abfangen und dem Abwerben als den zwei Methoden der Kundengewinnung, wobei sich ersteres auf die potentielle Kundschaft bezieht, die dem Konkurrenten allerdings schon zuzurechnen ist.

Stellt sich nun die Frage, welche unzulässigen Ausnahmen von diesen grundsätzlich wettbewerbsfördernden Methoden existieren und wie man sich gegen derartige Verstöße gegen das UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) wehren kann.

Abfangen von Kunden – Welche lauterkeitsrechtlichen Grenzen müssen beachtet werden?

Das Abfangen von potentiellen Kunden des Mitbewerbers ist erst dann rechtswidrig, wenn sie 1. tatsächlich dem Konkurrenten zuzurechnen sind und 2., wenn die angewandte Methode in unangemessener auf die Entscheidungsfindung des Kunden einwirkt. Tritt lediglich einer dieser Tatbestände auf, ist das Abfangen im konkreten Fall nicht unlauter.

1. Voraussetzung: Zurechenbarkeit zum Mitbewerber

Erst ab dem Zeitpunkt, ab welchem der Kunde einem Wettbewerber zurechenbar ist, jedoch von seinem Konkurrenten abgefangen wird, entsteht dem betroffenen Unternehmen ein finanzieller Verlust, der sich im Absatz niederschlägt. Um den Wettbewerb möglichst fair zu gestalten, darf „der Begriff des zum Kauf entschlossenen Kunden nicht zu eng verstanden werden“ (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 06.10.2016, Az.: 6 U 61/16). Der Kunde muss also, bildlich gesprochen, nicht bereits mit dem Produkt in der einen Hand und dem Geldschein in der anderen an der Kasse stehen, um einen Bindungswillen kenntlich zu machen. Vielmehr ist die Zurechenbarkeit bereits dann gegeben, wenn der Kunde eine dem eigentlichen Geschäft vorgelagerte Entscheidung trifft. Darunter fällt bspw., sich in die Geschäfts- bzw. die Verkaufsstelle zu begeben, um sich einen Eindruck des Geschäftsmodells oder der Atmosphäre zu machen oder sich auch nur den Internetauftritt anzusehen. Diese weite Auslegung umfasst folglich sämtliche auf den Mitbewerber bezogenen geschäftlichen Entscheidungen, die ganz unabhängig davon getroffen werden, ob der Kunde bzw. der Verbraucher sich letztlich dafür entscheidet, das Geschäft abzuschließen oder nicht.

2. Voraussetzung: Unangemessenem Einwirken auf die Entscheidungsfindung

Der zweite Prüfungspunkt wird durch das Einwirken auf den potentiellen Kunden geprägt. Dieses muss an und für sich schon unangemessen sein und den Verbraucher bzw. Kunden letztlich zu einer Entscheidung bewegen, die er ohne das Einwirken nicht getroffen hätte.

Das Handeln des abfangenden Mitbewerbers kann dabei ganz verschieden ausgeprägt sein, wobei die §§ 3 ff. UWG die zentralen Normen darstellen, unter deren Tatbestände sich das Handeln jeweils subsumieren lassen müsste, um einen Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht zu begründen:

a) Aggressive Beeinflussung

§ 4a Abs. 1 UWG: „Unlauter handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen durch

  1. Belästigung,
  2. Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt oder
  3. Unzulässige Beeinflussung.

Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.“

Dass eine aggressive Beeinflussung i.S.d. § 4a UWG, also eine objektiv aggressive geschäftliche Handlung, nach § 3 Abs. 1 UWG verboten ist, dürfte ohne weiteres offenkundig sein. Überdies kann eine solche Beeinflussung auch noch eine gezielte Behinderung des Mitbewerbers gem. § 4 Nr. 4 UWG als verfolgtes subjektives Ziel darstellen.

Praktisch denkbar sind Szenarien, in welchen Verbraucher oder andere Markteilnehmer unter Androhung von Gewalt oder durch Erpressung daran gehindert werden, mit dem Mitbewerber einen Vertrag abzuschließen. Handelt es sich bei allen Parteien um Unternehmen, könnte aufgrund der steigenden Relevanz von Bewertungsportalen auch mit negativen Massenbewertungen gedroht werden.

Dagegen sind Fallsituationen, in denen ein Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher ausnutzt, seltener. Das wäre bspw. der Fall, wenn das Unternehmen sein eigenes Produkt oder seine Dienstleistung für den Fall des Vertragsabschlusses mit dem Konkurrenten verwehrt und dem Verbraucher daraus ein Nachteil entsteht. Dies würde folglich einen Fall von Ausnutzung wirtschaftlicher Macht darstellen; daneben kann auch rechtliche, soziale und sowie moralische Macht auf manipulierende Art und Weise ausgenutzt werden. Bei der Beurteilung einer tatsächlichen Machtausübung kommt es im Übrigen nicht auf eine reelle Machtposition an, vielmehr genügt es, wenn der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer davon ausgeht, dass das beeinflussende Unternehmen eine solche besitzt.

Bietet das abwerbende Unternehmen allerdings lediglich einen besseren „Deal“ an, liegt noch keine aggressive geschäftliche Handlung i.S.d. § 4a UWG vor und es wird auch keine Machtposition ausgenutzt (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 38. Auflage 2020, § 4a Rn. 1.60 f.).

– Frei nach dem Motto: Wer kann, der kann!

b) Irreführung durch Tun oder Unterlassen

Ferner handelt ein Unternehmer wettbewerbswidrig nach §§ 4, 5 oder 5a UWG, wenn er den Verbraucher durch Unterlassen irreführt oder ihm andersherum bewusst falsche Tatsachen vorgaukelt, sodass dieser den abfangenden Unternehmer bspw. irrig für den Vertragspartner hält:

§ 4 Nr. 4 UWG: „Unlauter handelt, wer Mitbewerber gezielt behindert.“

§ 5 Abs. 1 UWG: „Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben (…) enthält (…).“

§ 5a Abs. 2 UWG: „Unlauter handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält,

  1. die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und
  2. deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Als Vorenthalten gilt auch

  1. das Verheimlichen wesentlicher Informationen,
  2. die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise,
  3. die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.“

Kurzer Exkurs zur Systematik: Auf den ersten Blick könnte dem aufmerksamen Leser auffallen, dass sich § 5 Abs. 1 UWG und § 5a Abs. 2 UWG nicht nur dem Tatbestand (Tun vs. Unterlassen) nach unterscheiden, sondern scheinbar auch unterschiedliche Personengruppen schützen.

Der Wortlaut des § 5 Abs. 1 UWG schützt nämlich Verbraucher und sonstige Marktteilnehmern gleichermaßen, während § 5a Abs. 2 UWG hingegen nur den Verbraucher schützt. Nun drängt sich die Frage auf, ob die sonstigen Marktteilnehmer etwa nicht vor Irreführung durch Unterlassen geschützt werden. – Dem ist selbstverständlich nicht so! Die Formulierung liegt am Strukturaufbau des § 5a UWG: Liest man sich die gesamte Norm durch, wird ersichtlich, dass der Schutz der sonstigen Marktteilnehmer vor dem Verschweigen von geschäftsrelevanten Tatsachen nämlich bereits mit § 5a Abs. 1 UWG geregelt ist und tatsächlich auch nur (!) auf diese anwendbar ist. Warum? Der Aufbau einer jeden Norm spiegelt den Willen des Gesetzgebers (= Telos) wider und im vorliegenden Fall lässt sich daraus ableiten, dass durch das Einbringen des Verbrauchers im Wortlaut des zweiten Absatzes dieser auch nur auf diese anzuwenden ist und der erste Absatz unter Ausschluss der Verbraucher nun einmal für die restlichen Marktteilnehmer gilt, ohne dass diese explizit im Wortlaut enthalten sein müssen.

Was bedeutet das für die Praxis des Abfangens von fremden Kunden?

Sind die Tatbestände des § 5 UWG oder des § 5 Abs. 2 bis Abs. 6 UWG erfüllt, handelt das abwerbende Unternehmen rechtswidrig gegenüber dem Kunden, der lauterkeitsrechtlichen Schutz genießt. In der Regel liegt in einem solchen Verstoß auch noch eine gezielte Behinderung des Mitbewerbers gem. § 4 Nr. 4 UWG, welcher u.U. Schadensersatzansprüche aus § 9 UWG sowie Unterlassungsansprüche aus § 8 UWG begründet.

Zur Veranschaulichung einige Fallbeispiele:

Der BGH hatte im Jahr 1970 über einen Lieferfahrer geurteilt, der als Verkaufsfahrer Bier im Namen des klagenden Einzelhändlers an dessen Kunden lieferte. Dazu wurde ihm eine Kundenliste übergeben und er erhielt für den Verkauf eine entsprechende Provision. Nach einem Streit kündigte der Fahrer den Vertrag mit dem Kläger, behielt allerdings weiterhin die Kundenliste und arbeitete ab dem Zeitpunkt der Kündigung direkt mit der Brauerei zusammen; d.h. er lieferte deren Bier unter Verwendung der Kundenliste des Klägers aus und unterrichtete die Kunden nicht über die neue Situation.

Darin wurde ein sittenwidriger Verstoß des Wettbewerbsrechts i.S.d. § 1 UWG gesehen (vgl. BGH, Urteil vom 03.12.1969, Az.: I ZR 151/67 – Bierfahrer). Durch das Unterlassen der Unterrichtung der Kunden über die Änderungen führt der Beklagte diese derart in die Irre, dass ihnen die Entscheidungsmöglichkeit zugunsten des früheren Vertragspartners, nämlich des Klägers, genommen wird; mithin liegt eine Irreführung durch Unterlassen gem. § 5a Abs. 2 UWG vor. Darüber hinaus könnte im Handeln des Beklagten eine gezielte Behinderung des Klägers gem. § 4 Nr. 4 UWG liegen.

Das OLG Hamburg hatte 2003 einen sittenwidrigen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht durch eine Telefonauskunft bejaht, die unter dem Werbeslogan „Ihre Auskunft“ für sich geworben hat und eine Rufnummer zur Kontaktaufnahme angab, allerdings ohne an irgendeiner Stelle der Werbung den eigenen Unternehmensnamen zu erwähnen. Die Telefonnummer ähnelte in signifikanter Weise der Nummer für die Kontaktauskunft der größten deutschen Telekommunikationsdienstleisterin, die auch aus diesem Grund geklagt hat. Zum Vergleich: Die Nummer der Beklagten lautete damals 11881, die der Klägerin je nach gewünschter Sprache u.a. 11833, 11836 oder 11837.

Streitgegenstand war folglich die Verwendung der ersten drei Ziffern (118…) und das Unterlassen der Unternehmensnennung im Rahmen des streitgegenständlichen Werbeslogans. Dadurch wurde die Rufnummernverwechslung durch Verbraucher, die eigentlich die fest im Markt etablierte Klägerin um Auskunft bitten wollten, provoziert. Das OLG Hamburg erkannte darin einen verdeckten Kundenfang (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 22.05.2003, Az.: 3 U 18/03 – Telefonauskunft 11881).

Besonders aktuell und kontrovers diskutiert ist daneben die Irreführung gem. § 5a Abs. 6 UWG durch Unterlassen der Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks einer Werbung unter dem Gesichtspunkt der Schleichwerbung auf sozialen Netzwerken.

Dies könnte u.U. dem Ziel des Abfangens von Kunden dienen, wenn der Medienauftritt mangels Kennzeichnung als kommerziellen Zweck, d.h. als bezahlte Werbung, sympathischer und authentischer wirkt, sodass die Verbraucher sich im Zweifel für jene von der ggf. wettbewerbswidrig handelnden Person beworbenen Produkte entscheiden, weil es sich eher wie ein guter Tipp einer Freundin anfühlt. Diese Sachverhalte lassen sich allerdings nicht ohne Weiteres unter § 5a Abs. 6 UWG subsumieren, geht man von einer allgemein-offensichtlichen Kommerzialität des Profils aus (vgl. blauer Haken bei verifizierten Profilen von in der Öffentlichkeit stehenden Personen auf Instagram; vgl. dazu auch LG München, Urteil vom 29.04.2019, Az.: 4 HK O 14312/18 – Cathy Hummels ; a.A. dagegen LG Karlsruhe, Urteil vom 21.03.2019, Az.: 13 O 38/18 – Pamela Reif).

Mehr zu diesem Thema finden Sie unter https://www.kanzlei.law/aktuelles/wie-muss-ich-als-influencer-auf-instagram-co-werbung-markieren/ .

c) Auftragsmanipulation

Ohne Ausnahme unlauter ist es, die Aufträge an den Mitbewerber zum eigenen Vorteil und dessen Nachteil dahingehend zu manipulieren, dass Kundenaufträge unterdrückt oder umgeleitet werden (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 38. Auflage 2020, § 4 Rn. 4.27a).

Doch was kann man sich unter dem Begriff der Auftragsmanipulation überhaupt vorstellen? Ein beispielhafter Fallklassiker ist das Urteil „Zollabfertigung“ des BGH aus dem Jahre 1987, dem ein Streit zwischen zwei Speditionsfirmen zugrunde lag. Beide Unternehmen hatten ihre Büros zur Zollabfertigung von Frucht- und Gemüsetransporten für die städtische Großmarkthalle München auf demselben Gelände aufgestellt, wobei die beklagte Firma bereits am Eingangstor zum Gelände die Frachtpapiere kontrollierte. Auf diesen Papieren ist i.d.R. der Name der für die Zollabfertigung vorgesehenen Firma vermerkt. Die klagende Firma trug vor, dass ihre Mitbewerberin bewusst Frachtpapiere versuchsweise und tatsächlich einbehalten hätte, obwohl diese für die Klägerin vorgesehen waren (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.1987, Az.: I ZR 215/84 – Zollabfertigung). Es handelt sich hier um das ganz typische und wortwörtliche Abfangen von Aufträgen und ist damit ein hervorragendes, fast lehrbuchmäßiges Beispiel für Auftragsmanipulation. Denkbar sind daneben aber auch abstraktere Formen der Auftragsmanipulation:

Das OLG Hamburg hatte 2001 in seinem Urteil „AKUmed“ über die Frage entscheiden müssen, ob es wettbewerbswidrig sei, wenn ein für das Ausstellen von Medikamentenrezepten konzipiertes EDV-Programm (hier AKUmed) so eingestellt ist, dass es bei Eingabe des Original-Medikaments ein alternatives Produkt vorschlägt und die Preise beider Produkte ungefragt miteinander vergleicht. Das Abfangen von Kunden liegt dann darin, dass der Arzt sich bei Eingabe des Originalprodukts eigentlich bereits dafür entschieden hatte, jedoch durch die Voreinstellungen im Programm abgefangen wird bzw. werden könnte. Um diese Voreinstellung abzuschalten, müsste man in die Einstellungen gehen und aus vier Möglichkeiten die eine auswählen, mit der das Anbieten von Alternativen beendet wird. Das OLG Hamburg gab der Klage vollumfänglich statt, da es hierin eine unlautere Behinderung i.S.d. § 4 Nr. 4 UWG sah (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 15.02.2001, Az.: 3 U 126/99 – AKUmed).

Letztlich müssen diese und weitere Fallkonstellationen eines gemeinsam haben, um einen Verstoß i.S.d. § 4 Nr. 4 UWG darzustellen: Das abfangende Unternehmen muss seinem Mitbewerber gezielt schaden wollen, d.h. bewusst in ein fremdes (Vor-)Vertragsverhältnis eingreifen.

Um diese Vermutung zu bestätigen, genügt allerdings kein einmaliges, versehentliches Vorkommnis (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 38. Auflage 2020, § 4 Rn. 4.27a)!

d) Ausnutzen fremder Einrichtungen

Das Abfangen von Kunden mittels fremder Einrichtungen kann unlauter sein, wenn die vom Mitbewerber geschaffenen Einrichtungen für eigene Zwecke genutzt werden, aber kein Nutzungsentgelt entrichtet wird und somit eine gezielte Behinderung i.S.d. § 4 Nr. 4 UWG vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 07.10.2009, Az.: I ZR 150/07 – Rufumleitung).

Doch was genau fällt denn eigentlich unter den Begriff der „Einrichtung“? Ganz allgemein formuliert: Sämtliche Produktions- und Betriebsmittel, die im direkten Zusammenhang mit dem Absatzgeschäft stehen (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 38. Auflage 2020, § 4 Rn. 4.27b). Die Präzisierung dieser recht dehnbaren Formulierung lässt sich anhand der bisherigen Rechtsprechung vornehmen, wenngleich diese (noch) nicht abschließend ist.

Bisher wurde bspw. vom OLG Frankfurt das Abstellen von Taxis durch selbständige Taxifahrer auf einem von einer Taxivereinigung angemieteten Stellplatz zum Zwecke der eigenen Wettbewerbsförderung als gezielte Behinderung und somit als ein Verstoß i.S.d. § 4 Nr. 4 UWG erachtet (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 05.01.2017, Az.: 6 U 24/16). Damit stellt der Parkplatz eine fremde Einrichtung dar, die neben dem Missbrauch zur gezielten Schädigung des Mitbewerbers überdies zur Irreführung von Verbrauchern (Passagieren) gem. § 5 UWG geeignet sein kann, wenn sie daran gewohnt sind, an genau diesem Taxistellplatz in jene Taxis einzusteigen, welche sich dort sonst rechtmäßig mit einer Halteerlaubnis aufhalten.

Darüber hinaus entschied der BGH im Jahre 2007 in seinem Urteil „Rufumleitung“ den Rechtsstreit zwischen der Deutschen Telekom AG und einem Mobilfunknetzanbieter zu Ungunsten der Telekom. Es handelt sich um eine abstraktere Form des Ausnutzens fremder Einrichtungen, ist deswegen jedoch nicht weniger wegweisend: Die Telekom warb um neue Kunden mit dem Angebot, eine Rufumleitung aus dem Festnetz der Telekom in das Netz eines beliebigen Mobilfunknetzanbieters so umzuleiten, dass nicht mit der angewählten Mobilfunknummer, sondern mit dem Festnetzanschluss des Angerufenen, verbunden wird.

Benötigtes Hintergrundwissen: Wenn ein Anruf vom deutschen Festnetz in das Mobilfunknetz getätigt wird, fällt ein erhöhtes Verbindungsentgelt an; der Anruf ist also teurer.

Im vorliegenden Fall wurde das Mobilfunknetz folglich nicht belastet und der Anbieter konnte nicht das erhöhte Entgelt verlangen. Die Mobilfunknetzanbieter wurden durch dieses Angebot quasi übergangen. Der BGH sah darin eine gezielte Behinderung unter Ausnutzung fremder Einrichtungen zum Zwecke des Abfangens von Kunden gem. § 4 Nr. 4 UWG, da die Deutsche Telekom sich zur Realisierung der Rufumleitung die „Einrichtung und Vorhaltung des Mobilfunkanschlusses durch den Mobilfunknetzbetreiber für den Angerufenen zunutze machte, um dem (Anm.: aus dem Festnetz) Anrufenden das Nutzungsentgelt für einen Anruf in das Mobilfunknetz in Rechnung zu stellen“ (vgl. Entscheidungsgründe in BGH, Urteil vom 07.10.2009, Az.: I ZR 150/07 – Rufumleitung).

In der Tat hatte die Deutsche Telekom nämlich den Anrufenden das üblich erhöhte Entgelt berechnet, dem Angerufenen jedoch gleichzeitig eine entsprechende Gutschrift zukommen lassen. Ob dieses „Angebot“ auf Anklang gestoßen ist, sei dahingestellt.

e) Manipulation von fremder Werbung

Zum Zwecke des Massenabfangens von Kunden greifen Unternehmen teilweise darauf zurück, die Werbung ihrer Mitbewerber zu manipulieren. Was kann man unter Manipulation in diesem Kontext verstehen?

Vom plumpen Zerstören oder Beschädigen von Werbeplakaten und anderen Printmedien über das Nachahmen fremder Werbe-Ideen, reichen die Vorgehensweisen bis hin zum Einsatz von Werbeblocker-Software, mit der digitale Werbung der Konkurrenz unterdrückt werden kann.

Andere, ebenfalls weit verbreitete Arten der Werbemanipulation sind das sogenannte „Domain-Grabbing“ sowie auch das „Domain-Squatting“, mithilfe dessen die Kunden derart in die Irre geführt werden, dass sie u.U. trotz gezielter Suche nach einem bestimmten Unternehmen irrig an dessen Mitbewerber geraten, der eine ähnlich zusammengesetzte Domain oder schlicht unzählige Domains auf Alltagsbegriffe hat registrieren lassen und auf diese Weise den Durchschnittsverbraucher verwirrt. Es handelt sich bei diesen Methoden um sehr spezielle Formen der Behinderung von Mitbewerbern, sodass die Begrifflichkeiten im nächsten Abschnitt separat erklärt werden müssen.

Zurück zu den größtenteils analogen Formen der Werbungsmanipulation: Was ist erlaubt, was nicht? Wie bereits erwähnt, ist jede Form der beschädigenden oder gar zerstörenden Sabotage grundsätzlich unzulässig, da offensichtlich nicht nur der eigene Wettbewerb gefördert werden soll, sondern vor allem dem Mitbewerber geschadet wird. Neben wettbewerbsrechtlichen Folgen kann in diesen Konstellationen Strafanzeige gem. § 303 StGB erstattet werden wegen Sachbeschädigung.

Grundsätzlich zulässig ist es jedoch, in räumlicher sowie zeitlicher Nähe zum Geschäftssitz des Mitbewerbers die eigene Werbung zu platzieren. Der Konkurrent muss es folglich hinnehmen, dass besonders aufmerksamkeitserregende Werbung wie bspw. das Parken von Kraftfahrzeugen mit auffallend großem Werbeslogan oder das Anbieten von Dienstleistungen auf offener Straße zu Werbezwecken, unter Umständen dessen eigene Werbung in den Schatten stellt (vgl. Omsels in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG 4. Auflage 2016, § 4 Nr. 4 Rn. 71).

Selbst das Nachahmen fremder Werbung ist erlaubt, wenngleich selbstverständlich die Grenzen von Marken-, Design- und Geschmacksmusterrecht beachtet werden müssen.

Unzulässig ist es hingegen, wenn ein Mitbewerber in die Verkaufsstelle seines Konkurrenten geht und dort Werbung für sich betreibt. Eine weitere, wenn auch digitale, unzulässige Form der Werbemanipulation ist das Einbringen von Werbung auf der Internetseite des Konkurrenten mithilfe von Pop-Ups. Dieses virtuelle Eindringen könnte nämlich dem Betreten der Geschäftsräume gleichkommen und muss folglich ebenso wenig hingenommen werden. – Als betroffenes Unternehmen könnte man über den Einsatz von Werbeblockersoftware nachdenken, wobei die Verwendung auf eigene Websites beschränkt ist und ansonsten lediglich dann angewendet werden darf, wenn der Verbraucher damit einverstanden ist, d.h. nicht der Entscheidungsfreiheit beraubt wird, welche Werbung er sehen will und welche nicht.

#f) Domain-Grabbing, Domain-Squatting und Missbrauch von Metatags

Der Wettbewerb funktioniert heutzutage nicht mehr ohne einen ansprechenden und leicht auffindbaren Internetauftritt, weshalb Kenntnisse in Bezug auf Domains und den Einsatz von Meta-Daten in Grundzügen unerlässlich sind.

Wie bereits erwähnt, handelt es sich beim Domain-Grabbing und Domain-Squatting um Formen der Werbemanipulation, die zum einen den Verbraucher irreführen sollen und zum anderen in der Konsequenz der Behinderung von Mitbewerbern dienen sollen. Manchmal erfolgt das Handeln jedoch nicht aus einem moralisch verwerflichen Grund, sondern es handelt sich um ein den eigenen Wettbewerb förderndes Geschäftsmodell, wobei es auch da hinsichtlich der Lauterkeit auf den Einzelfall ankommt.

Doch zunächst soll geklärt werden, was unter diesen IT-Fachbegriffen zu verstehen ist und welche Praktiken denn nun tatsächlich wettbewerbswidrig sind.

Was sind Domains? Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich bei einer Domain um eine Internetadresse für bspw. eine Website. Sie ist weltweit einmalig und stellt den für Menschen merkbaren Namen eines Rechners im Internet dar, d.h. man kann die Domain sehen und gezielt danach suchen. Indem man die Domain bei seinem Browser in die Suchleiste eingibt, schickt man also eine Anfrage in das Internet.

Zur Veranschaulichung werden die beiden Domains

https://www.kanzlei-wirtschaftsrecht.berlin/ und https://www.bgmarketing.de/ herangezogen:

Domains bestehen i.d.R. aus 4 Ebenen, wovon 3 sichtbar sind („https“ ist kein Bestandteil der Domain, sondern ein Verschlüsselungssystem!). Von rechts nach links gelesen sind diese die Top-Level-Domain (berlin; de), die Second Lebel Domain (kanzlei-wirtschaftsrecht; bgmarketing) und die Third Level Domain oder auch Subdomain genannt (www). Jede einzelne Domain ist mit einem Punkt von der anderen getrennt. Die Einzigartigkeit des Gesamtgebildes (Fully Qualified Domain Name) entsteht also aus der Kombination jeder einzelnen (Teil-) Domain. Wenn man sich nun auf eine Domain festgelegt hat, unter der man bspw. seine Unternehmenswebsite im Internet platzieren will, muss man diese registrieren lassen und erwirbt im selben Zug als Domain-Registrant ein vertragliches Nutzungsrecht an der ausgewählten Domain.

Achtung: Diese Registrierung ist keineswegs mit einer Markenanmeldung gleichzusetzen, da allein durch die Registrierung keine besonderen Schutzrechte gewährt werden! In der Folge können Domains registriert werden, die so ähnlich aussehen wie die eines Konkurrenten, was bei Markenkennzeichen jedoch aufgrund der Verwechslungsgefahr grundsätzlich nicht möglich ist.

An dieser Stelle knüpft die erste Vorgehensweise an: Das Domain-Squatting.

Domain-Squatting, auch Cyber-Squatting genannt, beschreibt die Praxis, Domains zu registrieren, obwohl einem die Rechte am Begriff (i.d.R. die Second-Label-Domain) eigentlich nicht zustehen und diese dann teuer an den tatsächlichen Rechteinhaber zu verkaufen.

Mitunter werden sogar erpresserische Maßnahmen ergriffen, wie bspw. das Erstellen von negativem, bloßstellendem oder diffamierendem Content unter dieser Domain, um den Rechteinhaber zum Kauf zu drängen.

Die beiden bekanntesten Arten des Cyber-Squattings sind das Namejacking und das Brandjacking, wobei im ersten Fall Namensrechte verletzt werden und im zweiten Fall die Markenrechte betroffen sind.

Eine weitere Form des Cyber-Squattings ist das Typo-Squatting, welches ganz besonders im Kontext des Abfangens von Kunden relevant ist: Der BGH hatte 2014 nämlich entschieden, dass das Registrieren und Nutzen von diesen Tippfehler-Domains zum eigenen Wettbewerbsvorteil unter Ausnutzung des Tippfehlers mit Hinblick auf das unlautere Abfangen wegen gezielter Behinderung gem. § 4 Nr. 4 UWG unzulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.01.2014, Az.: I ZR 164/12; zuvor bereits OLG Hamburg, Urteil vom 08.01.2009, Az.: 5 W 1/09 – günstiger.de).

Das betroffene Unternehmen oder die betroffene Einzelperson kann im Fall von Namejacking wegen der Verletzung ihres Namensrechts Beseitigung und Unterlassung aus § 12 BGB verlangen. Markenrechtlich können wegen Brandjackings Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche aus §§ 14, 15 MarkenG durchgesetzt werden, wenn das Halten des Domain-Namens für sich genommen bereits eine Rechtsverletzung darstellt (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 12.08.2008, Az.: 312 O 64/08 – area45cycles).

Führt das Domain-Squatting dazu, dass durch das Ausnutzen der dadurch erreichten Machtposition dem Mitbewerber gegenüber dieser wiederum zu einer Entscheidung gedrängt wird, die er unter normalen Umständen nicht getroffen hätte, liegt ein Verstoß i.S.d. § 4a UWG sowie des § 14 MarkenG i.V.m. § 3a UWG bzw. des § 15 MarkenG i.V.m. § 3a UWG oder § 12 BGB i.V.m. § 3a UWG und damit eine unlautere geschäftliche Handlung i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG vor. Die Verbraucher werden überdies in die Irre geführt und so auch zu einer geschäftlichen Entscheidung bewegt, die sie sonst nicht getroffen hätten.

Ähnlich verhält es sich mit dem Domain-Grabbing, wobei dieses im Gegensatz zum Domain-Squatting nicht grundsätzlich unlauter ist, sondern es ganz auf den Einzelfall ankommt:

Unter dem Begriff des Domain-Grabbings versteht man das gewerbliche Registrieren und anschließend gewinnbringende Weiterverkaufen von Domains, von denen der Registrant denkt, dass andere Unternehmen daran künftig Interesse haben könnten. Man könnte sagen, es handelt sich um ein spekulatives Geschäftsmodell. Außerdem funktioniert dieses Geschäft nur mit einer möglichst großen Masse an Domains, welche damit erreicht wird, dass jeweils der gleiche Gattungsbegriff (Second-Label-Domain) auf möglichst viele Top-Level-Domains registriert wird.

Der Unterschied zum Domain-Squatting liegt also vor allem darin, dass nicht bestimmte Unternehmen oder öffentliche Personen gezielt dazu gebracht bzw. genötigt werden sollen, diese Domains zu kaufen.

Es ist vielmehr ein auf Masse (ein Begriff in der Second Label Domain (s.o.) wird für viele verschiedene Top Label Domains registriert) ausgelegtes Vorgehen, das ähnlich wie ein Investment zu verstehen ist und nicht den Verbraucher verwirren will, um ihn so von einem Mitbewerber abzufangen. Grundsätzlich ist Domain-Grabbing sogar als anerkanntes Geschäftsmodell zulässig (dazu vgl. BGH, Urteil vom 28.04.2016, Az.: I ZR 82/14).

Wenn allerdings besondere Umstände hinzutreten, ist auch das Domain-Grabbing unlauter:

Davon ist grundsätzlich dann auszugehen, wenn der Domain-Erwerb bzw. die Registrierung „(…) allein darauf gerichtet ist, (…) diese vom Kennzeicheninhaber abkaufen oder lizenzieren zu lassen und der Erwerber sich damit ohne eigenes Interesse an der Domain an Dritten, die wirtschaftlich auf deren Nutzung angewiesen sind, bereichern will.“ (vgl. Leitsatz LG Hamburg, Urteil vom 12.08.2008, Az.: 312 O 64/08).

Mit dieser Formulierung stellt das LG Hamburg fest, dass die unlautere Art des Domain-Grabbings große Ähnlichkeit mit dem Domain-Squatting aufweist.

Was hat es mit dem Missbrauch von Meta-Daten auf sich? Metadaten bzw. Metatags sind für den Verbraucher nicht sichtbar, aber für die Suchmaschinen umso relevanter. Die Tags werden im Kopfbereich eines HTML-Dokuments als Quelltext eingefügt und enthalten eine textbasierte Beschreibung der Website. Dazu gehören Informationen zum Seitentitel, eine kurze Beschreibung des Inhalts, der Autor, allgemeine Schlag- und Schlüsselwörter (Keywords) uvm. Sie alle stellen Ranking-Kriterien dar, die zur Suchmaschinenoptimierung dienen und somit für Verbraucher und das Abfangen von Kunden wichtig sind.

Wenn beispielsweise ein Webseiteninhaber in seinen Quelltext fremde Kennzeichen einfügt, um so die Trefferquote zu erhöhen, handelt er unlauter i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG.

Der Missbrauch von Metatags ist wegen der Irreführung von Verbrauchern gem. § 5 UWG sowie u.U. wegen der gezielten Behinderung durch das Abfangen von Kunden gem. § 4 Nr. 4 UWG unlauter, wobei für die Tatbestandsmäßigkeit des § 4 Nr. 4 UWG das Einsetzen der Metatags tatsächlich die Wirkung haben muss, dass sich der Verwender zwischen den Verbraucher bzw. potentiellen Kunden und einen Mitbewerber stellt (vgl. Jänich in Münchener Kommentar Lauterkeitsrecht, UWG 3. Auflage 2020, § 4 Nr. 4 Rn. 70).

Abwerben von Kunden – Welche Methoden sind wettbewerbsrechtlich unzulässig?

Neben dem „präventiven“ Schritt, Kunden für sich zu gewinnen, können Mitbewerber sich untereinander gegenseitig die Kunden „ausspannen“. Denn der Kundenstamm ist genauso wenig schutzfähig wie potentielle Kunden (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2005, Az.: I ZR 140/02 – Kündigungshilfe); im Gegenteil: Das Abwerben ist Ausdruck eines gut funktionierenden Wettbewerbs und horizontale Verabredungen zwischen Mitbewerbern, die den jeweiligen Erhalt des Kundenstamms vertraglich regeln, sind nach § 1 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) sogar verboten.

Selbstverständlich handelt es sich hier wie beim grundsätzlich erlaubten Abfangen von Kunden um Regel-Ausnahme-Verhältnisse. Um die Unlauterkeit zu begründen, müssen besondere Umstände hinzutreten, die den Tatbeständen der §§ 3 ff. UWG zuzuordnen sind.

Aggressives Abwerben – Überrumpelung und Nötigung

Eine klassisch-aggressive Methode des Abwerbens ist das Nötigen zum Vertragsbruch, welches gem. § 4a UWG unlauter ist. Es muss jedoch nicht unmittelbar zum Wechsel des Vertragspartners gedrängt werden; vielmehr reicht für die Unlauterkeit gem. § 4a UWG bereits ein mittelbarer Kündigungszwang. Dieser wurde vom BGH im Jahre 1990 im Streitfall zwischen zwei Versicherungsfirmen angenommen, bei welchem die beklagte Partei mit einer Gewerkschaft einen Gruppenversicherungsvertrag abgeschlossen hatte, der den Gewerkschaftsmitgliedern einen Familien- und Wohnungsrechtsschutz auferlegte und der laut der Satzung mit den Mitteln des Betriebsaufkommens bezahlt wurde.

Die Klägerin, die diesen Rechtsschutz ebenfalls anbietet, werde nach Ansicht des BGH wettbewerbsrechtlich gem. § 4 Nr. 4 UWG gezielt behindert, indem das einzelne Mitglied aus finanziellen Gründen dazu gezwungen werde, die bereits bestehende Einzelversicherung zu kündigen, um eine Doppelversicherung zu verhindern (BGH, Urteil vom 25.01.1990, Az.: I ZR 19/87).

Überrumpelung zählt nicht zum Tatbestand einer aggressiven geschäftlichen Handlung gem. § 4a UWG, obwohl es dem allgemeinen Sprachgebrauch und der Vorstellung von wettbewerblicher Sittenwidrigkeit nach erst einmal so scheint. Passender wäre hier die Unlauterkeit gem. § 3 Abs. 2 UWG (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 38. Auflage 2020, § 4 Rn. 4.40):

  • 3 Abs. 2 UWG: „Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.“

Was kann man sich unter einer Überrumpelung vorstellen? – Wenn bspw. das abwerbende Unternehmen ohne vorherige Ankündigung am Arbeitsplatz oder bei der Privatwohnung auftaucht, um den Verbraucher aktiv abzuwerben, bringt er diesen in eine Situation, die er schnell beenden möchte und entweder aus diesem Grund oder aus einer Schocksituation heraus, vielleicht sogar im noch nicht ganz wachen Zustand, dem Abwerben nachgibt. Neben dem Aspekt des Widerrufsrechts von Haustürgeschäften gem. § 312g BGB, von dem nach § 355 BGB der Verbraucher innerhalb von 14 Tagen Gebrauch machen kann, ist dieses Verhalten gem. § 3 Abs. 2 UWG unlauter.

Vorformulierung von Kündigungsschreiben

Wenn ein Unternehmen einen Kunden abwerben will, der jedoch ein Vertragsverhältnis mit dem Mitbewerber unterhält, muss dieser Vertrag zunächst ordnungsgemäß aufgekündigt werden, um einen Vertragsbruch zu vermeiden. Grundsätzlich ist es zulässig, wenn das abwerbende Unternehmen dem Kunden dabei behilflich ist, indem es auf erforderliche Modalitäten der Vertragsbeendigung hinweist, ohne deren Einhaltung die Kündigung unwirksam sein könnte. Darüber hinaus ist es wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn dem noch gebundenen Kunden ein vorgefertigtes Kündigungsschreiben vorgelegt wird, das lediglich noch der Unterschrift und des aktuellen Datums bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2005, Az.: I ZR 140/02 – Kündigungshilfe) oder der neue Vertragspartner sogar zur Kündigung bevollmächtigt wird (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 38 Auflage 2020, § 4 Rn. 4.39). Grundsätzlich ist eine Kündigungshilfe also zulässig, doch auch hier haben wir wieder ein Regel-Ausnahme-Konstellation, bei welcher besondere Umstände zur Unlauterkeit führen können:

Unlauterkeitsbegründende Umstände liegen bei der Vorformulierung von Kündigungsschreiben erst dann vor, wenn der noch gebundene Kunde in einer seine Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Art und Weise irregeführt, bedroht oder überrumpelt wird (s.o.). Eine solche Beeinflussung würde dann einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 oder § 4a UWG bzw. § 5 UWG darstellen, ansonsten stellt aktive Kündigungshilfe keinen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht bzw. eine gezielte Behinderung des Mitbewerbers gem. § 4 Nr. 4 UWG dar.

Verleitung zum Vertragsbruch und Ausnutzen fremden Vertragsbruches

Wird der Kunde gegenüber dem Mitbewerber vertragsbrüchig und das konkurrierende Unternehmen nutzt diesen Umstand nur aus, ist das Verhalten des ausnutzenden Unternehmens nicht wettbewerbswidrig, da das UWG nicht dem Durchsetzen und Einhalten von vertraglichen Ansprüchen und Beziehungen Dritter dient. Anders formuliert, darf eine vertragliche Bindung zwischen einem Unternehmen und seinem Kunden keine rechtlichen Auswirkungen auf das vertragsfremde, abwerbende Unternehmen haben.– Zumal das betroffene Unternehmen durch etwaige Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche aus dem Vertragsrecht ausreichend geschützt ist.

Es ist im Übrigen unerheblich, ob das abwerbende Unternehmen Kenntnis vom Vertragsbruch hatte oder hätte haben müssen (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2007, Az.: I ZR 96/04 – Außendienstmitarbeiter).

Treten jedoch besondere Umstände hinzu, die den Kunden in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen, können diese die Unlauterkeit vom Ausnutzen fremden Vertragsbruch begründen. Derlei besondere Umstände sind dieselben wie bei der Unlauterkeit von Kündigungshilfe: Überrumpelung, Bedrohung oder Irreführung.

Vom bloßen Ausnutzen fremden Vertragsbruches ist das Verleiten zum Vertragsbruch abzugrenzen, da das abwerbende Unternehmen selbst bewusst und gezielt aktiv wird, um auf den Vertragsbruch hinzuwirken. Die ständige Rechtsprechung geht nämlich davon aus, dass das Hinwirken und Verleiten zum Vertragsbruch bereits dann unlauter seien, wenn keine besonderen Umstände (s.o.) hinzutreten. Die Begründung stützt sich dabei auf die sittenwidrige Verfolgung eigener wettbewerblicher Ziele (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 24.02.1994, Az.: I ZR 74/92 – Sistierung von Aufträgen) und das Prinzip der Vertragstreue: Pacta sunt servanda (lat. für: „Verträge sind einzuhalten“).

Diese Meinung wird im Rahmen eines Meinungsstreits mit einzelnen innerhalb der juristischen Fachliteratur vertretenen Ansichten stark kritisiert (vgl. v.a. Köhler/Bornkamm/Feddersen). Danach könne eine vertragsfremde dritte Person nur dann haften, wenn sie eine unerlaubte Handlung i.S.d. § 830 Abs. 2 BGB als Anstifter mitverschuldet hat. Diese Einschränkung müsse deshalb gelten, weil der Grundsatz aus dem Ausnutzen fremden Vertragsbruches, dass die vertragliche Bindung und die damit einhergehenden Einhaltungspflichten zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmen keine rechtlichen Auswirkungen auf Dritte haben dürfen, auch auf das Verleiten zum Vertragsbruch angewendet werden müssten.

Selbstredend müsste die Unlauterkeit ferner in den Fällen des unlauteren Einwirkens auf den Verbraucher bejaht werden. Beim Verleiten zum Vertragsbruch sind die Nötigung i.S.d. § 4a Abs. 1 UWG sowie das Ausnutzen von geschäftlicher Unerfahrenheit, Leichtgläubigkeit, Angst oder einer Zwangslage gem. § 4a Abs. 2 S. 2 UWG besonders naheliegend. Auch das Irreführen durch Unterlassen gem. § 5a UWG könnte relevant und unlauterkeitsbegründend sein, wenn die abwerbende Partei bspw. Risiken eines Vertragsbruchs wie etwaige Vertragsstrafen verschweigt (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 38. Auflage 2020, § 4 Rn. 4.36a).

Da allerdings noch keine den Streit entscheidende höchstrichterliche Rechtsprechung existiert, sollte man sich an der grundsätzlichen Unlauterkeit des Verleitens zum Vertragsbruch orientieren. Im Zweifel ist jedoch bei Vorliegen eines Unlauterkeitsmerkmals gegenüber dem Kunden beim Verleiten als solches das gesamte Abwerben in jedem Fall unlauter gem. § 4 Nr. 4, da der Mitbewerber gezielt behindert wird.

Abwerben durch ehemalige Mitarbeiter

Eine besonders ärgerliche Form des Abwerbens von Kunden ist die durch einen früheren Beschäftigten, der ggf. seinen Kundenstamm mit in das neue Unternehmen einbringen will (vgl. BGH, Urteil vom 22.04.2004, Az.: I ZR 303/01 – Verabschiedungsschreiben).

Das Abwerben von Kunden des früheren Arbeitgebers ist allerdings wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden und stellt keinen Verstoß gem. § 7 Abs. 1 UWG dar. Der Arbeitgeber steht au contraire sogar zur Vermeidung eines solchen Falles selbst in der Pflicht, ein vertragliches Wettbewerbsverbot gem. §§ 74 HGB ff., § 90a HGB zu vereinbaren.

Unlauter ist das Abwerben durch ehemalige Mitarbeiter lediglich dann, wenn wieder besondere Umstände hinzutreten. Demnach müssten die Kontaktaufnahme und das Verleiten zum Wechsel des Vertragspartners bzw. das Verleiten zum Vertragsbruch an sich unlauter gewesen sein wegen bspw. Überrumpelung, Nötigung, Irreführung oder Ausnutzen von Leichtgläubigkeit etc..

Abwerben unter Ausnutzung fremder Geschäftsgeheimnisse

Ein weiterer unlauterkeitsbegründender, besonderer Umstand ist daneben auch das Abwerben von Kunden durch ehemalige Mitarbeiter; diesmal allerdings unter Ausnutzung ihrer Kenntnisse über Geschäftsgeheimnisse. Dann könnte darin ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht gem. § 4 Abs. 2, 3 GeschGehG i.V.m. § 3a UWG sowie gegen § 4 Nr. 4 UWG liegen.

Vorab: Was sind Geschäftsgeheimnisse? – Geschäftsgeheimnisse haben mit dem Inkrafttreten des GeschGehG (Geschäftsgeheimnisgesetz) im April 2019 eine Legaldefinition in § 2 Nr. 1 GeschGehG erhalten:

„Im Sinne dieses Gesetzes ist ein Geschäftsgeheimnis eine Information,

  1. die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und
  2. die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und
  3. bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.“

Dazu können durchaus auch Kunden-, Patienten- und Mandantenlisten zählen, wobei es stets auf den Einzelfall ankommt. Ausschlaggebend kann der Aspekt sein, ob der ehemalige Mitarbeiter zur Zeit seiner Beschäftigung im Unternehmen Zugang zu den Kundenlisten hatte oder die Kundenlisten lediglich im Kopf, also nicht schriftlich, behalten hat (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.1999, Az.: I ZR 2/97 – Weinberater; BGH, Urteil vom 27.04.2006, Az.: I ZR 126/03 – Kundendatenprogramm).

In jedem Fall ist das Ausnutzen fremder Geschäftsgeheimnisse unlauter i.S.d. § 4 Nr. 4 UWG, wenn ein Mitbewerber ohne früheren beruflichen Kontakt zu den Kunden seines Konkurrenten diese mithilfe unlauter erworbener Geschäftsgeheimnisse abwirbt.

Herabsetzung des Mitbewerbers

Das in § 4 Nr. 1 UWG normierte wettbewerbsrechtliche Verbot der Herabsetzung von Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnissen eines Mitbewerbers stellt eine äußerungsrechtliche Spezialnorm zur gezielten Behinderung von Mitbewerbern gem. § 4 Nr. 4 UWG dar und konkretisiert diese somit. Damit ist eine unlautere geschäftliche Handlung i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG bei Erfüllung beider Tatbestände vorrangig dem § 4 Nr. 1 UWG zuzuordnen, wobei eine Heranziehung von § 4 Nr. 4 UWG zumindest nicht schädlich und erlaubt ist (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2009, Az.: I ZR 82/07 – Mecklenburger Obstbrände).

Unter einer Herabsetzung versteht man im Übrigen die Minderung des Ansehens und der Wertschätzung des Mitbewerbers als Vertragspartner; davon umfasst sind auch dessen Produkte, Dienstleitungen etc., die durch die Verbreitung von wahren oder unwahren Tatsachenbehauptungen oder auch Werturteilen geringer wertgeschätzt werden (vgl. Koos in Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht, UWG 3. Auflage 2016, § 6 Rn. 246).

Handelt es sich um eine Herabsetzung im Rahmen vergleichender Werbung, kann diese gem. § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG unlauter sein, wobei diese Spezialnorm bei Vorliegen der entsprechenden Tatbestände als abschließend und vor allem vorrangig anzusehen ist.

Bei der Verbreitung von herabwürdigenden und unwahren Tatsachen können überdies § 4 Nr. 2 UWG sowie das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Art. 3 GG hergeleitete Unternehmenspersönlichkeitsrecht relevant werden und über das Deliktsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB) anwendbar sein.

Irreführung durch Tun oder Unterlassen

Im Sinne des § 5 UWG sowie des § 5a Abs. 2 UWG und somit auch nach § 4 Nr. 4 UWG handelt ein Unternehmen unlauter, wenn es den Kunden im Zuge des Abwerbeprozesses irreführt.

Dies kann durch aktives oder passives Irreführen, d.h. entweder durch Weitergabe von falschen Informationen oder durch Weglassen von für die Entscheidungsfindung wesentlichen Informationen, geschehen.

Beispielhaft für aktives Täuschen ist der Fall, wenn ein Wettbewerber einen an einen Mitbewerber vertraglich gebundenen Kunden in den irrigen Glauben versetzt, er beziehe die vereinbarten Leistungen weiterhin von diesem Vertragspartner, wobei sich jedoch das täuschende Unternehmen dazwischen stellt und dem Kunden stattdessen seine Leistung unterschiebt (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2012, Az.: I ZR 125/11 – Parkplatz-Service).

Ferner ist es unlauter, wenn ein abwerbendes Unternehmen irreführende Angaben zu seinem Angebot und auch dem seines Mitbewerbers verbreitet, um so Kunden für sich zu gewinnen (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.2001, Az.: I ZR 124/99 – Mietwagenkostenersatz).

Irreführung durch Unterlassen hingegen liegt beispielsweise vor, wenn das abwerbende Unternehmen den Verbraucher irrig in dem Glauben lässt, er würde bei einem Wechsel des Vertragspartners günstigere Konditionen bekommen, obwohl dies nicht der Wahrheit entspricht. Dieses Unterlassen ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte und ist somit unlauter.

Verletzung vertraglicher Wettbewerbsverbote

Gesetzliche Wettbewerbsverbote ergeben sich nicht aus dem UWG, da dieses Gesetz gem. § 1 S. 2 UWG den unverfälschten Wettbewerb schützt und es somit ganz im Gegenteil einen freien und gleichberechtigten Wettbewerb zum Ziel hat.

Allerdings ist es möglich, Wettbewerbsverbote per Vertrag dank des Grundsatzes der Privatautonomie zu vereinbaren.

Vertragliche Wettbewerbsverbote werden oft vereinbart, um in Fällen der Betriebsaufspaltung oder bei Ausscheiden eines Mitarbeiters aus dem Betrieb und anschließendem Verselbständigen, zu verhindern, dass das noch während der Tätigkeit im Betrieb erlangte Wissen im direkten Wettbewerb gegeneinander ausgenutzt wird.

Daraus ergibt sich, dass diese vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbote sowohl einseitig als auch gegenseitig ausgestaltet sein können, wobei letzteres i.d.R. eher auf einen Vertrag zwischen zwei Unternehmen als auf einen Vertrag mit einem ehemaligen Mitarbeiter zutrifft.

Für Mitarbeiter gilt aufgrund des Loyalitätsgebots für den Zeitraum ihrer Beschäftigung ein vertragliches Wettbewerbsverbot, gegen welches sie bspw. verstoßen, wenn sie sich noch während ihrer Dienstzeit an den Kundenstamm des Arbeitgebers wenden und so versuchen, sie als Kunden für sich selbst oder den neuen Arbeitgeber zu gewinnen (vgl. BGH, Urteil vom 22.04.2004, Az.: I ZR 303/01 – Verabschiedungsschreiben).

Für die Zeit nach der Beschäftigung im Unternehmen kann allerdings auch ein nachvertragliche Wettbewerbsverbot i.S.d. § 74 HGB vereinbart werden, aus dem sich allerdings die Pflicht zur Zahlung einer Entschädigung für eine festgelegte Karenzzeit ergibt:

„(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt, bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen.

(2) Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen erreicht.“

Aber Achtung! Nicht jede Vertragsverletzung stellt zugleich einen Verstoß gegen das UWG dar! Wirbt der ehemalige Mitarbeiter die Kunden seines früheren Arbeitgebers ab, bei denen offensichtlich bzw. allgemein bekannt ist, dass sie dessen Kunden sind, handelt der Abwerbende i.d.R. nicht unlauter, da es sich bei den Kontaktdaten um keine Geschäftsgeheimnisse handelt (s.o.). Der ehemalige Mitarbeiter hat zwar eine Vertragsverletzung begangen und muss mit entsprechenden vertraglichen Unterlassungs-, Schadensersatz- und Vertragsstrafeansprüchen rechnen, aber welche aus dem UWG entstehen deswegen nicht. Sonst würden schließlich auch die vereinbarten Ansprüche durch die Regelungen des UWG unterlaufen werden (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen/ UWG 38. Auflage 2020, § 4 Rn. 4.42).

Kommt es zu einem vertraglichen Wettbewerbsverbot zwischen Unternehmen und wird dagegen verstoßen, entstünden dieselben vertraglichen Ansprüche wie im Falle von vertragsbrüchig gewordenen (ehemaligen) Mitarbeitern.

Sollten Ansprüche aus dem UWG gestellt werden, dürfte nicht der Vertragsbruch an sich zum Gegenstand gemacht werden, sondern seine nachhaltigen Auswirkungen auf den Wettbewerb. Diese sind in einem Fall aus dem Jahre 2003 durchaus gegeben, in welchem das OLG Hamburg entschieden hat, dass das Anbieten von Test-Abonnements einer Zeitschrift durch einen Zeitschriftenhändler mit einer Ersparnis von über 35 % gegen die vertragliche Preisbindung verstößt. Preisgebunden ist in diesem Fall der Zeitschriftenhandel durch vertragliche Vereinbarung mit dem Herausgeber der Zeitschrift und verstößt gegen das Wettbewerbsverbot, welches durch die gesteigerte Attraktivität dieses Angebots massive Auswirkungen auf den Wettbewerb hat (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 27.02.2003, Az.: 5 U 85/02 – Zeitschriften-Abo).

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