Der Künstlerexklusivvertrag
Ein Plattenvertrag mit vielen Möglichkeiten

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Das Musikbusiness wurde durch kaum eine Vertragsart so stark geprägt wie durch den Künstlerexklusivvertrag (Exclusive Artist Agreement). Auch, wenn der Begriff des „Knebelvertrags“ vor allem auf diese Vertragsart zurückzuführen ist und der neuere Bandübernahmevertrag immer populärer wird, sollte der „KEV“ nicht leichtfertig abgetan werden. Denn er bietet für beide Parteien enorme Vorteile, wenn Artist und Label an einem Strang ziehen. Neben dem offensichtlichen gegenseitigen finanziellen Nutzen profitieren Artists nämlich vor allem von Ressourcen, Connections und einer effektiven Infrastruktur des Labels. Mit einem Künstlerexklusivvertrag nimmt ein Label den Artist also „an die Hand“ und kümmert sich um sämtliche finanzielle, organisatorische und vertriebliche Angelegenheiten. Im Gegenzug werden dem Label so umfangreiche Rechte eingeräumt wie in keinem anderen Plattenvertrag. Besonders als Newcomer kann daher die Entscheidung, welche Vertragsart am besten zu einem passt, schwerfallen. Die folgenden Basics zum KEV und seinen vertragstypischen Klippen können dabei helfen.

Das Musiklabel bzw. die Plattenfirma als Vertragspartner

Die Beteiligten an einem Künstlerexklusivvertrag sind zum einen der Interpret bzw. Künstler als künstlerischer Produzent. Die zweite Vertragspartei ist dann der wirtschaftliche Produzent, welcher entweder ein Label oder ein Produzent sein kann. Darin liegt auch einer der großen Unterschiede zum Bandübernahmevertrag, bei welchem es letztlich nur um die Auswertung und den Vertrieb durch ein Label/eine Vertriebsfirma etc. geht. – Der vorgelagerte Herstellungsprozess bleibt dahingehend unbeeinflusst. Vertragspartner ist beim BÜV also ein Label oder ein reines Vertriebsunternehmen.

Was kann man sich unter einem Musiklabel vorstellen? Einfach gesagt ist ein Label, auch Platten- oder Tonträgerfirma genannt, ein Unternehmen, welches unter seinem Markennamen und aus seinem Repertoire heraus Musikwerke vertreibt. Neben den Big Playern im Musikgeschäft, den Major Labels, existieren auch kleinere Plattenfirmen, welche entweder ein Tochterlabel eines Majors oder unabhängige Independent Labels sind.

Darüber hinaus darf man Labels nicht mit Verlagen verwechseln. Labels schließen Verträge nämlich, um Leistungsschutzrechte an einer konkreten Produktion bzw. Aufnahme zu erhalten. Verlage hingegen kümmern sich um die Verwertung von Text und Komposition (Urheberrechte), weshalb ihre Vertragspartner Songwriter und Komponisten sind. Sobald Artists nicht nur Interpreten sind, sondern auch den Text und die Melodie geschrieben haben, müssen Verträge sowohl mit einem Verlag als auch mit einem Label geschlossen werden. Daher haben viele Musikunternehmen beide Felder intern abgedeckt, um so eine bessere Zusammenarbeit zu gewährleisten.

Ein weiterer häufiger Fehler ist die pauschalisierende Bezeichnung eines Labels als „Tonträgerhersteller“. Denn sieht man sich die Aufgaben und Rechte eines Tonträgerherstellers (engl. producer of phonograms) an, kommt man zum Ergebnis, dass dieser immer der wirtschaftliche Produzent eines Masterbands ist. Als solcher kümmert er sich um die organisatorische und finanzielle Seite der Produktion. Dafür stehen ihm gem. § 85 UrhG Verwertungsrechte zu. Dazu gehört das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen. Der wirtschaftliche Produzent ist aber nicht immer ein Label.

Bei einem Bandübernahmevertrag zum Beispiel kann die Rolle des wirtschaftlichen Produzenten sowohl der Urheber als auch ein von ihm beauftragter Dritter übernehmen. In der Folge ist entweder der Urheber oder der Dritte Tonträgerhersteller. Das Label zahlt zwar ggf. einen Vorschuss, ist deswegen aber noch lange nicht automatisch der wirtschaftliche Produzent. (Mehr dazu findet ihr hier)

Bei einem Künstlerexklusivvertrag liegt es allerdings in der Natur der Sache, dass das Label gleichzeitig wirtschaftlicher Produzent ist. Also darf man hier ohne Bedenken vom Tonträgerhersteller sprechen.

Ein Label hat neben der Rolle als reinem Vertriebsdienstleister und „Geldgeber“ noch viele weitere Funktionen. Das wird deutlich, wenn man sich die facettenreichen Abteilungen und Funktionsbereiche eines durchschnittlichen Labels anschaut:

 

  • A&R (Artist & Repertoire Management)
  • Studio und Technik
  • Marketing und Public Relations (PR)
  • Produktmanagement
  • Legal und Business Affairs
  • Finance und Controlling
  • Tonträgerherstellung
  • Vertrieb

Erster Schritt zum Plattenvertrag: A&R – Scouting und Signing

Bei einem Künstlerexklusivvertrag, welcher in aller Regel einen 360 Grad-Deal umfasst, kommen sämtliche Abteilungen eines Labels zum Einsatz. Für den ersten Schritt in Richtung KEV ist zunächst einmal die A&R-Abteilung wichtig. A&R steht hier für Artists and Repertoire. Die hier zuständigen Personen werden einfach „A&R“ genannt und ihre Aufgaben sind sowohl das Entdecken (Scouting) als auch das unter Vertrag nehmen (Signing) von Künstlern, die zum Label passen und in welchen sie Potential für kommerziellen Erfolg sehen. Sie stellen quasi die erste Hürde dar und fungieren in etwa als die Türsteher eines Labels. Entweder bekommen diese Personen einen Tipp und sehen sich die Artists live an oder man sendet ganz klassisch ein Demo ein.

Bei der Art der Kontaktaufnahme kommt es ganz auf die Ausrichtung des Labels und auch ein wenig auf die Musikrichtung an. Bei Rockbands beispielsweise wird sich gerne die Liveperformance und die Reaktion der Fans angesehen; im EDM-Bereich wird mehr Wert auf das Demo, die Social Media Präsenz, das Portfolio und vergangene Features gelegt. Ein aktuelles oder abgeschlossenes Projekt ist jedoch nicht nötig, da es beim KEV ja genau darum geht, dass noch keine fertigen Aufnahmen bestehen, die nur noch lizenziert werden müssten. Es soll der gesamte Herstellungsprozess begleitet werden. Dazu gehört auch das Artist Development von Scratch auf.

Exklusivbindungen: Artist Development oder bewusstes Zurückhalten?

Sobald der A&R entschieden hat, dass Artist und Label kompatibel sind, leitet er die Empfehlung weiter. Ist man sich dann über die Zusammenarbeit einig ist, wird entschieden, welche Art von Vertrag geschlossen werden soll. Neben dem Bandübernahmevertrag unterscheidet man bei den Artist Agreements zwischen dem Künstlervertrag an sich (KÜV) und dem Künstlerexklusivvertrag (KEV). Auch hier besteht schon allein wegen der begrifflichen Ähnlichkeit Verwechslungsgefahr. Der Unterschied zwischen beiden Verträgen liegt darin, dass ein KÜV meist nur für ein Album bzw. eine bestimmte Zahl an Songs gilt, für die die Rechteeinräumung zugunsten des Labels von vornherein festgelegt ist. Sobald allerdings eine Exklusivbindung vereinbart wird, handelt es sich -wie der Name bereits nahelegt- um einen Künstlerexklusivvertrag. Einfach gesagt, verpflichtet sich ein Künstler hier dazu, für den gesamten Vertragszeitraum exklusiv, also ausschließlich, dem Vertragspartner zur Aufnahme von Tonbändern zur Verfügung zu stehen. Bei einem einfachen Künstlervertrag steht es dem Artist frei, während des Vertragszeitraums Aufnahmen mit Dritten herzustellen oder nach seinen Wünschen beliebig gefeatured zu werden.

Die Exklusivbindung hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Sie stellt neben dem Ausschluss anderer Labels/Produzenten auch sicher, dass der Artist vollumfänglich gepusht werden kann. Daher beinhalten Künstlerverträge in aller Regel 360-Grad-Deals. Dieses Entfaltungspotential ist der maßgebliche Grund für viele Artists, nach einem solchen Plattenvertrag bei einem Label zu streben und wird als enormer wettbewerblicher Vorteil angesehen.

Allerdings kann der damit einhergehende umfangreiche Rechtekatalog und die Exklusivbindung auch gegen den Artist eingesetzt werden. Was jetzt erst einmal unglaublich klingt, ist traurige Wahrheit. Man stelle sich den Fall vor, dass ein Artist schon länger bei einem Label unter Vertrag steht, nach ganz oben gepusht wurde und eine absolute Nische bedient. Dann gibt es vielleicht einen Newcomer, welcher mit dem groß rausgebrachten Artist verwechselt werden könnte oder vielleicht sogar schon jetzt größeren Anklang in der Online-Hörerschaft findet. Um den Fortschritt des ersten Künstlers und damit die Investition nicht zu gefährden, wird dem Newcomer ein Künstlerexklusivvertrag bei demselben Label angeboten. Sobald dieser freudig unterschreibt, kann das Label von ihm nicht nur verlangen, für Produktionen zur Verfügung zu stehen, sondern ihn auch gezielt von neuen Produktionen fernhalten oder die Auswertung fertiger Musikwerke zurückhalten.

Auch in -nicht seltenen- Fällen von persönlichen Differenzen ist es schwer, aus einem Künstlerexklusivvertrag herauszukommen.

Arten von Exklusivbindungen: Was ist bei einem Künstlerexklusivvertrag üblich?

Grundpfeiler und zentrale Bestandteile eines Künstlerexklusivvertrages sind die verschiedenen Exklusivbindungen, die den Artist verpflichten. Sie werden auf drei Ebenen vereinbart:

Exklusivität an den vertraglichen Aufnahmen

Die wichtigste Exklusivbindung betrifft die, bei der sich der Artist dazu verpflichtet, dem Label die ausschließlichen Nutzungsrechte an den vertraglich geschuldeten Aufnahmen bzw. an sämtlichen im Vertragszeitraum hergestellten Aufnahmen einzuräumen. Ausschließlich meint hier, dass der Rechteinhaber die Rechte unter Ausschluss von allen anderen nutzen bzw. Dritten einfache Nutzungsrechte einräumen darf. Die Ausschließlichkeit kann im Urheberrecht grundsätzlich noch gem. § 31 UrhG räumlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkt werden. Allerdings werden Exklusivrechte im Rahmen eines Künstlerexklusivvertrages in der Regel weltweit und zeitlich unbegrenzt eingeräumt.

Persönliche Exklusivität

Die persönliche Exklusivität bezieht sich auf den Künstler in seiner Funktion als Musiker. Er darf sich für den Vertragszeitraum nicht für Tonbandaufnahmen für Externe zur Verfügung stellen. Ausnahmen können vereinbart werden. Beispiel dafür ist die Teilnahme an Tonbandaufnahmen als reiner Studiomusiker, also als „non featured artist“. Dann wird kein Künstlervertrag mit dem anderen Produzenten/Label geschlossen, sondern eine einfache Künstlerquittung als Buyout ausgestellt. Auch andere Ausnahmen können entweder gleich im Vertrag vereinbart werden oder offen unter den Vorbehalt einer Freistellungserklärung durch das Label gestellt werden. In der Regel wird dann das Label, bei dem der Artist unter Künstlerexklusivvertrag steht, anteilig vergütet. Auch nachvertraglich ist eine persönliche Exklusivität nicht unüblich. Damit ist eine Sperre mit Wirkung gegen andere Labels gemeint, welche allerdings nicht lange andauert (1-2 Jahre). Doch gerade in der Musikwelt kann es wichtig sein, nicht so viel Zeit verstreichen zu lassen. Beharrt das Label auf eine solche Klausel, kann vertraglich die Möglichkeit eines Buyouts vereinbart werden. Ähnlich wie es bei Profifußballern der Fall ist, kann das neue Label dann den Artist vom alten Label gegen eine „Ablösesumme“ freikaufen.

Titelexklusivität

Die Titelexklusivität geht über den Vertragszeitraum hinaus und verpflichtet den Artist, die im Rahmen des KEV hergestellten Aufnahmen für einen bestimmten Zeitraum nicht neu aufzunehmen. Hier findet zwar keine räumliche, wohl aber eine zeitliche Beschränkung statt. Üblich sind 2-7 Jahre. Darüber hinausgehende Titelexklusivität behindert den Künstler unverhältnismäßig in seiner künstlerischen Freiheit und könnte unter Umständen sogar als sittenwidrig angesehen werden. Dem aufmerksamen Hörer fällt vielleicht auf, dass manche Alben aus der Vergangenheit in scheinbar exakt gleicher Art noch einmal veröffentlicht werden. Die Frage nach dem Warum drängt sich auf. Der zeitliche Abstand liegt an eben jener Titelexklusivität und die Neuveröffentlichung dieser „remastered“-Version könnte an einem neuen Plattenvertrag/Vertriebsvertrag liegen, der dem Artist weitaus bessere Konditionen bietet als es beim alten Label der Fall war. Genau diese Konstellation ist vor wenigen Jahren groß durch die Medien gegangen, als eine der größten US-amerikanischen Sängerinnen/Songwriterinnen ein altes Album neu aufgenommen und unter einem anderen Label veröffentlicht hat.

360 Grad Deals in Künstlerexklusivverträgen

Was sind diese 360-Grad-Deals und warum existieren sie? Diese Fragen stellen sich spätestens dann, wenn in den Verträgen die Rede von „Überkreuzabsicherungen“ oder „vollumfänglicher Rechteeinräumung“ die Rede ist. Obwohl sich bei vielen Artists als Reaktion auf derart drastische Formulierungen die Nackenhaare aufstellen, muss ein 360-Grad-Deal keine schlechte Sache sein. Es ist eine Frage des Gebens und Nehmens, vor allem jedoch von geschickter Vertragsverhandlung.

360 Grad meint hier nicht die traditionelle vollumfängliche Auswertung des Tonträgers, sondern bezieht sich ergänzend auf die Nebenrechte. Gegenstände sind daher neben dem Vertrieb zusätzliche Einnahmequellen, die sich aus Merchandise, Sponsoring, Booking, Werbedeals und Aufführungs- sowie Senderechten und der Wiedergabe durch Funksendungen ergeben. Für beide Parteien hat diese Überkreuzabsicherung enormen finanziellen Vorteil. Für Artists relativiert sich dieser natürlich dadurch, dass anteilig weniger bei rauskommt. Andererseits würden die Einnahmen aus dieser Richtung mit großer Wahrscheinlichkeit generell niedriger ausfallen, wenn sich selbst darum gekümmert werden würde bzw. oftmals auch gar nicht, weil die entsprechenden Connections und die nötige Infrastruktur fehlt. Das Label steckt mehr hinein und bekommt dafür auch mehr. Klingt erstmal logisch.

Das, was beim Artist ankommt, ist in der Regel entweder eine vom Label entrichtete Lizenzgebühr oder eine generelle Erhebung der Umsatzbeteiligung an der Tonträgerauswertung. Falls ein Vorschuss gezahlt wurde, wird dieser über diese Tonträgerauswertung recouped (engl. eingebracht), wobei nur über die dem Artist zustehenden Anteile recouped wird. Richtwert sind nicht die gesamten Einnahmen. Das Recoupment ist der tatsächlichen Ausschüttung der Umsatzbeteiligung an den Artist vorangestellt. Das heißt so viel, als dass der Artist erst dann Geld sieht, wenn die „Schulden“ aus dem Vorschuss, welcher nichts weiter als ein Darlehen darstellt, getilgt wurden. Wenn nun die gesamte Umsatzbeteiligung wegen der Nebenrechte angehoben wird, geht das natürlich schneller. Wird allerdings vereinbart, dass eine gesonderte Lizenzgebühr entrichtet wird, die mit der Umsatzbeteiligung nichts zu tun hat, dauert dieser Prozess länger, weil nicht direkt aus Einnahmen von Nebenrechten recouped wird. In der Regel geht man als Artist aber besser raus, wenn man sich für die Lizenzgebühr entscheidet, da hier in der Regel großzügiger abgerechnet wird als bei der Umsatzbeteiligung. Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht bei jedem Label und ist, wie gesagt, alles eine Frage der Vertragsverhandlungen.

Man sollte sich zudem die Frage stellen, was voraussichtlich die größere Einnahmequelle darstellen wird: CDs/Vinyl/Streams oder Merch/Konzerte etc. Oftmals lohnt es sich, den Fokus auf Letztere zu legen, weil der Verkauf von physischen Tonträgern rückgängig ist (daran ändert auch der Vinyl-Trend nicht viel) und die Einnahmen aus Streams noch eher gering ausfallen.

Optionen – Sind einseitige Vertragsverlängerungen fair?

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil, nicht nur von KEVs, sind die sogenannten Optionen. Auch diese haben den Beigeschmack eines Knebelvertrages. – Und das mitunter zurecht. Optionen sind das Kernstück von Plattenverträgen. Sie regeln optionale Verlängerungen des Vertrages zu bestimmten, vorher festgelegten Konditionen. Während sie bei Bandübernahmeverträgen unüblich und eher deplatziert sind, stellen sie eines der wichtigsten Elemente von exklusiven Plattenverträgen dar. Der Unterschied liegt nämlich in der Ausrichtung der verschiedenen Vertragsarten: Soll kurzfristig (einzelne Songs, 1 Album = BÜV) oder langfristig (KEV/KÜV) zusammengearbeitet werden? Eine längerfristige Zusammenarbeit, insbesondere mit großen Labels, vermittelt ein Gefühl von Stabilität und Sicherheit. Probleme ergeben sich allerdings in den Punkten Flexibilität und dann, wenn Differenzen zwischen Artist und Label auftauchen oder wenn die ursprünglichen Konditionen aufgrund des gestiegenen Marktwerts des Artists nicht mehr angemessen sind. Optionen werden nämlich bereits im anfänglichen Vertrag eingefügt und können einseitig nach Gutdünken des Labels wahrgenommen werden. – Oder eben nicht. Unmut kann daher sowohl dann entstehen, wenn man länger als gewollt im Vertrag bleiben muss oder wenn dieser zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sein Ende findet, obwohl von Seiten des Artists eine längere Kooperation gewünscht wäre. Spätestens dann, wenn man sich der zweiten Variante gewahr wird, verpufft das anfänglich vermittelte Gefühl von Stabilität recht schnell.

In der Regel werden in einem Künstlerexklusivvertrag ca. 3 Optionen festgehalten. Handelt es sich um einen Newcomer, kann die Anzahl schon einmal geringer ausfallen, sodass es auf lediglich eine Option hinausläuft, die eine Vertragsverlängerung um 1 Jahr vorsieht. Das muss allerdings kein schlechtes Zeichen sein. Ganz im Gegenteil sind weniger Optionen aus Künstlersicht sogar besser, weil man zum einen nicht in einer Optionen-Schleife gefangen ist (sofern nicht gewollt) und zum anderen auch nachvertragliche Optionen vereinbart werden können, sodass nach Auslaufen dieser einen Option das Ende vom wortwörtlichen Lied noch nicht erreicht sein muss. Diese angefügten Optionen bieten dann die Möglichkeit, aufgrund von gestiegener Bekanntheit/gestiegenem Marktwert bessere Konditionen auszuhandeln als es bei ursprünglicher Vertragsunterzeichnung der Fall gewesen wäre.

In jedem Fall gilt, ähnlich wie beim 360-Grad-Deal: Den Vertrag doppelt lesen, wenn man zum Punkt rund um die Optionen gelangt!

Warum sich ein Künstlerexklusivvertrag auch heute noch lohnt

Ein Künstlerexklusivvertrag hat, wie sowohl die Ausführungen zum 360-Grad-Deal als auch zum Vorschuss und zu den Optionen auszugsweise aufzeigen, so einige Klippen, die einem die Lust an einem exklusiven Plattenvertrag gründlich verderben können. Da drängt sich doch die Frage auf, ob man heutzutage denn überhaupt noch ein Label braucht, das einen an die Hand nimmt.

Größtes Pro-Argument für ein Label waren noch bis Anfang der 2000er die umfangreichen Vertriebskanäle, zu denen ausschließlich Plattenfirmen Zugang hatten, weshalb sie so eine Art Monopolstellung einnahmen. Vor dem Zeitalter des Online-Streamens waren noch die physischen Tonträger für den Umsatz in der Musikindustrie verantwortlich. Seitdem hat sich durch die Online-Streaming-Plattformen einiges geändert. Der Umsatz liegt im zweistelligen Milliardenbereich, wohingegen sich der Umsatz der physischen Tonträger auf den unteren einstelligen Bereich beschränkt. Nach jahrelangem Rückgang der Verkaufszahlen von CDs und Vinyls zeichnet sich allerdings ein Aufwärtstrend ab, der nicht zu vernachlässigen ist. Für manche Musikrichtungen, insbesondere Jazz und Indie-Alternative, ist diese Entwicklung von größerem Interesse und zwingt die Artists mangels eigener Kapazitäten und Kapital stellenweise dazu, einen Plattenvertrag zu schließen. Damit ist nicht zwingend ein Künstlerexklusivvertrag gemeint. Auch Bandübernahmeverträge erfreuen sich aufgrund der immer noch vorhandenen Notwendigkeit des Vertriebs von physischen Tonträgern hoher Beliebtheit.

Für andere Musikrichtungen, deren Zielgruppe sowieso digitaler unterwegs ist, lohnt sich ein Vertriebsvertrag. Dieser teilt sich in den physischen und eben auch nicht-physischen Vertrieb auf. Die Herstellung von Tonträgern übernimmt dabei der Artist; das Vertriebsunternehmen übernimmt lediglich die reine öffentliche Zugänglichmachung und Vervielfältigung. Das Gute an dieser Art der Zusammenarbeit: Sie unterliegt weniger Bedingungen und Einschränkungen als ein Plattenvertrag bei einem Label. Allerdings sind Artists in nahezu sämtlichen Schritten von der Ideenfindung über Corporate Identity-, Signature Sound- und Feature-Suche, dem gesamten Produktionsprozess (künstlerisch und wirtschaftlich/exekutiv) bis hin zu Marketing, Promotion etc. auf sich allein gestellt. Dass sich ob dieser überwältigenden Masse an Aufgabenfeldern Überforderung einstellt, ist verständlich. Allerdings lohnt es sich vielfach, erst einmal klein anzufangen, reine Vertriebsverträge für den nicht-physischen Bereich abzuschließen und dann ab einem gewissen Grad an Bekanntheit/Reichweite und gestiegenem Marktwert in Vertragsverhandlungen mit einem Label zu treten. So ist die Ausgangsposition weniger schlecht gestellt und mit gutem Verhandlungsgeschick sowie einem Rechtsanwalt an der Seite sollte ein fairer Plattenvertrag erreicht werden können.

Außerdem: Eine Tatsache, die sich bei aller Autonomie dank Streaming Plattformen, Social Media und Social Payment Dienstleister immer wieder vor Augen geführt werden sollte, ist die, dass sich ab einem gewissen Punkt ohne die Hilfe eines Labels karrieretechnisch Stagnation einstellen wird. Die Musikwelt ist ein harter Wettkampf und frei nach Darwin überlebt dort nur der Stärkste. Diese Stärke hatten seit nun über einem Jahrhundert die Labels inne und daran wird sich auch in Zukunft nicht vieles ändern.

Es existieren Deals mit Festivalanbietern, Marketingagenturen und Co., sodass der Zugang teilweise allein mit einer Tonträgerfirma im Rücken möglich ist. Eine Zusammenarbeit mit einem Label sollte allerdings nicht nur aus dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit heraus betrachtet werden, sondern vor allem mit den vielen Möglichkeiten als gemeinsames und (fast) gleichberechtigtes Ziel vor Augen. Daher lohnt es sich durchaus, Zeit und Nerven in die verschiedenen A&Rs und Vertragsverhandlungen zu investieren.

Streit mit dem Label: Wie komme ich aus dem Künstlerexklusivvertrag wieder raus?

Der Weg aus dem Vertrag führt, wie bereits erwähnt, entweder über einen Buyout oder über einen wichtigen Grund. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kann der Künstlerexklusivvertrag, wie jeder andere Vertrag auch, jederzeit fristlos aufgekündigt werden. Ansonsten muss man die Laufzeit abwarten, die vereinbarten Leistungen erbringen und bei den nächsten Vertragsverhandlungen in den hier aufgezählten „Klippen“-Punkten doppelt lesen und besser verhandeln.

Fazit

Ein Künstlerexklusivvertrag hat viele Vor- und Nachteile. Ob man letztlich im umgangssprachlichen Knebelvertrag landet, hängt von der eigenen Verhandlungsposition und den Kenntnissen zu typischen Fallen eines Plattenvertrages ab. Wichtig ist: Nicht übereilt unterschreiben, sondern den Vertrag vorher von einem unabhängigen Rechtsanwalt prüfen lassen. Im besten Fall sucht man sich von Anfang an rechtliche Unterstützung, auf die man sich bereits während der gesamten Vertragsverhandlungen verlassen kann.

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