RA Benjamin Grunst (Foto: © Dietmar Schmidt)

Einstellung eines Ermittlungsverfahrens zum Internetstrafrecht (§ 202c StGB)

9.01.2017 | Medien- und Wirtschaftsrecht

In einem weiteren internationalen Ermittlungsverfahren gegen die Hacker-Szene konnte für unseren Mandanten eine Einstellung erreicht werden. Nur durch die spezifischen Kenntnisse des Internetstrafrechts konnte die rechtlichen Schwachstellen aufgedeckt werden.

Wie gestaltet sich der Sachverhalt in Bezug auf den Vorwurf des Computerbetruges?

Dem als sogenannten „Black-Hat“ Beschuldigten wird vorgeworfen, in der kriminellen Hacker-Szene tätig zu sein und sich unter Vorsatz des Ausspähens und Abfangens von Daten eine illegale Software heruntergeladen zu haben, die die Funktion eines sogenannten „Crypters“ innehat. Als „Crypter“ werden jene Softwares bezeichnet, welche Computerdateien und insbesondere Schadsoftwares wie „Trojaner“ vor der Entdeckung durch Anti-Viren-Schutzprogramme schützen. Bei besagter Software handelt es sich um ein inhaltlich einer international bekannten Malware ähnelndes Programm, dessen Pendant im Rahmen einer FBI-Razzia in weltweit 16 Ländern gleichzeitig verfolgt wurde. Der Beschuldigte ist in der IT-Sicherheitsbranche tätig und hat im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit dieses Programm heruntergeladen, um eigene Sicherheitslücken ausfindig zu machen.

Eingeleitete Schritte im Zuge des Ermittlungsverfahrens wegen Cyberkriminalität

Zunächst erfolgte eine Wohnungsdurchsuchung auf Beschluss des Amtsgerichtes hin. Im Zuge dieser Durchsuchung durch Beamte des Polizeipräsidenten in Berlin wurden mehrere PCs sowie externe Festplatten und SD-Karten sichergestellt. Der Beschuldigte wandte sich an die bundesweit tätige Kanzlei für Strafrecht aus Berlin, woraufhin aufgrund der dringlichen Situation umgehend das Mandat von Herrn Rechtsanwalt Grunst angenommen und Antrag auf Akteneinsicht gegenüber des Amtsgerichtes gestellt wurde. Im selben Schritt legte der Verteidiger Widerspruch gegen die Wohnungsdurchsuchung ein, widerrief die freiwillige Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände und bat diesbezüglich um schnellstmögliche Herausgabe insbesondere die des PCs, welcher essentiell für die berufliche Tätigkeit seines Mandanten war. Im Falle einer angeordneten Beschlagnahme erbat Rechtsanwalt Grunst eine Spiegelung der Daten und berief sich dabei auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, welcher besonders in Fällen des Eingreifens in die Grundrechte Anwendung findet. Die Generalstaatsanwaltschaft verwehrte die Akteneinsicht vor einer gerichtlichen Entscheidung, woraufhin Rechtsanwalt Grunst nachdrücklich insistierte. Rechtlich berief dieser sich auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), welcher besagt, dass dem Beschuldigten die Beweismittel auf die gleiche Art und Weise wie dem Ermittlungsrichter zugänglich und anschaulich gemacht werden müssen. Aus taktischen Gründen wurde der Verteidiger im nächsten Schritt von seiner anwaltlichen Schweigepflicht, insbesondere gegenüber dem Verteidiger des Mitbeschuldigten, entbunden. Bezüglich der Spiegelung der zu Arbeitszwecken benötigten Daten wurde mit dem Landeskriminalamt besprochen, diese durch einen Mitarbeiter auf eine externe Festplatte durchführen zu lassen.

Inwiefern reagierte die Verteidigerseite auf fehlende Kooperation der Behörden?

Der Verteidiger Grunst erbat gegenüber dem Amtsgericht einen Aufschub der Entscheidung im Hinblick auf die Beschlagnahme der Gegenstände, da nach mehrfacher Bitte um Akteneinsicht diese scheinbar zielgerichtet versagt wurde. Als Erklärungsversuch seitens der Generalstaatsanwaltschaft wurde inadäquater Weise betont, dass das Gericht die Akte eingehend überprüfen würde und in der Konsequenz die Rolle der Verteidigung nichtig sei. Rechtsanwalt Grunst widersprach dieser Auffassung ausdrücklich und verwies auf prozessuale Mindeststandards wie Waffengleichheit und den Grundsatz des fairen Verfahrens nach Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Als eine Begründung für den Verdacht der tendenziösen Ermittlungen führte der Verteidiger den Verzicht der Spiegelung der Festplatte vor Ort während der Durchsuchung auf, was als milderes Mittel dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprochen und dennoch die Ermittlungen nicht beeinträchtigt hätte. Des Weiteren schilderte Rechtsanwalt Grunst die Problematik der Spiegelung und dass diese trotz zuvor getroffener Vereinbarung laut des verantwortlichen Beamten des LKA aufgrund des Verdachts von abgefangenen Drittdaten nicht erfolgte, was allerdings über den Vorwurf, welcher den Durchsuchungsbeschluss ursprünglich begründete, hinausging. Es folgten Ausführungen zur Unrechtmäßigkeit dieses Vorhabens und ein erneuter Antrag auf Akteneinsicht sowie auf Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände.

Ambivalente Aussagen seitens der Behörden bezüglich der Beschlagnahmung

Als Nächstes wurde der Widerspruch der Verteidigerseite bezüglich der Beschlagnahmung durch das Amtsgericht als unbegründet zurückgewiesen. Bezugnehmend auf den Schriftsatz der Verteidigerseite wegen der Bitte um Zuwarten der Entscheidung stritt die Staatsanwaltschaft die gezielte Suche nach Zufallsfunden ab und rechtfertigte die Entscheidung, die Akte direkt an das Amtsgericht zu schicken und somit die Verteidigung zu übergehen, mit dem Argument des Zeitsparens, um das Interesse des Beschuldigten hinsichtlich der zügigen Bearbeitung zu wahren. Bezüglich des Antrages auf Akteneinsicht wiederholte die Staatsanwaltschaft, dass diese nach der gerichtlichen Entscheidung gewährt werden würde. Paradoxerweise wurde im Zuge dieses Schreibens die frühere Zusicherung bezüglich der Festplatten-Spiegelung abgestritten.

Stellungnahme der Verteidigerseite

Nachdem dank der Beharrlichkeit seitens des Verteidigers Grunst zuletzt doch noch Akteneinsicht gewährt wurde, folgte die Stellungnahme mit Antrag sowohl auf Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO wegen mangelnden hinreichenden Tatverdachts als auch auf sofortige Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände. Zunächst übte der Verteidiger gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft Kritik wegen des Fehlens unabhängiger Gutachten bezüglich des Tatvorwurfs wegen eines Computerprogramms nach § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB aus. Des Weiteren verweist Rechtsanwalt Grunst auf die Funktion des § 202 c StGB, welche an sich die Strafbarkeitslücken der §§ 202a (Ausspähen von Daten) und 202b StGB (Abfangen von Daten) schließen soll. Folgerichtig muss zum Erfüllen des Tatbestandes nach § 202c StGB der Vorsatz der Begehung der Straftaten nach §§ 202a, 202b, 303a und 303b StGB nachweislich gegeben sein. Bezugnehmend auf den vorliegenden Sachverhalt machte der Verteidiger auf die fehlende Beweisbarkeit eben jenes Tatvorsatzes aufmerksam, da der Beschuldigte als Sicherheitsbeauftragter in der IT-Branche lediglich den legalen Zweck des Aufspürens eigener Sicherheitslücken verfolgte. Überdies gab Rechtsanwalt Grunst zu bedenken, dass der beschlagnahmte PC zwei Jahre vor dem strittigen Software-Download angeschafft wurde und dass, wie in der Akte aufgeführt, die Lizenz für die Nutzung dieser Software lediglich einen Monat andauerte. In der Konsequenz war sowohl die Beschlagnahmung als auch die Auswertung unzulässig.

Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft

Das Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Generalstaatsanwaltschaft gab außerdem eine Auflistung jener Strafverfolgungsmaßnahmen an, die eine Entschädigung rechtfertigen können, worunter unter anderem das Entstehen eines Vermögensschadens von über 25,00 EUR im Zuge der Wohnungsdurchsuchung fällt.


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